Transkript
Aktuelles zur Skabies
Juckreiz als Leitsymptom kann fehlen
EADV
In der Regel ist heftiger Juckreiz das Leitsymptom der Skabies, die durch die mikroskopisch kleine Milbe Sarcoptes scabiei var. hominis verursacht wird. Der Juckreiz könne gravierende Komplikationen provozieren, er könne aber auch völlig fehlen, berichtete Olivier Chosidow, Créteil, Frankreich, am virtuellen EADV-Kongress 2020.
Die IACS (International Alliance for the Control of Scabies, www.controlscabies.org) ist eine Expertengruppe, die sich für die globale Kontrolle der parasitären Hautkrankheit engagiert. Die IACS erreichte, dass die WHO die Skabies 2017 in die Liste der vernachlässigten Tropenkrankheiten aufnahm (1). Zwar ist die Skabies weltweit anzutreffen, aber in unterprivilegierten Bevölkerungsschichten ist die Verbreitung in Ländern mit geringen finanziellen Mitteln besonders stark. Die weltweite Prävalenz wurde auf 200 Millionen Personen
Skabies ohne Juckreiz bei Hochbetagten
In einer prospektiven Beobachtungsstudie wurden in England zwischen Januar 2014 und April 2015 10 Skabiesausbrüche untersucht.
• Von insgesamt 430 Bewohnern von 10 Pflegeheimen mit Skabies-
ausbrüchen konnten 230 Bewohner (medianes Alter 86,9 Jahre) untersucht werden. Zwei Drittel der untersuchten Bewohner waren dement.
• 61 Bewohner (27%) erhielten eine Skabiesdiagnose. In 4 Fällen han-
delte es sich um eine krustöse Skabies. Bei 169 Bewohnern war keine Skabies feststellbar.
• 31 (51%) der 61 Bewohner mit Skabies waren völlig asymptomatisch
(kein Juckreiz, kein Kratzen, kein Exanthem). Intensiver Juckreiz als Leitsymptom von Skabies fehlte also in der Hälfte der Fälle.
• Bei 25 (41%) betagten Personen waren Milbengänge zu finden. Nur
bei 7 Betagten (12%) wurden Milbengänge an den Händen festgestellt. Bei jüngeren Personen gelten Fingerzwischenräume als klassische Hauptlokalisation für die pathognomonischen Milbengänge.
• Das atypische klinische Bild bei Hochbetagten kann dazu beitragen,
dass Skabiesausbrüche in Pflegeheimen erst mit zeitlicher Verzögerung erkannt werden.
• Massenbehandlungen wurden 2-mal, im Abstand von 7 Tagen, mit
einem topischen Skabizid durchgeführt. Nur 2 Personen wurden peroral mit Ivermectin behandelt.
• In Pflegeheimen sind topische Massenbehandlungen, ergänzt durch
Umgebungsdekontamination, arbeitsintensiv und belastend für die Bewohner. Das Pflegepersonal würde deshalb orale Therapien bevorzugen.
• Demenz erhöhte bei den Betagten das Risiko, mit Skabies angesteckt
zu werden.
Quelle: Cassell J et al. (2).
pro Jahr geschätzt. In wohlhabenden Nationen kann sich die Skabies – in der Regel durch direkten Haut-zu-Haut-Kontakt – hauptsächlich in Flüchtlingsunterkünften, Alters- und Pflegeheimen, Betreuungseinrichtungen für Kinder, Spitälern, Gefängnissen und bei Obdachlosen ausbreiten.
Juckreiz – Kratzen – Komplikationen
Nach der Begattung auf der Hautoberfläche graben befruchtete Milbenweibchen Gänge in der Epidermis, wo sie Eier legen und Kotballen ausscheiden. Eine zellvermittelte Spättypreaktion auf Milben, Eier und Kotballen bewirkt quälenden Juckreiz, mit Intensivierung nachts im Bett, und ein Exanthem disseminierter, geröteter, kleiner Papeln. Bläschen, Pusteln und Kratzspuren sind weitere Hinweise auf Skabiesmilben in der Epidermis. Vor allem in tropischen und subtropischen Regionen kann der intensive Juckreiz gravierende Komplikationen provozieren. Durch bakterielle Superinfektion der aufgekratzten Haut mit Streptococcus pyogenes und Staphylococcus aureus können schwere Haut- und Weichteilinfektionen entstehen. Es kann zu Sepsis und invasiven Infektionen und zu schwerwiegenden immunvermittelten Komplikationen (rheumatisches Fieber, Glomerulonephritis, rheumatische Herzkrankheit) kommen. Bei hochbetagten Personen kann die Klinik stark vom klassischen Bild der Skabies abweichen, wie ein Bericht über Skabiesausbrüche in
Krätzemilbe (Sarcoptes scabiei) in der Haut (Zeichnung). Quelle: W. Linsenmaier/Servicio Cientifico de Laboratorios Roche 1950
CongressSelection Dermatologie | Januar 2021
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EADV
zehn britischen Pflegeheimen darlegte (2). Mehr als die Hälfte von 61 Hochbetagten mit Skabiesdiagnose war völlig asymptomatisch (siehe Kasten).
Zur topischen Skabiestherapie steht der Wirkstoff Perme-
thrin aus der Gruppe der Pyrethroide in einer Creme zur
Verfügung (Scabimed® 5% Creme).
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Diagnostik und Therapie
Manchmal ist mit dem Dermatoskop an Prädilektionsstellen (z. B. Fingerzwischenräumen, Handgelenken, Axillen, periumbilikal, Genitalregion, Gesäss) in der Epidermis ein Gang mit Milbe, Eiern und Kotballen zu finden (siehe Abbildung). Ein einfacher, auf molekularen Markern beruhender diagnostischer Labortest fehlt bislang. Die lichtmikroskopische Untersuchung abgeschabter Haut auf Milben, Eier und Kotballen bleibt deshalb weiterhin diagnostischer Goldstandard.
Alfred Lienhard
Quelle: «Scabies, a global challenge», Vortrag von Olivier Chosidow, Créteil, Frankreich, am virtuellen EADV-Kongress, 29. Oktober 2020 (Präsentation D1T04.4A).
Referenzen: 1. Bernigaud C et al.: The management of scabies in the 21st century:
Past, advances and potentials. Acta Derm Venereol 2020; 100: adv00112. 2. Cassell J et al.: Scabies outbreaks in ten care homes for elderly people: a prospective study of clinical features, epidemiology, and treatment outcomes. Lancet Infect Dis 2018; 18: 894–902.
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