Transkript
KONGRESSBERICHTE ZUM SCHWERPUNKT
Ausgewählte Highlights vom virtuellen AAD-Kongress 2020
Wichtige News zur Behandlung der Psoriasis
Das Spektrum der systemischen Psoriasistherapien wird von Jahr zu Jahr breiter, sodass die Behandlung immer besser auf die individuellen Bedürfnisse der Patienten ausgerichtet werden kann. Aus der am virtuellen AAD-Kongress 2020 (American Academy of Dermatology) präsentierten Datenfülle hat Dr. Julia-Tatjana Maul, Oberärztin und Leiterin der Psoriasis-Sprechstunde an der Dermatologischen Klinik, Universitätsspital Zürich, wichtige Fortschritte bei der Psoriasistherapie ausgewählt und am virtuellen 4. Post-AAD-Highlight-Meeting 2020 kommentiert.
In der Schweiz waren 2018 und 2019 die Jahre der Neuzulassung von IL-23-Inhibitoren. Als erster Vertreter dieser Biologikagruppe wurde Guselkumab Mitte Juni 2018 von Swissmedic zur Behandlung von mittelschwerer bis schwerer Plaque-Psoriasis registriert. Mitte April 2019 folgten Risankizumab und Tildrakizumab. Zu Guselkumab legte Kristian Reich am AAD-Kongress eine interessante Subgruppenanalyse der Studienergebnisse von VOYAGE 1 und 2 vor. Es zeigte sich, dass Superresponder-Patienten (PASI100-Ansprechen sowohl nach Woche 20 als auch nach Woche 28) bereits in den ersten 16 Wochen hervorragend auf Guselkumab angesprochen hatten. Ein frühes PASI75-Ansprechen wurde mit Guselkumab in dieser Subgruppe bei 36,9 Prozent bereits in Woche 4, bei 87,5 Prozent in Woche 8 und bei 100 Prozent in Woche 16 erreicht. Das sehr schnelle Ansprechen von IL-17-Inhibitoren sei gut bekannt, so die Referentin. Aber auch der IL-23-Inhibitor Guselkumab zeichne sich durch schnelles Ansprechen aus.
Kein erhöhtes Malignomrisiko
Die Vorgeschichte mancher Psoriasispatienten ist durch Malignome belastet. Gemäss den neuen europäischen Guidelines sei es möglich, eine Biologikatherapie 7 Jahre nach der Tumordiagnose zu beginnen, berichtete die Referentin. Vor Ablauf dieser Frist werde empfohlen, sich von Fall zu Fall mit dem Onkologen des Patienten abzusprechen. Zu den neuen IL-23-Inhibitoren seien zwar Langzeitdaten noch nicht verfügbar, aber aufgrund der Pathophysiologie erscheine diese Biologikagruppe als sehr sicher, so Maul. Die am AAD-Kongress präsentierten Subgruppenanalysen seien wichtig für die optimale Behandlung der Patienten. Mit dem bereits am längsten verfügbaren IL-23-Inhibitor wurden bezüglich Malignomrisiko keine beunruhigenden Signale festgestellt. Eine Analyse von Kim Papp fand mit Guselku-
mab während 3 Jahren keine Erhöhung des Malignitätsrisikos im Vergleich zur US-amerikanischen Allgemeinbevölkerung. Jennifer Cather analysierte die Malignitätsrisiken über 5 Jahre bei Patienten, die mit Tildrakizumab behandelt wurden. Im Rahmen der beiden Verlängerungsstudien reSURFACE 1 und 2 konnten Daten von 606 Patienten (2607 Patientenjahre) berücksichtigt werden. Die Malignitätsraten waren mit der US-Allgemeinbevölkerung vergleichbar. Es war kein dosisabhängiger Effekt von Tildrakizumab auf die Inzidenz von Malignomen (alle Malignome, Nicht-Melanom-Hautkrebs, Melanom) feststellbar.
Hohes und lang dauerndes Ansprechen
Richard Warren stellte am AAD-Kongress neue Phase-III-Studien-Ergebnisse zu Risankizumab vor, welche die sehr gute Effektivität dieses IL-23-Inhibitors belegen. Bezüglich der PASI90-Ansprechrate war Risankizumab mit 74 Prozent in Woche 16 dem IL-17Inhibitor Secukinumab (66%) nicht unterlegen (nicht signifikanter Unterschied). Aber in Woche 52 waren die Unterschiede signifikant mit einem PASI90-Ansprechen von 87 Prozent unter Risankizumab gegenüber 57 Prozent unter Secukinumab. Nach 1 Jahr erreichte der IL-23-Inhibitor auch eine überlegene PASI100-Ansprechrate von 66 Prozent (Secukinumab 40%). Die Referentin wies darauf hin, wie schwierig das hochgesteckte Ziel des PASI100-Ansprechens zu erreichen sei, denn definitionsgemäss dürften nirgendwo Schuppen und auf keinem Nagel Tüpfel vorhanden sein. Selbst bei einer Therapiepause kann davon ausgegangen werden, dass das Ansprechen auf neue IL-23-Inhibitoren noch lange Zeit bestehen bleibt. Das war zum Beispiel von Bedeutung, als etliche Patienten in der COVID-19-Pandemie ihre Behandlung in Eigenregie absetzten. In einem interessanten Poster zeigte Kristian Reich, dass es bei Patienten, die in
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Woche 28 angesprochen hatten, nach der letzten Tildrakizumab-Dosis von 100 mg im Mittel 32 Wochen dauerte, bis das PASI75-Ansprechen verloren ging.
Biologika für Kinder mit Psoriasis
Zur Biologikabehandlung pädiatrischer Patienten mit Psoriasis sind derzeit in der Schweiz Adalimumab, Etanercept und Ustekinumab erhältlich. Die Referentin begrüsste es, bald auch Vertreter der IL-17-Inhibitoren zur Behandlung pädiatrischer Psoriasispatienten zur Verfügung zu haben. Für nächstes Jahr werde die Erweiterung der Zulassung von Ixekizumab erwartet. Am AAD-Kongress analysierte Nina Magnolo bei pädiatrischen Patienten ab dem 6. Lebensjahr das PASI90-Ansprechen von Secukinumab, dem ersten IL-17-Inhibitor, der auf den Markt kam. In der Woche 16 betrug es 78,6 Prozent bei höherer, vom Körpergewicht abhängiger Dosierung und 83,3 Prozent bei Kindern mit geringerer Dosierung.
Die Realität bei der Therapie mit IL-17-Inhibitoren
Als «totaler Fan von Real-World-Daten», wie sich die Referentin bezeichnete, wies sie auf eine aktuelle Analyse von BADBIR hin. Das British Association of Dermatologists Biologic and Immunomodulators Register verfügt über Daten von mehr als 18 000 Patienten. Die Analyse von Anthony Bewley ergab bei einem Follow-up von 24 Monaten ein hohes, dauerhaftes Ansprechen auf die Secukinumab-Behandlung. Dabei sprachen Patienten, die zuvor schon eine oder mehrere Biologikatherapien erhalten hatten, erheblich weniger gut an (nach 2 Jahren 53,4% mit absolutem PASI ≤ 3) als Biologika-naive Patienten (85,5% mit absolutem PASI ≤ 3). Eine von Matthias Augustin durchgeführte Metaanalyse zur Evidenz in der realen Welt ergab mit Secukinumab ein gutes Drug-Survival. Zur Bestimmung des Drug-Survival werden für das eingesetzte Biologikum die Dauer der Adhärenz und der prozentuale Anteil adhärenter Patienten erfasst. Das Drug-Survival betrug mit Secukinumab nach 3 und nach 6 Monaten 90 Prozent. Nach 12 Monaten waren 80 Prozent der Patienten weiterhin bei der Secukinumab-Therapie geblieben, während 8 Prozent wegen ungenügender Wirksamkeit die Therapie abgebrochen hatten. Die Referentin fügte hinzu, dass bei der Secukinumab-Therapie bei weniger als 1 Prozent Autoantikörper aufträten. Von Arthur Kavanaugh präsentierte Daten der randomisierten, doppelblinden Vergleichsstudie EXCEED zeigten, dass Secukinumab bei der Behandlung von Psoriasis-Plaques der Adalimumab-Therapie signifikant überlegen war. Die PASI90-Ansprechrate betrug nach 52 Wochen 65,4 Prozent mit Secukinumab und 43,2 Prozent mit Adalimumab.
Biologika und neuere orale Medikamente zur Behandlung von Plaque-Psoriasis
s TNF-a-Inhibitoren Etanercept (Enbrel®, Benepali®, Elrezi®) Infliximab (Remicade®, Inflectra®, Remsima®) Adalimumab (Humira®, Amgevita, Hulio®, Humiroz®, Idacio®, Imraldi™) Certolizumab pegol (Cimzia®) s IL-12/23-Inhibitor Ustekinumab (Stelara®) s IL-17-Inhibitoren Secukinumab (Cosentyx®) Ixekizumab (Taltz®) Brodalumab (in der Schweiz derzeit noch nicht zugelassen) s IL-23-Inhibitoren Guselkumab (Tremfya®) Risankizumab (Skyrizi®) Tildrakizumab (Ilumetri®) s Oraler PDE4-Inhibitor Apremilast (Otezla®) s Orales Fumarsäurepräparat Dimethylfumarat (Skilarence®)
(gemäss Arzneimittelinformation www.swissmedicinfo.ch, Stand: 27.9.2020)
Die Referentin konnte diese Resultate aufgrund von Real-World-Erfahrungen in der Schweiz bestätigen. Der IL-17-Inhibitor sei aber auch eine sehr gute Alternative für Patienten mit Psoriasis-Arthritis. Die Resultate der EXCEED-Studie ergaben bei peripherer Arthritis nach 52 Wochen zwar keine statistisch signifikante, aber eine numerische Überlegenheit gegenüber dem TNF-a-Inhibitor. In einer grossen Datenbank (IBM Marketscan® Databases) wurde während eines Jahres bei Patienten, die verschiedene Biologika erhielten, die LangzeitMedikationspersistenz analysiert. Die von Andrew
Gut verträgliche perorale Alternative
Zu den wenigen neueren Psoriasismedikamenten, die oral eingenommen werden können, gehören der PDE4-Inhibitor Apremilast und das Fumarsäurepräparat Dimethylfumarat. Apremilast sei für Patienten mit mittelschwerer Plaque-Psoriasis eine gute Alternative, sagte die Referentin. Auch zur Behandlung der Psoriasis-Arthritis sei Apremilast gut geeignet. Um die Langzeitsicherheit von Apremilast über 5 Jahre zu bestimmen, führte Kristina Callis-Duffin eine gepoolte Analyse von Phase-III-Studien durch. Apremilast wurde von den Patienten in der Regel gut toleriert. Die beobachteten Nebenwirkungen waren meist leicht bis moderat und führten nicht zum Absetzen der Therapie. Mit zunehmender Therapiedauer kam es im 5-jährigen Beobachtungszeitraum nicht zu einem Anstieg der Inzidenz oder des Schweregrades von Nebenwirkungen, und es tauchten keine Sicherheitsbedenken auf. Es wurden keine schweren opportunistischen Infektionen gemeldet. Es sei erfreulich, dass über einen so langen Zeitraum nur sehr wenige Nebenwirkungen aufgetreten seien, kommentierte Maul. Sie hob besonders hervor, dass auch bei lang dauernder Apremilast-Therapie keine Erhöhung der Inzidenz von MACE (Major Adverse Cardiovascular Events), Malignitäten und opportunistischen Infektionen feststellbar war. AL
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Blauvelt vorgestellte Real-World-Studie zeigte, dass mit Ixekizumab behandelte Patienten ihre Monotherapie länger beibehielten als Patienten, die andere Biologika (Adalimumab, Etanercept, Ustekinumab, Secukinumab) erhielten.
Bei Kinderwunsch geeignetes Biologikum
Der pegylierte monoklonale Antikörper Certolizumab pegol ist bereits seit 12 Jahren zur Therapie der rheumatoiden Arthritis verfügbar, sodass umfangreiche Erfahrungen vorhanden sind. Dieses Jahr wurde der TNF-α-Inhibitor in der Schweiz auch zur Behandlung von Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Plaque-Psoriasis zugelassen. Mit Daten identischer Studien analysierte Alice Gottlieb das Ansprechen von Patienten mit Plaque-Psoriasis auf Certolizumab pegol im Langzeitverlauf. Bis zur Woche 144 blieb das Ansprechen (absoluter PASI < 3) bei 60 Prozent der Patienten erhalten. Dieser TNF-α-Inhibitor eigne sich gut als Alternative für Patienten mit Psoriasis-Arthritis und Plaque-Psoriasis, besonders auch für Patientinnen, die schwanger werden möchten, sagte die Referentin. Gemäss der Arzneimittelinformation (www.swissmedicinfo.ch) kann Certolizumab pegol bei eindeutiger Behandlungsindikation für TNF-αInhibitoren bei einer geplanten oder während einer bestehenden Schwangerschaft in Betracht gezogen werden.
sind. Im Unterschied zu Secukinumab und Ixekizu-
mab, die IL-17A/A-Homodimere und IL-17A/F-
Heterodimere neutralisieren, kommt bei Bimekizu-
mab zusätzlich die Neutralisierung von IL-17F/F-
Homodimeren hinzu. In der von Kenneth Gordon
präsentierten, randomisierten, plazebokontrollierten
Phase-III-Studie BE READY erreichte Bimekizumab in
Woche 16 eine PASI75-Ansprechrate von 95,4 Pro-
zent, eine PASI90-Ansprechrate von 90,8 Prozent und
eine PASI100-Ansprechrate von 68,2 Prozent. In der
Woche 56 betrug das PASI90-Ansprechen mit beiden
Dosierungsschemata um 90 Prozent (86,8% mit
320 mg Bimekizumab einmal pro Monat bzw. 91% mit
320 mg alle 2 Monate). In der Studie BE VIVID wurde
Bimekizumab nicht nur mit Plazebo, sondern über-
dies mit Ustekinumab verglichen. Kristian Reich be-
richtete am AAD-Kongress, dass das PASI90-Anspre-
chen mit Bimekizumab (320 mg alle 4 Wochen) in der
Woche 16 85 Prozent und mit Ustekinumab 49,7 Pro-
zent betrug. Die PASI90-Ansprechraten nach 1 Jahr
betrugen 81,6 Prozent (Bimekizumab) bzw. 55,8 Pro-
zent (Ustekinumab).
s
Alfred Lienhard Quelle: 4. Post AAD Highlight Meeting 2020, online am 25. Juni 2020.
Es kommt noch mehr
Anders als Secukinumab und Ixekizumab, die das IL-17A-Molekül inhibieren, blockiert Brodalumab den IL-17-Rezeptor. In einer Phase-II-Studie, an der auch Patienten mit Depressionen und Suizidgedanken in der Anamnese teilnehmen konnten, war es zu Suiziden gekommen. Deshalb sind die Real-WorldDaten wichtig, über die Chika Ohata am AAD-Kongress berichtete. In Japan, wo das Biologikum schon am längsten zugelassen ist, gaben 27 Prozent der Patienten mit Plaque-Psoriasis im Rahmen eines Registers (über 5000 Patienten, insgesamt 8000 Patientenjahre) Angstsymptome und 22 Prozent Depressionen an. Unter Brodalumab kam es zu einer sehr guten, signifikanten Reduktion von Angst und Depression. In der randomisierten Phase-III-Studie AMAGINE-1 senkte Brodalumab den absoluten PASI-Wert von anfänglich durchschnittlich 20 bis zur Woche 12 auf 2,75, also unter PASI 3, wie April W. Armstrong am AAD-Kongress darlegte. Schon bald werde Brodalumab in der Schweiz verfügbar sein, so Maul. Am AAD-Kongress wurde zudem über Bimekizumab berichtet, einen weiteren IL-17-Inhibitor, der sich zurzeit in Entwicklung befindet. Der Hintergrund für dessen Entwicklung war die Beobachtung, dass in der läsionalen Haut von Patienten mit Plaque-Psoriasis die Interleukine IL-17A und IL-17F überexprimiert
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