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BERICHTE ZUM SCHWERPUNKT
Systemische Therapie bei höhergradiger Psoriasis
Welches Biologikum verringert Plaques am besten?
Zwei aktuelle Metaanalysen haben untersucht, welche der neuen systemischen Therapien am effektivsten bei mittelschwerer und schwerer Plaque-Psoriasis helfen. In beiden Studien schnitten die Interleukin-(IL-)17-Hemmer Brodalumab und Ixekizumab sowie die gegen IL-23 gerichteten Substanzen Guselkumab und Risankizumab am besten ab.
«Das Bessere ist der Feind des Guten» – das gilt auch für die modernen systemischen Therapieoptionen bei Schuppenflechte. Vor mehr als zehn Jahren galten die TNF-α-Blocker, z. B. Adalimumab, die ersten Immunologika in der Psoriasis-Therapie, als enormer Durchbruch, zumal bis dato bei den schweren Ausprägungen nur wenige Möglichkeiten einer systemischen Therapie bestanden.
Vielzahl von Immunologika für die Psoriasis-Behandlung
Doch die Entwicklung schreitet voran, und mittlerweile ist eine Vielzahl von Immunologika für diese Indikation auf den Markt gekommen. Meist handelt es sich dabei um monoklonale Antikörper, die spezifisch proinflammatorische Zytokine hemmen. Hier stehen vor allem Inhibitoren der Interleukine IL-17 und IL-23 im Mittelpunkt. Der Nutzen dieser Hemmstoffe ist mittlerweile sowohl durch die Zulassungsstudien als auch durch den klinischen Alltag belegt. Doch gibt es grosse Unterschiede, wie gut die Patienten auf diese verschiedenen Immunologika ansprechen. Anders ausgedrückt: Welches der neuen Biologika ist das beste? Da es kaum randomisierte Kopf-an-Kopf-Vergleiche gibt, versuchen die Forscher, mittels Metaanalysen mehr Licht ins Dickicht der neuen Antipsoriatika zu bringen.
Erfolgskriterium PASI90
Hauptparameter bei diesem Vergleich der Studien ist der Rückgang der Psoriasis-Plaques im Vergleich zum Ausgangswert, gemessen am PASI (Psoriasis Area Severity Index). So bedeutet beispielsweise ein PASI90, dass sich das Hautbild um 90 Prozent gebessert hat, verglichen mit dem Ausgangswert. In einer der jüngsten Metaanalysen zur Effektivität der Kurz- und Langzeittherapie mit Immunologika bei mittlerer und schwerer Psoriasis wurden unter der Leitung von Prof. April Armstrong (Keck School of
Medicine, University of South California, Los Angeles) 60 Studien ausgewertet (1). Die Kurzzeitstudien dauerten zwischen 10 und 16 Wochen, bei den Langzeitbeobachtungen wurden Zeiträume von 44 bis 60 Wochen und als Hauptparameter die Werte von PASI75, PASI90 und PASI100 verglichen. Für den mittleren Wert PASI90 in den Kurzzeitstudien ergaben sich die höchsten Raten für ▲ Risankizumab (71,6%; 95%-Konfidenzintervall [KI]:
67,5%–75,4%) ▲ Brodalumab (70,8%; 95%-KI: 66,8%–74,6%) ▲ Ixekizumab (70,6%; 95%-KI: 66,8%–74,6%) ▲ Guselkumab (67,3%; 62,5%–71,9%). In den Langzeitstudien wurden die höchsten
PASI90-Raten beobachtet bei ▲ Risankizumab (79,4%; 95%-KI: 75,5%–82,9%) ▲ Guselkumab (76,5%; 95%-KI: 72,1%–80,5%) ▲ Brodalumab (74,0%; 95%-KI: 69,3%–78,1%) ▲ Ixekizumab (73,9%; 95%-KI: 69,9%–77,5%). Die Ergebnisse waren auch für PASI75 und PASI100 konsistent.
Living Systematic Review
Zu ähnlichen Ergebnissen kommt die aktuelle Cochrane-Analyse, die kurz vor der Metaanalyse von Armstrong et al. veröffentlicht wurde (2). Damit sich Dermatologen bei den unterschiedlichen Immunologika, die für die Behandlung der schweren Psoriasis zur Verfügung stehen, zurechtfinden, hat bereits 2017 die internationale Cochrane Collaboration ein «living systematic review» ins Leben gerufen, bei dem kontinuierlich die entsprechenden Studien begutachtet werden. In der aktuellen Auswertung wurden Studien ausgewertet, die bis zum Januar 2019 vorlagen.
140 Studien, über 50 000 Patienten
In diese Metaanalyse, die unter der Federführung französischer Dermatologen erarbeitet worden war, wurden 140 Studien eingeschlossen. Fast alle der
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51 749 Studienteilnehmer hatten eine mittelschwere bis schwere Psoriasis – durchschnittlich wiesen die Patienten einen Ausgangs-PASI von 20 auf, das heisst, dass 20 Prozent der Körperoberfläche betroffen waren. Anders als bei der Armstrong-Studie unterschieden die Forscher des Cochrane-Reviews nicht zwischen Kurz- und Langzeitstudien, sondern schlossen nur Studien ein, deren Laufzeit im Mittel weniger als 25 Wochen betrug. Dafür ordneten sie die untersuchten Substanzen nach ihrer Wirkweise. Fast 60 Prozent der Studien waren plazebokontrolliert, und nur etwa ein Drittel waren direkte Head-to-Head-Vergleichsstudien, wie die Autoren bedauern. Insgesamt wurden 19 Substanzen untersucht. Wie bei der Armstrong-Analyse wurde eine Substanz dann als wirksam eingestuft, wenn sich damit zu einem hohen Prozentsatz mindestens ein PASI90 (≥ 90% Besserung des Hautbildes) bei den Patienten erreichen liess.
Anti-IL-17 und Anti-IL-23 wirksam
Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass ▲ der TNF-α-Blocker Infliximab, ▲ alle derzeit verfügbaren, gegen IL-17 gerichteten
Antikörper (Ixekizumab, Secukinumab, Bimekizumab und Brodalumab) sowie ▲ die gegen IL-23 gerichteten Substanzen Risankizumab und Guselkumab im Hinblick auf die klinische Wirksamkeit den ▲ TNF-α-Blockern Adalimumab, Certolizumab und Etanercept sowie ▲ dem Small Molecule Apremilast und den ▲ konventionellen Immunsuppressiva Ciclosporin und Methotrexat bei den schweren Ausprägungen der Schuppenflechte überlegen sind. Des Weiteren erreichten Patienten mit Anti-IL-23 (Risankizumab und Guselkumab, aber nicht Tildrakizumab) signifikant effektiver den PASI90, als das mit Ustekinumab und den drei Anti-TNF-α-Blockern Adalimumab, Certolizumab und Etanercept der Fall war. Adalimumab und Ustekinumab waren wiederum im Vergleich zu Certolizumab und Etanercept stärker wirksam.
Im Einzelnen wiesen die Biologika im Vergleich zu Plazebo ein statistisch ähnliches Nebenwirkungsrisiko auf (Risikoverhältnisse Risk Ratio [RR], 95%-Konfidenzintervall KI): ▲ Infliximab (RR: 29,52; KI: 19,94–43,70) ▲ Ixekizumab (RR: 28,12; KI: 23,17–34,12) ▲ Risankizumab (RR: 27,67; KI: 22,86–33,49) ▲ Bimekizumab (RR: 58,64; KI: 3,72–923,86) ▲ Guselkumab (RR: 25,84; KI: 20,90–31,95) ▲ Secukinumab (RR: 23,97; KI: 20,03–28,70) ▲ Brodalumab (RR: 21,96; KI: 18,17–26,53). Alle analysierten Immunologika hatten im Vergleich mit Plazebo ein ähnliches Risiko – wenn auch ein unterschiedliches Spektrum – für schwerwiegende unerwünschte Ereignisse.
Subgruppenanalysen und Langzeitstudien erforderlich
Doch schliesslich drehte sich die Fragestellung der
Metaanalysen nur um die Effektivität der Entzün-
dungshemmer. Nebenwirkungen und der Effekt auf
Einzelsymptome wie den quälenden Juckreiz oder
die oft schmerzhaften Nagelbeteiligungen wurden
nicht eruiert. Ebenso wurde auch nicht auf die Wir-
kung auf Sonder- bzw. Begleiterkrankungen der
Schuppenflechte wie die Psoriasis-Arthritis einge-
gangen.
Für diese Fragestellungen sowie zur Beurteilung der
mittel- und langfristigen Wirksamkeit und Sicherheit
seien systematische Subgruppenanalysen erforder-
lich, so die Autoren dieses Cochrane-Reviews.
Zudem weisen sie in ihrem Fazit darauf hin, dass es
sich bei dieser Auswertung um ein kontinuierlich ak-
tualisiertes Verfahren handelt. Der aktuelle Status der
Analyse kann in der Cochrane Database of Syste-
matic Reviews eingesehen werden.
s
Angelika Ramm-Fischer
Referenzen: 1. ArmstrongAWet al.: Comparison of Biologics and OralTreatments for Plaque Psoriasis
a Metaanalysis, JAMA Dermatol 2020, E1-E12, doi:10.1001/jamadermatol.2019. 4029 2. Sbidian E et al.: Systemic pharmacological treatments for chronic plaque psoriasis: a network meta-analysis. Cochrane Database Syst Rev 2020; doi: 10.1002/14651858. CD011535.pub3. PMID: 31917873
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