Transkript
FORTBILDUNG
Medizinisch-ästhetische Eingriffe
Tranexamsäure zur Blutstillung
Unsere Tätigkeiten verursachen häufig unerwünschte Blutungen, ob bei Injektionen wie Botulinumtoxin, Hyaluronsäure-Applikationen, Mesotherapien oder lasermedizinischen Eingriffen. Dabei entstehen häufig hässliche Hämatome, die lange sichtbar bleiben und den eigentlichen Sinn der Behandlung zumindest für gewisse Zeit in Frage stellen. Zudem werden oft Stoffe, welche wir in der Haut platzieren wollen, durch den natürlichen Mechanismus des Körpers wieder nach aussen befördert. Ich habe versucht, eine Methode zu finden, wie dies in Zukunft verhindert oder zumindest verbessert werden kann.
MARKUS WÜST
Korrespondenzadresse:
Dr. med. Markus Wüst Vizepräsident der SGML FMH Allgemeine Innere Medizin Praxis Dr. Wüst AG Luzerner Strasse 11 6010 Kriens
Auf die Idee kam ich, als ich mit einem Vertreter ein neues Hyaluronpräparat ausprobieren wollte. Wie so oft bei Injektionen kam es bei einem Probanden zu einer länger anhaltenden Blutung, die wir versuchten, mit Kompression auf das frisch applizierte Hyaluron zu stoppen. Der Verkäufer des Präparates verlangte nach einem mit Vitamin K getränkten Tupfer, damit die Blutung schneller steht. Das brachte mich zum Nachdenken, denn eigentlich muss ja Vitamin K zunächst die Leber passieren, um die Bildung der entsprechenden Gerinnungsfaktoren (ll, Vll, lX, X) zu unterstützen, ehe es zu einem Stopp der Blutung kommen kann. Auf der Suche nach einer besseren Idee stiess ich auf Tranexamsäure (bspw. Cyklocapron®), welches es in Form von Brausetabletten gibt, die in Wasser auflösbar sind. Dieses Medikament wird seit Jahren in der Zahnheilkunde nach Extraktionen, aber auch in der ORL-Behandlung, beispielsweise bei Nasenbluten, als lokale Anwendung zur Blutstillung verwendet (1, 2). Tranexamsäure hemmt die Aktivierung von Plasminogen, d.h. die Umwandlung von Plasminogen in Plasmin. Damit wird die Auflösung von Fibrin verhindert, und Blutverluste, die auf einer generalisierten oder lokal erhöhten fibrinolytischen Aktivität beruhen, werden reduziert (3). Das Setup war relativ einfach: Ich untersuchte 30 Probandinnen und Probanden im Seitenvergleich, eine Gesichtshälfte mit und die andere ohne gerinnungssteigerndes Mittel. Selbstverständlich wurden die Kunden über das Vorgehen aufgeklärt. Eine Brausetablette Tranexamsäure wurde dabei in 5 ml Wasser mit NaCl 0,9% aufgelöst und danach ein schmaler Tupfer damit getränkt. Aufgrund der Einfachheit habe ich mich zunächst vor allem für Kunden entschieden, denen ich Botulinumtoxin gespritzt hatte. Eine Helferin stand neben mir und brachte den flüssigkeitsgefüllten, bzw. den trockenen Tupfer auf der Gegenseite nach Injektion auf die Einstichstelle, und mit einer Stoppuhr wurden die jeweiligen Blutungszeiten ermittelt. Im Resultat zeigte sich, dass sich die Blutungszeit um ca. 70 Prozent reduzieren liess – und dies, obwohl es
4 Therapieversager gab. Obendrein entstand auf den medikamentös behandelten Gesichtshälften nicht ein einziges Hämatom, versus 10 auf den Vergleichsseiten trotz Kompression. Zu erwähnen ist definitiv auch der Zeitverlust, der durch die Nachbehandlung zur Blutstillung resultiert. Einen Haken hat die Blutstillung jedoch: Sicherlich ist die Kollagen-Neogenese auch vom künstlich erzeugten Blutfluss abhängig, insbesondere bei den ersten vier Schritten wie der Translation, Hydroxylierung, Glykosylierung und der Trippelhelixbildung. In diesen Phasen findet vor allem die Versorgung des Gewebes mit Nährstoffen und Proteinen aus dem Blut statt, damit Fibroblasten ihre Arbeit verrichten können. Inwiefern also eine Blutstillung von aussen die Reparaturprozesse der Haut nach bspw. Fraxellaseroder Needling-Behandlungen beeinflusst, wäre ein interessantes Thema. Untersucht werden muss also insbesondere die Eindringtiefe der Tranexamsäure in Bezug auf die Einwirkdauer der Applikation.
Fazit
Die Anwendung von Tranexamsäure in der ästheti-
schen Medizin als blutstillendes Mittel drängt sich
auf, gerade weil hier so schnell wie möglich optisch
schöne Ergebnisse benötigt werden. Denkbar sind
nicht nur Vorteile bei Botulinum- und Hyaluroninjek-
tionen. Es wäre zum Beispiel vorstellbar, Gesichts-
masken mit Tranexamsäure zu tränken und diese
nach Laserbehandlungen oder Mesotherapien di-
rekt auf die Haut zu legen. Ich bin überzeugt, dass
wir in Anti-Aging-Behandlungen dadurch einen
Schritt nach vorne machen können. Um dabei aller-
dings die Kollagen-Neogenese nicht negativ zu be-
einflussen, müsste es, gerade bei Hautperforatio-
nen, die selbige beeinflussen sollen, zumindest
Untersuchungen geben, wie lange die Tranexam-
säure auf der Haut belassen werden darf.
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FORTBILDUNG
Literatur: 1. Zahed R et al.: A new and rapid method for epistaxis treatment using injectable
form of tranexamic acid topically: a randomized controlled trial. Am J Emerg Med 2013, 31(9): 1389–1392. 2. Roberts I et al.: The importance of early treatment with tranexamic acid in bleeding trauma patients: an exploratory analysis of the CRASH-2 randomised controlled trial. Lancet 2011; 377: 1096–1101. 3. compendium.ch
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