Transkript
FORTBILDUNG
Intelligentes Wundauflagensystem
Lichttherapie mit LED- und sensorikgestützten, textilen Wundauflagen
Heute werden Wunden auf Basis einer visuellen Begutachtung beurteilt, vermessen und anhand einer Farbskala bewertet. Diese Diagnosemethode ist subjektiv und inkonsistent. Im Projekt LEDSensTex wurden erstmalig Parametermessung und Therapiesteuerung in einem gemeinsamen System vereint. Das ermöglicht in Zukunft sowohl Ärzten als auch Patienten eine Überwachung des Wundverlaufs und eine Steuerung der Therapie.
TOBIAS BECK UND AKRAM IDRISSI
Die Therapie mit blauem Licht wird heutzutage bereits erfolgreich in verschiedenen Anwendungen eingesetzt, von der Frühgeborenengelbsucht über dermatologische Erkrankungen bis zur Schmerztherapie bei Muskelverspannungen. Dabei weist der Einsatz von blauem LED-Licht zusätzlich eine entzündungshemmende, antibakterielle und durchblutungsfördernde Wirkung auf. Diese Eigenschaften, integriert in ein Wundauflagensystem, sollen dabei helfen, chronische Wunden (langsam oder nicht heilende Wunden) effektiver zu behandeln. Chronische Wunden bedeuten für den Patienten eine starke Einschränkung der Lebensqualität, wobei die Schmerzen einen wesentlichen Faktor darstellen. Darüber hinaus sind auch die zum Teil erheblichen Einschränkungen in der Alltagsaktivität und in der Mobilität verantwortlich für die negativen Auswirkungen auf das seelische Wohlbefinden der Betroffenen. Die Notwendigkeit zahlreicher Therapeutenbesuche und regelmässiger Verbandswechsel führt zu weiteren sozialen Beeinträchtigungen. Zusätzlich tragen Engpässe in der Pflege, die vor allem in der häuslichen Umgebung und über informelle Pflegende (An-
Abbildung: Konzept LEDSensTex: Sensorbasierte intelligente Wundauflage mit integrierter Therapiesteuerung mittels LED-Licht in Abhängigkeit des Wundheilungsverlaufs
gehörige) erfolgt, zu einer zunehmenden Problematik in der Versorgung von chronischen Wunden bei. Um diesem Problem entgegenzuwirken, wurde am Institut für Textiltechnik (ITA) der RWTH Aachen University gemeinsam mit verschiedenen Forschungseinrichtungen sowie Industrie- und Klinikpartnern (Charité Universitätsklinikum Berlin, Heinrich-HeineUniversität Düsseldorf, Hahn-Schickard-Gesellschaft für angewandte Forschung e.V., Turck Duotec GmbH, Julius Zorn GmbH, W. Zimmermann GmbH & Co. KG, Lumileds Germany GmbH) im Rahmen eines vom BMBF geförderten Forschungsprojekts ein intelligentes Wundauflagensystem entwickelt. Bei dem Projekt LEDSensTex handelt es sich um eine LED- und sensorikgestützte Wundtherapie mit textiler Wundauflage. Zielgruppe des körpernahen, interaktiven Wundauflagensystems sind primär Patienten mit Ulcus cruris venosum im Bereich der Unterschenkel. Durch den mehrlagigen, textilen Aufbau des Systems wird eine besonders gute Drapierbarkeit auch an schwer erreichbaren Körperregionen wie z. B. den Knöcheln ermöglicht (Abbildung). Insgesamt besteht das Wundauflagensystem aus vier verschiedenen textilen Schichten. Die äussere Schicht sorgt für die benötigte/geforderte Kompression zwischen Wundauflage und chronischer Wunde. Ausserdem hält sie das System in Position. An die Kompressionsschicht schliesst sich die funktionale Schicht an. Diese besteht aus einem elastischen Gestrick, auf dem die elektronischen Komponenten im Stickverfahren gefügt und mittels leitfähigen Garns miteinander verbunden werden. Dieses Fügeverfahren ermöglicht den Erhalt der Flexibilität. Um das Licht der LED homogen über die Wundauflage zu verteilen, kommt ein Abstandstextil als Diffusionsschicht zwischen funktionaler Schicht und Trennschicht zum Einsatz. Diese Schicht wurde hinsichtlich gleichmässiger Lichtstreuung optimiert, sodass die gesamte Wunde mit der gleichen Intensität bestrahlt wird. Um ein Verrutschen der Schichten zueinander zu verhindern, werden sie miteinander vernäht.
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FORTBILDUNG
Das körpernahe, interaktive Wundauflagensystem ermöglicht die konstante Aufzeichnung des Wundheilungsverlaufs über eine integrierte Sensortechnik und eine direkte Therapiesteuerung mit LED-Licht. Der Zustand der Wunde kann somit ohne einen Wechsel der Wundauflage und anhand objektiver Kriterien (Daten der Wundsensorik) beurteilt werden. Unnötige, schmerzhafte Verbandswechsel entfallen. Die Innovation liegt dabei in der Vereinigung von Diagnostik und adaptiver Therapie in einem intelligenten Wundauflagensystem, welches über eine interaktive Schnittstelle mit dem Patienten verbunden ist. Durch diese Wundauflage wird Patienten mit chronischen Wunden eine neue Therapieoption erschlossen. Das System ermöglicht die Wundkontrolle ohne Entfernung der Wundauflage, was zu einer deutlichen Reduzierung der Wundauflagenwechsel führt und dem derzeitigen Stand der Technik durch eine visuelle Kontrolle weit überlegen ist. Durch Kombination von Therapie und Diagnostik gelingen so eine Verbesserung der Therapietreue und Lebensqualität sowie finanzielle Einsparungen durch Einschränkung des benötigten Pflegepersonals.
Das Projekt befindet sich zurzeit in der Abschlussphase. Die klinische Machbarkeitsstudie wird Ende des Jahres durchgeführt. Zurzeit werden die ersten Demonstratoren gefertigt. Diese sind mit einem externen Endgerät mit geeignetem User-Interface ausgestattet. Im Rahmen der Studien wird anhand von Bewertungsbögen die «Usability» durch Patienten bewertet. Das betrifft sowohl die Handhabung der Wundauflage als auch die Alltagstauglichkeit des Gesamtsystems. So soll nach Projektende der Grundstein für ein innovatives interaktives System zur Wundtherapie zur Verfügung stehen, das ein hoch relevantes gesundheitsökonomisches Problem adressiert. s
Korrespondenzadressen:
Tobias Beck, M. Sc. RWTH Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Akram Idrissi, M. Sc. Bereichsleiter Medical Textiles
ITA – Institut für Textiltechnik RWTH Aachen University Otto-Blumenthal-Strasse 1, D-52074 Aachen Tel.: +49 241 80 22102, Fax: +49 241 80 22422 Tobias.Beck@ita.rwth-aachen.de
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