Transkript
KONGRESSBERICHT
ALLERGO UPDATE
Kontaktallergien nicht verpassen
Tipps zur richtigen Durchführung des Epikutantests
Um Kontaktallergien auf die Spur zu kommen, braucht es eine gute Anamnese und einen richtig durchgeführten Epikutantest. Klippen sind bei der Wahl der Testsubstanzen, den Ablesezeitpunkten und der Interpretation zu umschiffen. Zudem können gewisse Medikationen des Patienten die Testresultate verfälschen. Prof. Vera Mahler, Paul-Ehrlich-Institut, Langen (D), Mitverfasserin der S3-Leitlinie zur Durchführung von Epikutantests, gab am Allergo Update 2020 in Berlin Tipps zur richtigen Handhabung.
Gemäss einer «Hitliste» aus 56 Zentren in Deutschland, Österreich und der Schweiz ist Nickelsulfat in Epikutantests das häufigste Kontaktallergen, vor allem bei Frauen zwischen 31 und 44 Jahren (21,9%, Männer 6,2%). Seit Inkrafttreten der Nickelrichtlinie im Jahr 1994, wonach der Nickelgehalt von Schmuck in der Europäischen Union auf einen oberen Grenzwert beschränkt wurde, ist jedoch ein kontinuierlicher Rückgang der Sensibilisierungen in allen Altersgruppen zu beobachten. Auch bei weiteren Kontaktallergenen gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede: Während Kobaltchlorid und Duftstoffmixturen vermehrt Frauen betreffen, sind Epoxidharze und Mercaptobenzothiazol, ein Gummialterungsschutz beispielsweise in Sicherheitsschuhen, häufiger bei Männern ein Problem. Regulatorische Änderungen haben auch bei Duftstoffen und Kosmetika zu rückläufigen Sensibilisierungsraten geführt (1).
Neuere häufige Kontaktallergene
Seit etwa 1960 sind Zuckertenside beziehungsweise Alkylglukoside als Allergene bekannt. Es handelt sich um milde nicht ionische, oberflächenaktive Tenside, die aus Zucker der Kartoffel-, Mais- und Getreidestärke und Fettalkoholen aus Kokosnuss-, Palm- und Rapsöl hergestellt werden. Sie sind in Shampoos und Reinigungsmitteln zu finden und werden auch als Emulsionsstabilisatoren beispielsweise in Sonnenschutzprodukten angewendet. Ihre Umweltverträglichkeit und biologische Abbaubarkeit machen sie für die Kosmetikindustrie attraktiv. Ab dem Jahr 2000
kurz & bündig
s Beim Epikutantest zu den Verdachtsubstanzen immer auch die Standardreihe testen. s Epikutantest nach 2, 3 und 7 bis 10 Tagen ablesen. s Systemische Kortikosteroide und Antihistaminika vorher absetzen.
seien Fallberichte von Kontaktallergien gegen verschiedene Alkylglukoside publiziert worden, wie Mahler berichtete. Acrylate, wie sie beispielsweise auch im Klebstoff des Sensors bei der kontinuierlichen Blutzuckermessung (z. B. Free Style Libre®) mit einer längeren Kontaktdauer von 14 Tagen angewendet werden, können ebenfalls zu Kontaktallergien führen (3,8%) (2, 3). Das gleiche Acrylat (Isobornylacrylat) sei auch in Zahnlack zu finden, so Mahler. Abhilfe bei Kontaktallergien gegen den Klebstoff im Blutzuckermesssensor können beispielsweise Hydrokolloidhautpflaster schaffen, auf die die Sensoren statt direkt auf die Haut geklebt werden. Die Messnadel durchsticht das Pflaster und ermöglicht die Blutzuckermessung trotzdem (4). Ebenfalls ein Phänomen der neueren Zeit sind Kontaktallergien auf Tattoofarben. Dabei provoziert vor allem die rote Farbe (Pigment Red 22, 201, 170) die häufigsten Reaktionen (37%). Die mineralischen Pigmente, wie sie früher verwendet wurden, sind weitgehend durch Quinakridone und Azopigmente ersetzt worden, deren Zerfallsprodukte karzinogene Amine enthalten. UV-Licht kann den Zerfall beschleunigen oder die Farbe verändern. Problematisch seien die fehlenden oder falschen Deklarationen auf den Tattoofarben, berichtete Mahler.
Epikutantest richtig durchgeführt
Gemäss der S3-Leitlinie (5, 6) wird ein Epikutantest bei Verdacht auf ein allergisches Kontaktekzem oder auf eine allergische Kontaktreaktion der Übergangsschleimhaut oder Mundschleimhaut, wie zum Beispiel Schleimhautveränderungen durch zahnprothetische Materialien, empfohlen. Ebenfalls empfohlen ist er bei einem Verdacht auf eine verzögerte Immunreaktion gegen Bestandteile von Implantatmaterialien mit lokaler entzündlicher Reaktion auf das Implantat. Die Auswahl der zu testenden Allergene soll von der Anamnese geleitet sein, unabhängig davon
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Tabelle:
Ablesekriterien von Epikutantestreaktionen
Klinisch-morphologische Beschreibung unveränderte Haut nur Erythem wenige follikuläre Papeln Erythem, Infiltration, evtl. diskrete Papeln Erythem, Infiltration, Papeln, Vesikel Erythem, Infiltration, konfluierende Vesikel z. B. Seifeneffekt, scharfrandige Blase
Interpretation negativ unklar (allergisch oder irritativ) unklar (allergisch oder irritativ) schwach positiv (in der Regel allergisch) stark positiv (allergisch) extrem positiv (allergisch) irritativ
Quelle: modifiziert nach (5, 6)
soll aber auch immer die Standardreihe getestet werden. Ergibt beispielsweise ein Mix (z. B. Duftmix 1 & 2) ein positives Resultat, wird eine nachfolgende Aufschlüsselung der darin enthaltenen Kontaktallergene empfohlen. Weil die Testreaktivität an verschiedenen Körperstellen unterschiedlich stark ausfallen kann – wie das bei Nickelsensibilisierungen zu beobachten war –, wird aus praktischen Gründen der Rücken für die Applikation der Epikutantestallergene empfohlen, Oberarme oder Oberschenkel eignen sich als Alternative. Die Epikutantestpflaster werden nach 48 Stunden entfernt. Die erste Ablesung erfolgt bei Entfernung der Testpflaster, die zweite nach 72 Stunden und die dritte nach 7 bis 10 Tagen. Erfolgt später als nach 3 Tagen keine Ablesung mehr, können bis zu 15 Prozent der positiven Reaktionen verpasst werden. Das betrifft vor allem Allergene mit einem hohen Anteil an Spätreaktionen, wie Kortikosteroide, Neomycin, Formaldehyd, Formaldehydabspalter und Formaldehydharze, p-Phenylendiamin und (Dental-)Metalle.
Fallstricke bei der Ablesung
Nicht jeder rote Fleck sei eine allergische Reaktion, so Mahler. Ein einfaches Erythem ohne Infiltrat kann auch irritativer Natur sein (Tabelle). Die Testreaktion kann jedoch bei gewissen Medikationen verfälscht sein. Glukokortikoide beispielsweise können die
S3-Leitline zur Durchführung des Epikutantests
rosenfluh.ch/qr/epikutantest
Testreaktion supprimieren. Deshalb sollen Kortiko-
steroidtherapien mit > 20 mg/Tag Prednisonäquiva-
lent wenn möglich eine Woche vor dem Epikutantest
abgesetzt werden. Tiefere Dosierungen scheinen
laut Mahler keinen Einfluss auf die Reaktion zu ha-
ben. Topische Kortikosteroidherapien im Testareal
sollen vor Testbeginn abgesetzt werden.
Antihistaminika der zweiten, nicht sedierenden Ge-
neration supprimieren die Reaktion selten vollstän-
dig, schwächen diese aber ab, sodass ein falsch ne-
gatives Resultat entsteht. Deshalb sollten
Antihistaminika 5 Halbwertszeiten vor der Testung
gestoppt werden.
Bei Immunsuppressiva wie Azathioprin kann der Epi-
kutantest trotz einer Einnahme durchgeführt werden,
Ciclosporin dagegen sollte vor der Testung wenn
möglich abgesetzt werden. Bei entzündungsgshem-
menden Substanzen wie Dupilumab und Ibuprofen
gibt es keine belastbaren Hinweise für eine Verfäl-
schung der Resultate. Zu weiteren nicht steroidalen
Antiphlogistika liegen keine Daten vor.
s
Valérie Herzog
Quelle: «Kontaktallergien», Allergo Update 2020, 6. bis 7. März in Berlin.
Referenzen: 1. Geier J et al.: Die häufigsten Kontaktallergene der Jahre 2015–2017: Daten des
Informationsverbundes Dermatologischer Kliniken. Dermatologie Beruf Umwelt 2019; 67: 3–11. 2. Kreft B et al.: Aktuelle Kontaktallergene. Allergologie 2019; 42: 91–99. 3. Pyl J et al.: Prevalence and prevention of contact dermatitis caused by FreeStyle Libre: a monocentric experience. Diabetes Care 2020; 43: 918–920. 4. Kamann S et al.: Usage of hydrocolloid-based plasters in patients who have developed allergic contact dermatitis to isobornyl acrylate while using continuous glucose monitoring systems. J Diabetes Sci Technol 2019 Sep 20; Epub ahead of print. 5. Mahler V et al.: S3-Leitlinie: Durchführung des Epikutantests mit Kontaktallergenen und Arzneimitteln – Kurzfassung Teil 1. J Dtsch Dermatol Ges 2019; 17: 1075–1093. 6. Mahler V et al.: S3-Leitlinie: Durchführung des Epikutantests mit Kontaktallergenen und Arzneimitteln – Kurzfassung Teil 2. J Dtsch Dermatol Ges 2019; 17: 1187–1207.
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