Transkript
KONGRESSBERICHT
ALLERGO UPDATE
Heuschnupfen und Katzenallergien
Prävention mit Hund und Katz
Alljährlich leiden Pollenallergiker aufs Neue unter dem Pollenflug. Mit der Klimaerwärmung zieht sich die Pollensaison noch zusätzlich in die Länge. Welche Bäume für Allergiker aber problemlos sind, erläuterte Prof. Karl-Christian Bergmann, Allergiezentrum der Charité, Berlin, am Allergo Update 2020 in Berlin. Auch bei Katzenallergikern gibt es andere Denkansätze: Nicht die Patienten, sondern die Katzen sollen behandelt werden.
Empfohlene Pflanzen für Pollenallergiker
http://www.pollenstiftung.de/uploads/ media/Artikel_Allergo_Journal_2_2012. pdf
Was im Frühjahr Pfützen und Autos gelb überzieht, mag für Allergiker ein erschreckender Anblick sein. Dabei handelt es sich um Pollen der Kiefer, die wegen ihrer umhüllenden Wachsschicht jedoch nicht allergen sind. Nur eine relativ kleine Anzahl von Pollen verursacht mit Heuschnupfen die weltweit häufigste Allergie. In Europa sind es etwa 6 bis 8 Pollentypen, die zu Heuschnupfen, allergischem Asthma oder zu einem oralen Allergiesyndrom führen. Welche Pollen sich gerade in welcher Menge in der Luft befinden, wird mit der sogenannten Burkard-Pollenfalle durch kontinuierliche volumetrische Messung ermittelt. Die Resultate fliessen in den Pollenflugkalender ein. Diese Technologie wird europaweit angewendet.
Nicht nur auf dem Land
In Städten leiden Heuschnupfenpatienten deutlich stärker unter der gleichen Pollenmenge wie auf dem Land. Oft sind in Städten Bäume gepflanzt, die mitunter ein grosses allergenes Potenzial haben. Eine Untersuchung aus 23 Parkanlagen aus dem Mittelmeerraum ermittelte die Baumarten und deren Bedeutung für die Auslösung von Allergien. Spitzenreiter waren dabei Olivenbäume, Zypressen, Fagaceae (Buchengewächse wie Edelkastanien, Buchen, Eichen) und Platanen. Die Allergenität der Bäume, ihre Anzahl, Dichte und potenzielle Höhe ergeben dabei einen Risikoindex für Grünanlagen, der jeweils sehr unterschiedlich ausfallen kann (1). Deshalb wäre es wünschenswert, wenn bei der Planung der Bepflanzung städtischer Parks nicht nur Eigenschaften wie beispielsweise Wasserbedarf, Hitze- und Frostbeständigkeit berücksichtigt würden, sondern auch deren Allergiepotenzial, monierte der Experte. Welche Bäume bedenkenlos neu angepflanzt werden können und welche nicht mehr, zeigt eine Liste aus Deutschland (siehe Link). Birken und Hasel, aber auch Eschen, Platanen, Eichen und Weiden sollten nach Möglichkeit nicht mehr angepflanzt werden. Ahornbäume, Linden, Kirschbäume und viele andere wären dagegen aus allergologischer Sicht bedenkenlos (2). Auch der ursprünglich aus China stammende Götterbaum (Ailanthus altissima) hat allergenes Potenzial und wurde zudem auf die schwarze Liste invasiver
Neophyten aufgenommen, womit Vorkommen und Ausbreitung zu verhindern sind (Abbildung 1).
Nicht alle Katzen sind gleich allergen
Aber nicht nur Pollen können Allergikern zu schaffen machen. Katzenallergene werden überwiegend im Speichel und in den Talgdrüsen produziert und durch Lecken auf Haare und Epithel verteilt. Die geringe Grösse der Allergenpartikel führt zur ständigen Abgabe in die Luft und zum dortigen Verbleiben. Dank ihrer Struktur haften sie gut an Textilien und werden mit der Kleidung auch an sonst katzenfreie Orte verbreitet (Abbildung 2). Aus Häusern können die Partikel nur noch schwer entfernt werden. Doch nicht alle Katzen sind für Allergiker gleichermassen problematisch. In einer Untersuchung mit 64 Katzen zeigte sich, dass die Bildung des Katzenallergens Fel d1 zwischen den Katzen variiert, ausserdem Tagesschwankungen unterliegt und auch mit steigendem Alter der Katze sinkt (3). Erkenntnisse wie diese müssten dazu führen, den Patienten mehr zu glauben, wenn sie sagten: «Bei meiner Katze habe ich weniger Beschwerden», empfiehlt Bergmann.
Katzen immunisieren statt Menschen?
Rund 10 Prozent der europäischen Bevölkerung sind gegen das Majorallergen Fel d1 sensibilisiert, das die Katzenallergie auslöst (4). Im Normalfall meiden die Allergiker Katzen oder behandeln Symptome. In einer Studie immunisierten Forscher Katzen, damit diese kein Fel d1 mehr produzierten. Die Vakzine bestand aus rekombinantem Fel d1 und einem virusähnlichen Partikel. Die Impfung führt zu einer Aktivierung des Immunsystems der Katze und der Sekretion von Antikörpern des Typs Anti-Fel-d1-IgG, was eine Schwächung der Allergenität von Fel d1 zur Folge hat. Der Impfstoff war für die Katzen gut verträglich, und alle Katzen bildeten eine starke und anhaltende IgG-Antikörper-Antwort. Eine Verringerung der Allergenkonzentration und eine reduzierte Allergenität in der Tränenflüssigkeit der Katzen konnten gemessen werden (5). Eine Immunisierung der Katzen mit Fel-CuMVTT, wie die Impfung heisst, induziert somit neutralisierende Antikörper in der Katze und kann möglicherweise zu geringeren Symptomen beim all-
18 SZD 3/2020
KONGRESSBERICHT
ALLERGO UPDATE
ergischen Katzenbesitzer führen. Die Katze könnte somit bleiben. «Das klingt nach einer Win-win-Situation, doch ist die klinische Wirkung bei Katzenallergikern noch nicht belegt», gab Bergmann zu bedenken. Eine weitere Untersuchung testete das Verfüttern von Fel-d1-Antikörpern mit dem Ziel, dass die Katzen weniger allergisierend wirken. Antikörperproduzenten sind Hühner. Diese entwickeln, wenn sie mit Katzen Kontakt haben, Immunglobulin Y, das dem IgG von Säugetieren entspricht. Das IgY wird im Eigelb konzentriert. Diese blockierenden Anti-Fel-d1 könnten in grossen Mengen aus Hühnereiern gewonnen und dem Katzenfutter beigemischt werden. In einer Studie wurde dieser Ansatz untersucht. Die Katzen erhielten während der Studie entweder normale Kost oder aber Futter, dem man Antikörper beigemengt hatte. Während der ganzen Studie wurden den Katzen einmal vor dem Fressen sowie 1, 3 und 5 Stunden danach Speichelproben entnommen. Es zeigte sich, dass die Fel-d1-Konzentration im Speichel von Katzen mit dem antikörperversetzten Futter im Vergleich zu normalem Futter nach drei Wochen signifikant gesunken war (6). Eine zweite Untersuchung mit einer sequenziellen Verabreichung von normalem und supplementiertem Futter zeigte nur mit dem hühnereiversetzen Futter eine reduzierte Fel-d1-Konzentration. Ob dieses «Nahrungsergänzungsmittel» für Katzen von ihren Haltern je genutzt werden kann, erscheint fraglich. Eine sichere Variante wäre, gleichzeitig Katzen und Hühner zu halten. Das Schlimmste aber, was einem Katzenhalter passieren kann, ist, wenn er seine Katze aus Allergiegründen weggeben muss. Deshalb empfiehlt Bergmann Katzenhaltern, die zwar im Hauttest antikörperpositiv sind, aber keine erkennbaren Beschwerden haben, die Katze nicht aus dem Haushalt zu verbannen. Mit der Antikörperbildung fand zwar eine nachweisbare Sensibilisierung statt, sie bleibt jedoch klinisch stumm. Treten allerdings ganzjährig eine Rhinokonjunktivitis und/oder Asthmasymptome auf, soll die Möglichkeit einer sublingualen Immuntherapie diskutiert werden, bevor die Katze aus dem Haus muss.
Mit Hund und Katz gegen Heuschnupfen
Haustiere können aber auch einen allergiepräventiven Nutzen haben, wenn sie schon zu Kinderzeiten vorhanden sind, wie Studien belegen konnten. Leben während des 1. Lebensjahrs eines Kindes Katzen oder Hunde im gleichen Haushalt, ist die Wahrscheinlichkeit für eine spätere Allergieentwicklung im Alter von 7 bis 8 Jahren um bis zu 49 Prozent kleiner als in Kinderhaushalten ohne Katze oder Hund, wie eine skandinavische Studie mit 1029 Kindern zeigte. Je mehr Tiere sich im Haushalt aufhielten, desto grösser war der Effekt, auch gegen Pollensensibilisierungen (7). Eine weitere Studie mit 1231 Kindern mit häuslichem Hunde- oder Katzenkontakt während
Abbildung 1: Der aus China stammende Göttterbaum (Ailanthus altissima) ist wegen seines allergenen Potenzials problematisch.
Abbildung 2: So gelangen Katzenallergene auf die Kleidung ihrer Besitzer und werden mit dieser auch an katzenfreie Orte verfrachtet.
und nach dem 1. Lebensjahr zeigte nach Erreichen
des 13. Lebensjahrs unterschiedliche Effekte. Hunde-
wie Katzenhaltung reduzierte das Risiko einer Sensi-
bilisierung auf Hunde- oder Katzenallergene sowie
auf Birkenpollen und ein weiteres Heuschnupfen-
allergen. Wurde die Katze während oder nach dem
1. Lebensjahr angeschafft, zeigte sich trotzdem noch
ein reduzierender Effekt auf das Katzenallergie- und
Heuschnupfenrisiko, bei Hunden nach dem 1. Le-
bensjahr war das nicht der Fall (8).
Das Halten einer Katze während oder nach dem 1.
Lebensjahr des Kindes kann eine Strategie sein, um
einer Katzen- und Hundeallergie beziehungsweise
einem Heuschnupfen im späteren Leben vorzubeu-
gen. Ein Hund, wenn er während des 1. Lebensjahrs
des Kindes im gleichen Haushalt lebe, verringere
das Risiko einer Sensibilisierung gegen Hunde und
Katzen, nicht aber gegen Heuschnupfen, so Berg-
mann.
s
Valérie Herzog
Quelle: «Allergene in Aussenluft und Innenräumen», Allergo Update 2020, 6. bis 7. März in Berlin.
SZD 3/2020
Foto: AZA
Foto: WikimediaImages
19
KONGRESSBERICHT
Referenzen 1. Carinanos P et al.: Estimation of the allergenic potential of urban trees and urban
parks: towards the healthy design of urban green spaces of the future. Int J Environ Res Public Health 2019; 16: 1357. 2. Bergmann K et al.: Klimawandel und Pollenallergie: Städte und Kommunen sollten bei der Bepflanzung des öffentlichen Raums Rücksicht auf Pollenallergiker nehmen. Allergo Journal 2012, Heft 21: 103–108. 3. Bastien BC et al.: Influence of time and phenotype on salivary Fel d1 in domestic shorthair cats. J Feline Med Surg 2019; 21: 867–874. 4. Grönlund H et al.: The major cat allergen, Fel d 1, in diagnosis and therapy. Int Arch Allergy Immunol 2010; 151: 265–274. 5. Thoms F et al.: Immunization of cats to induce neutralizing antibodies against Fel d 1, the major feline allergen in human subjects. J Allergy Clin Immunol 2019; 144: 193–203. 6. Satyaraj E et al.: Anti-Fel d1 immunoglobulin Y antibody-containing egg ingredient lowers allergen levels in cat saliva. J Feline Med Surg 2019; 21: 875–881. 7. Hesselmar B et al.: Pet-keeping in early life reduces the risk of allergy in a dose-dependent fashion. PLoS One 2018; 2019; 13: e0208472. 8. Al-Tamprouri C et al.: Cat and dog ownership during/after the first year of life and risk for sensitization and reported allergy symptoms at age 13. Immun Inflamm Dis 2019; 7: 250–257.
ALLERGO UPDATE
20 SZD 3/2020