Transkript
FORTBILDUNG
Lasertherapie aktuell
Behandlung von Kondylomen mit ablativen Lasern
Kondylome sind die mit Abstand häufigste sexuell übertragbare Erkrankung, sie sind viralen Ursprungs. Genauer handelt es sich um verschiedene Stämme des humanen Papillomavirus (HPV, Durchseuchung in der sexuell aktiven Bevölkerung ca. 90%), die diese Warzen verursachen.
CHRISTIAN GINGERT
Christian Gingert
20
Einige Stämme sind potenziell kanzerogen, so ist das bei den Frauen gefürchtete Zervixkarzinom häufig HPV-assoziiert. Seit Jahren wird deshalb für Mädchen und in jüngerer Zeit auch für Jungen eine Impfung empfohlen, idealerweise vor dem ersten Geschlechtsverkehr. In der Schweiz wird die Impfung kantonal bis zum 27. Lebensjahr für beide Geschlechter finanziert. Seit 2019 ist der Impfstoff für 9 HPVStämme auf dem Markt erhältlich (Handelsname Gardasil®9). Genauere Infos erhalten Sie bei der für Sie zuständigen Gesundheitsdirektion. Das normale Kondylomleiden (Feigwarzen, low risk) sollte nach 12 Monaten bei Immunkompetenten ausgestanden sein. Die potenziell kanzerogenen HPVStämme (high risk) können sich jedoch in das Genom der Basalzellen einbauen und somit auch Jahrzehnte
Abbildung 1: Weiblicher Anus mit Kondylombefall, die Vagina wurde bereits mit einem Co2 Laser behandelt
später Präkanzerosen entwickeln, die schliesslich auch in ein Karzinom übergehen können. Diese besonders virulenten Stämme verursachen keine Kondylome, die Haut sieht im Normalfall komplett unauffällig aus. Therapeutisch steht also neben einer genauen Diagnostik (welcher HPV-Stamm, Ausbreitung des Befalls und Grösse der einzelnen Kondylome) und Aufklärung der Betroffenen die Wahl der geeigneten Behandlung an erster Stelle. HP-Viren sind extrem kontagiös und werden durch Wäsche, Rasur und Manipulation selbst am eigenen Körper verteilt.
Diagnostik
Kondylome sollten aus eigener Erfahrung zumindest probeweise zur histologischen Untersuchung und Typisierung eingesendet werden. Immer wieder finden sich zwischen normalen Warzen, die von weniger virulenten Stämmen hervorgerufen werden, auch High-risk-Typen, die einer besonderen, eher engmaschigeren Nachsorge bedürfen – das vor allem bei Risikogruppen (HIV-Positive, Transplantierte und sonstige Immunsupprimierte). An erster Stelle stehen wie immer die Anamnese und die Inspektion: Das genügt im Normalfall bereits zur Diagnosestellung. Eventuell müssen mehrere Fachdisziplinen zurate gezogen werden – das vor allem beim perinealen Befall, der häufig intraanale Befunde und/oder zusätzlich bei Frauen vaginale, urethrale und zervikale Befunde aufweist (Abbildung 1). Bei penilem Befall sollte zusätzlich auch die Harnröhre urologisch untersucht werden. In eigener Praxis wird allen Betroffenen ein STDScreening angeboten (Hepatitis C, HIV-Test, Abstriche zum Ausschluss von Infektionen mit Chlamydien und Gonokokken sowie Serumabnahme zum Ausschluss der Syphilis). High-risk-Typen bauen sich in das Genom der Basalzellen der Dermis ein und entwickeln keine Warzen
SZD 2/2020
FORTBILDUNG
an sich. Die betroffenen Areale werden mit der Essigprobe, einer 5-prozentigen Essiglösung, zur Detektion eines intraepithelialen Befundes respektive mit einer 2-prozentigen Essiglösung bei Schleimhäuten betupft (Abbildung 2). Betroffene Areale zeigen eine typische helle, weissliche Fiederung. Zusätzlich kann dann noch die Lugol’sche Lösung aufgetragen werden, die zu einer typischen gelben Färbung der HPV-infizierten Areale führt.
Therapie
Konservativ Kleine Warzen bis 3 mm Durchmesser können primär konservativ über 12 bis 16 Wochen mit Imiquimodcreme (Handelsname Aldara®) 3 x/Woche behandelt werden. Einige Apotheken bieten auch Imiquimodtampons für die intraanale oder vaginale Behandlung an. Wichtig ist, dass die Betroffenen über die lokale Reizung aufgeklärt werden. Imiquimod ist ein Immunbooster, es muss also eine lokale Reaktion erfolgen. Bleibt diese aus, kann von einem Therapieversagen ausgegangen werden. Andere lokale Substanzen sind z. B. Grünteesubstrate, die sogenannte Polyphenone enthalten (Handelsname Veregen®). Diese sind relativ aggressiv in der lokalen Wirkung und lassen die Warzen verkrustend abbauen. Gute Ergebnisse hat auch Podophyllotoxin aus der Wurzel des Fussblatts. Meines Wissens nach ist die Anwendung in der Schweizer Community (noch) nicht sehr weit verbreitet.
Wahl des «richtigen» Therapeutikums
Zur Wahl des richtigen Therapeutikums kann keine abschliessende Meinung gefunden werden. Die bisher durchgeführten Studien sind Fallstudien, die Histologie war nicht immer gegeben, die Grössen, die Ausbreitung waren nicht gematcht usw.
Barten et al. haben jedoch im Oktober 2019 ein systematisches Review mit Metaanalyse im BMJ veröffentlicht (1). Leider konnte durch die unterschiedliche und teilweise schlechte Qualität der Studien keine hohe Evidenz erzielt werden. Dennoch zeigte sich, dass Podophyllotoxin 0,5% die effektivste topische Substanz zur Behandlung von Kondylomen war.
Bei der Network-Metaanlayse konnte der CO2-Laser als der effektivste Therapieansatz identifiziert werden, das in Hinblick auf komplette Regression bei Behandlungsabschluss. Die gesamthafte Rezidivrate und die Zeit bis zum Wiederauftreten liessen sich leider nicht eruieren. Bleiben für uns Behandelnde also die Hinweise aus der Literatur und schliesslich die eigene Erfahrung.
Semikonservativ Lokale Verödungen mit Eissprays sind sehr beliebt, da es hier nicht zu einer Verteilung möglicher Virenbestandteile durch Verdampfung in die Luft kommt und keine Wunden entstehen. Die unangenehme Zeit für die Betroffenen ist begrenzt auf die Dauer der Anwendung und hält nicht wie bei Imiquimod länger an. Zudem lässt sich Eisspray überall einfach applizieren, auch im Analkanal.
Abbildung 2: Essig- und Jodlösungen zur Darstellung intraepithelialer Befunde
Invasiv Bei ausgeprägtem Befall oder bei Kondylomen über 5 mm Durchmesser empfehle ich klar primär invasivere Ansätze. Dazu gehören je nach Ausmass und persönlichem Gusto der Behandelnden und der Betroffenen die chirurgische Abtragung (Histologiegewinn!) und die Laserablation, auf die in diesem Artikel näher eingegangen werden soll.
Ablative Laserverfahren
Grundsätzlich stehen zwei Lasertypen zur Verfügung: der CO2-Laser und der Er:Yag-Laser. Moderne Geräte haben hier Grundeinstellungen, die für die geeignete Therapie vorprogrammiert sind (Abbildung 3).
Abbildung 3: Voreinstellung bei einem CO2-Laser zur Behandlung vaginaler Kondylome
22 SZD 2/2020
FORTBILDUNG
Abbildung 4: Typisches Bild nach CO2- Ablation, Verkohlung und tiefe, schichtgerechte Abtragung
Abbildung 5: korrekte Anwendung einer effektiven Absaugung Grundsätzlich muss immer bis in die blutragende Schicht abladiert werden (Blutstropfen) (Abbildung 4). Ablative Verfahren eignen sich nur bis zu bestimmten Grössen von Warzen, gestielte Formen können auch einfacher durch ein Skalpell (Scherenschlag) abgetragen werden und dann die Basis mit einem Laser be-
handelt werden (Abbildung 4). Hier gilt klar das Abwägen des Aufwands, zeitlich und kostenmässig. Der CO2-Laser ist zur Behandlung überschaubarer Befunde sicher am etabliertesten. Zu seinem spezifischen Nachteil gehört die Schmerzentwicklung, die primär ein Lokalanästhetikum vorweg oder sogar eine Behandlung in Narkose erfordert. Auch kann die Eindringtiefe häufig schlecht gesteuert werden, sodass entweder zu wenig abgetragen wird oder im Gegenteil ein Krater entsteht. Dem gegenüber steht der Erbiumlaser. Er kann klar moderater und gerade bei kleineren Befunden im Praxisalltag unkompliziert eingesetzt werden. Klarer Vorteil ist die Anwendung ohne Lokalanästhetikum oder gar Narkose. Selbst penile Befunde können so schrittweise abgetragen werden. Der Blutstropfen beim Erreichen der korrekten Schicht ist ebenfalls im Normalfall gut erkennbar. Wir kennen keine Studien, die die Laser sinnhaft gegeneinander vergleichen, vor allem nicht hinsichtlich Effektivität und Rezidivhäufigkeit. Aus meiner Sicht ist die Rezidivrate aber generell bei HPV-induzierten Läsionen schlecht zu beurteilen, da man sich nur auf sichtbare Befunde konzentriert, die Viren jedoch grössere Hautareale bereits infiziert haben können. In eigener Praxis habe ich bei allen Therapieansätzen Betroffene, die mich über Monate mit immer neuen Rezidiven begleiten. Nachteile der Laser sind Verlust der histologischen Beurteilbarkeit, deshalb empfehle ich immer, vor einer Lasertherapie einige Kondylome zu entfernen und zur histologischen Graduierung und Typisierung des Stammes (high risk versus low risk) einzusenden. Zudem ist nicht klar, welche Auswirkung der entstehende Rauch auf das Umfeld, insbesondere auf das Behandlungsteam hat. Bereits 1995 zeigten Gloster et al., dass Ärzte, die Kondylome mit CO2-Laser behandeln, in 5,4 Prozent der Fälle Warzenträger sind, bei Nichtärzten sind das immerhin nur 4,9 Prozent. Gloster fasste zusammen, dass HP-Viren, die sonst den Genitalbereich infizieren, durch Rauchgase auch in die oberen Atemwege gelangen und sich dort ansiedeln können. Das wäre eine potenzielle Gefahr für den Behandler (2). Daneben gibt es mehrere Fallberichte über HPV-induzierte Papillomatosen im Bereich des Larynx bei Chirurgen und sogar HPV-positive Tonsillenkarzinome bei zwei chirurgischen Kollegen (3–5). Diese Ergebnisse sind natürlich alarmierend und sollten zu dementsprechenden Vorsichtsmassnahmen im Eingriffsraum führen. Mihashi et al. konnten bereits 1981 zeigen, dass eine Absaugung 98,6 Prozent des durch den Laser hervorgerufenen Rauchgases reduzieren kann. Das gilt aber nur, wenn die Absaugung 1 cm vom Behandlungsfeld entfernt ist (Abbildung 5). Es ist wohl jedem klar, dass das in der Realität nicht umsetzbar ist (6).
SZD 2/2020
23
FORTBILDUNG
Invasive Verfahren sind die rein chirurgische Abtra-
gung oder die Laserablation. CO2-Laser sind hier
sehr gut etabliert und zeigen in Studien häufig eine
gute Ansprechbarkeit auf. Erbiumlaser sind «kalte»
Laser und somit meist ohne Anästhesie gut verträg-
lich. Insgesamt zeigen sich bei beiden Laserverfahren
sehr gute Clearingraten mit hoher Patientenzufrie-
denheit.
Problematisch bei Lasern ist die Rauchgasentwick-
lung, hier gibt es Hinweise auf Keimverschleppung
und Infektionen beim Personal. Deshalb ist eine gute
Sicherung durch Atemmaske, naher und starker Ab-
saugung, Tragen von OP-Kleidung und von Einmal-
handschuhen unabdingbar.
s
Abbildung 6: Korrekte Schutzmassnahmen bei Kondylom Laserablation
Atemmasken halten die Virenartikel und andere gesundheitsschädliche Inhaltsstoffe des Rauchgases nur unzureichend zurück. Atemmasken mit der Labelung FFP2 sind geeignet, um Rauchpartikel und krebserregende Stoffe zurückzuhalten. Atemmasken mit der Labelung FFP3 können zusätzlich noch Viren, Bakterien und Pilze zurückhalten (7). Zusätzlich empfiehlt sich während der Laserablation das Tragen von Einmalhandschuhen, Brille, Einmalwäsche und OP-Haube (Abbildung 6). Eine zusätzliche Impfung (off-label) des Behandlungsteams mit Gardasil®9 erscheint sinnvoll, Daten hierzu fehlen allerdings.
Zusammenfassung
HPV-induzierte Kondylome sind lästig mit einer hohen Kontagiösität und Rezidivfreude. Vor Behandlung sollte eine Biopsie zur Graduierung und Typisierung eingesendet werden. Es gibt rein topische, konservative Verfahren, die bei kleinen Befunden oder nach erfolgter invasiver Behandlung gute Erfolge zeigen. Neben rein konservativen Verfahren gibt es auch die Kryotherapie, die gut vertragen wird und wegen fehlender Aerosolbildung sicher ist.
Korrespondenzadresse: Fachärztezentrum Glatt Dr. med. Christian Gingert Ärztlicher Leiter Einkaufszentrum Glatt Neue Winterthurerstrasse 99 8304 Wallisellen Tel. 052-266 56 56 Fax 052-266 55 55 www.fachaerzte-glatt.ch
Referenzen: 1. Barton S et al.: Effectiveness of topical and ablative therapies in treatment of anoge-
nital warts: a systematic review and network meta-analysis. BMJ Open 2019; 9(10): e027765. 2. Gloster HM et al.: Risk of acquiring human papillomavirus from the plume produced by carbon dioxide laser in the treatment of warts. J Am Acad Dermatol 1995; 32(3): 436–441. 3. Hallmo P et al.: Laryngeal papillomatosis with HPV DNA contracted by a laser surgeon. Eur Arch Otorhinolaryngol 1991; 248: 425–427. 4. Calero L et al.: Laryngeal papillomatosis – first recognition in Germany as an occupational disease in an operating nurse. Laryngorhinootologie 2003; 82: 790–793. 5. Rioux M et al.: HPV positive tonsillar cancer in two laser surgeons: case reports. J Otolaryngol Head Neck Surg 2013; 42(1): 54. 6. Mihashi IS et al.: Some problems about condensates induced by CO2 laser irradiation. Lecture at the 4th Meeting of the International Society for Laser Surgery in Tokyo 1981. 7. Schweizerische Unfallversicherung (Suva): Atemschutz. https://www.suva.ch/de-CH/ material/Factsheets/atemschutz.
24 SZD 2/2020