Transkript
KONGRESSBERICHT
WCD 2019
Chronisch entzündliche Hauterkrankungen
Wie Autoantigene die Entzündung vorantreiben
Autoimmunerkrankungen sind definitionsgemäss klinische Syndrome, die durch eine Aktivierung von T- und/oder B-Zellen bei gleichzeitiger Abwesenheit einer ablaufenden Infektion charakterisiert sind. Die von diesen Immunzellen ausgelöste Immunantwort richtet sich allerdings nicht gegen Erreger aus der Umwelt, sondern gegen körpereigene Strukturen – also gegen Autoantigene. Dass solche Autoantigene auch bei verschiedenen dermatologischen Entzündungskrankheiten eine Rolle spielen, machte beim Dermatologie-Weltkongress 2019 in Mailand Prof. Michel Gilliet aus Lausanne am Beispiel des Polypeptids LL37 deutlich.
Auch auf die Psoriasis passt die Definition einer Autoimmunerkrankung. Sie ist charakterisiert durch die Anwesenheit von autoimmunen Th17-Zellen, die von dendritischen Zellen aktiviert werden und die für diesen T-Zell-Subtyp typische Zytokine wie IL-17 und IL-22 freisetzen. Diese Zytokine induzieren ihrerseits eine Hyperproliferation der Keratinozyten sowie die Produktion von AMP (antimicrobial peptide) und Chemokinen. Der genaue Ursprung dieser Autoantigene ist allerdings noch unbekannt. Was allerdings auffällt, ist, dass die Psoriasis-Pathogenese den physiologischen Abwehrmechanismen gegen Viren teilweise ähnelt.
Mechanismen einer antiviralen Immunantwort
Die Funktionsweise einer effektiven Immunantwort erläuterte Gilliet anhand der Immunantwort gegen DNS-Viren: Nach der Aufnahme in die Zelle induziert die virale DNS über eine Triggerung des Toll-like-Rezeptors 9 (TLR9) eine unspezifische Aktivierung von plasmazytoiden dendritischen Zellen (pDC), die daraufhin grosse Mengen an Typ-I-Interferon freisetzen. Typ-I-Interferone sind entscheidend an der Entwicklung einer Immunität gegen das Virus beteiligt, sie aktivieren dazu die konventionellen dendritischen Zellen (cDC), welche die eigentlichen antigenpräsentierenden Zellen darstellen. Nach ihrer Ausreifung präsentieren die cDC die viralen Antigene den CD4-Zellen und anderen T-Zell-Typen und leiten so die spezifische Immunreaktion ein.
Mechanismen der Toleranzentwicklung
Etwas anders läuft dagegen die Immunantwort auf Wirtsantigene ab: Während des Absterbens einer körpereigenen Zelle zum Beispiel werden Autoantigene und menschliche DNS freigesetzt. Diese DNS wird allerdings von DNS-spaltenden Enzymen umgehend abgebaut, deshalb kommt es auch nicht zur TLR9-Aktivierung, nicht zur Interferon-Produktion durch plasmazytoide dendritische Zellen und auch
nicht zur Aktivierung der konventionellen dendritischen Zellen. Daher bleibt hier die spezifische Immunreaktion aus, vielmehr entwickelt sich nach Präsentation dieser körpereigenen Antigene an regulatorische T-Zellen (Treg) eine Toleranz.
LL37 – ein mögliches Antigen bei Psoriasis
Als man vor vielen Jahren damit anfing, die pathogenetischen Vorgänge bei Immunerkrankungen eingehender zu untersuchen, fiel auf, dass beispielsweise bei Psoriasis die für die antivirale Immunantwort typischen Mechanismen aktiviert sind: Man findet grosse Mengen an aktivierten pDC sowie an Typ-I-Interferon im dermalen Kompartiment der psoriatischen Plaques. Die Interferon-Produktion geht dabei der Expansion der T-Zellen in der Pathogenese voraus. Wenn die pDC blockiert werden, wird auch die Entwicklung der psoriatischen Plaques blockiert (1). Doch auch wenn diese Immunmechanismen denjenigen einer viralen Erkrankung ähneln, ist die Psoriasis bekanntlich keine. Es bleibt daher die Frage, wodurch hier die plasmazytoiden dendritischen Zellen aktiviert werden. Auf der Suche nach einem Antigen geriet unter anderem das kationische antimikrobielle Peptid LL37 in den Fokus. Dieses stark positiv geladene, aus 37 Aminosäuren bestehende Peptid wird in gesunder Haut kaum gefunden, ist aber in Hautwunden wie auch in psoriatisch veränderter Haut erhöht (2). Es ist bei Psoriasis in erster Linie in der Epidermis, vereinzelt aber auch in der Dermis nachweisbar, wo auch die plasmazytoiden Zellen lokalisiert sind. Gebildet wird es von Keratinozyten und von neutrophilen Granulozyten. Wie können diese LL37-Peptide die plasmazytoiden dendritischen Zellen aktivieren? Es wurde gezeigt, dass LL37 Komplexe mit extrazellulärer DNS bildet. Diese Komplexe werden von den pDC aufgenommen. Erst kürzlich fand man heraus, dass diese Komplexe an TLR9 binden und so die Interferon-Produktion induzieren.
4
SZD 1/2020
WCD 2019
KONGRESSBERICHT
Die Beobachtung, dass LL37-spezifische T-Zellen bei Psoriasis-Patienten in höheren Konzentrationen als bei Hautgesunden und Patienten mit anderen Hautkrankheiten nachweisbar sind, machte die Bedeutung von LL37 als Autoantigen bei Psoriasis deutlich (3). «Wir denken deshalb, dass diese LL37-spezifischen T-Zellen bei der Psoriasis in der Pathogenese eine Rolle spielen», betonte Gilliet. Denn es gäbe eine Korrelation mit dem PASI-Score, diese Zellen seien in Psoriasis-Hautläsionen vermehrt nachweisbar, sie produzierten die psoriasistypischen TH17-Zytokine, und bei einer erfolgreichen Therapie sänken auch die Konzentrationen dieser Zellen (3). In der weiteren Erforschung wurde gezeigt, dass LL37 auch Komplexe mit RNA bilden und so auch an verschiedene andere Rezeptoren binden kann, über die das Immunsystem bei einer Virusinfektion aktiviert wird – so können zum Beispiel auch TLR7 und TLR8 durch solche LL37-RNA-Komlexe aktiviert werden.
LL37 – ein mögliches Antigen bei Lupus erythematodes
Lupus erythematodes ist eine systemische Erkrankung, die viele Organsysteme einschliesslich der Haut betreffen kann. In der Pathogenese kommt es zur Produktion von Autoantikörpern, die zur Bildung von Immunkomplexen führen. In neueren Untersuchungen wurde gezeigt, dass diese Immunkomplexe Konglomerate aus LL37 und DNS enthalten (4). Demensprechend werden auch hier pDC aktiviert, die im dermalen Kompartiment der Haut akkumulieren. Letztlich kommt es also auch hier zu einer Immunantwort, die einer antiviralen Abwehrreaktion ähnelt. LL37 ist hier ebenfalls an der Induktion einer Autoimmunität beteiligt. Die Zellen, die hier die Immunkomplexe aufnehmen, sind allerdings neutrophile Granulozyten. Die beim Lupus nachweisbaren LL37-spezifischen T-Zellen sind, anders als bei der Psoriasis, nicht vom Phänotyp TH17, sondern vom follikulären Typ (fTH) (4), zudem finden sich B-Zellen, die Autoantikörper gegen LL37 produzieren. Die heutige Vorstellung zur Pathogenese des Lupus erythematodes geht davon aus, dass neutrophile Granulozyten im Rahmen einer Nekrose die LL37/ DNS-Komplexe freisetzen; diese Komplexe aktivieren pDC und führen zur Produktion von Typ-I-Interferonen, diese aktivieren wiederum B- und fTH-Zellen; die B-Zellen produzieren LL37-Autoantikörer, die bei Kontakt mit Neutrophilen wiederum zur weiteren Freisetzung von LL37/DNS-Komplexen führen. Hier schliesst sich der Teufelskreis, der die chronische Entzündungsreaktion vorantreibt.
Physiologische Rolle der LL37-Immunantwort
Es bleibt die Frage nach dem physiologischen Sinn der LL37-getriggerten Immunreaktion. Diese besteht wohl in dem Schutz bei einer Hautverletzung. Denn nach der Hautverletzung kommt es bei Gesunden zu einer schnellen Aktivierung und Akkumulation von pDC, die dann Interferon-α freisetzen und dadurch die Wundheilung unterstützen. Allerdings ist diese Reaktion bei Gesunden transient, und nach zwei Tagen hat sich die pDC-Konzentration in der Haut wieder normalisiert, während sie bei Psoriasis und beim Lupus erythematodes langfristig hoch bleibt und dadurch eine chronische Entzündungsreaktion getriggert wird. Warum es bei den entzündlichen Erkrankungen zur Chronifizierung kommt, liegt wohl an einer genetischen Prädisposition.
Fazit
IL-37 ist ein Autoantigen, das starke Autoimmun-
reaktionen induzieren kann, die einer antiviralen Re-
aktion ähneln, doch im Unterschied zu dieser über
lange Zeiträume aktiv bleiben. Diese Reaktionen
führen zu Interferon-vermittelten T-Zell-Reaktionen,
die sich in verschiedenen entzündlichen Erkrankun-
gen wie Psoriasis und Lupus erythematodes äussern
können. Ob es zu einer solchen Autoimmunreaktion
kommt, welcher T-Zell-Subtyp daran beteiligt ist und
welche chronisch entzündliche Erkrankung sich somit
entwickelt, das hängt auch von der entsprechenden
genetischen Prädisposition ab. Insgesamt werde
die Autoimmunproblematik in der Entwicklung ziel-
gerichteter Therapien noch nicht genügend berück-
sichtigt, so Gilliet. Dabei wären therapeutische Inter-
ventionen, basierend auf einer Beeinflussung der hier
beschriebenen Mechanismen, nach seiner Einschät-
zung möglich. Entsprechende Ansätze werden der-
zeit erforscht.
s
Adela Žatecky
Quelle: Plenary-Vortrag von Michel Gilliet, «How Autoantigens Drive Cutaneous Autoimmune Disorders»,am 24.Weltkongress für Dermatologie,12.Juni 2019 in Mailand.
Referenzen: 1. Nestle FO et al.: Plasmacytoid predendritic cells initiate psoriasis through inter-
feron-α production. J Exp Med 2005; 202(1): 135–143. 2. Lande R et al.: Plasmacytoid dendritic cells sense self-DNA coupled with antimicro-
bial peptide. Nature 2007; 449: 564–569. 3. Lande R et al.: The Antimicrobial Peptide LL37 Is a T-cell Autoantigen in Psoriasis.Nat
Commun 2014; 5: 5621. 4. Lande et R al.: Neutrophils Activate Plasmacytoid Dendritic Cells by Releasing self-
DNA-peptide Complexes in Systemic Lupus Erythematosus. Sci Transl Med 2011; 3: 73.
SZD 1/2020
5