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KONGRESSBERICHT
EADV 2019
Chronische spontane Urtikaria
Optimierung von Antihistaminikaund Biologikatherapien
Chronische Urtikaria beeinträchtigt die Patienten schwer. Bei mehr als drei Viertel der Betroffenen ist die chronische Urtikaria nicht kontrolliert. Das müsste nicht sein mit den zur Verfügung stehenden Behandlungen. Zur Optimierung der Behandlung sind aber auch neue Therapiemöglichkeiten nötig.
Erklärtes Ziel der Behanlung bei chronischer spontaner Urtikaria sei es, die Erkrankung zu behandeln, bis sie verschwunden sei, sagte Prof. Martin Church, Berlin (D). Urtikarialeitlinien empfehlen den Einsatz von H1-Antihistaminika der zweiten Generation (Kasten 1) in üblicher Dosierung und bei ungenügendem Ansprechen nach 2 bis 4 Wochen Dosissteigerung bis zum Vierfachen (off-label).
Optimierung der Antihistaminikatherapie durch Dosissteigerung
Der Schweregrad der Symptome ist bei chronischer Urtikaria abhängig von der Histaminkonzentration in der Haut und von der Empfindlichkeit der Haut gegenüber Histamin. Auf Dosissteigerung (jeweils Verdoppelung der Dosis von täglich einer Tablette auf zwei und falls nötig auf vier Tabletten) sprechen nur Antihistaminika-resistente Personen nicht an. Bei diesen ist die Histaminkonzentration in der Haut und die Empfindlichkeit der Haut gegenüber Histamin besonders hoch. Ein gut zur Dosissteigerung geeignetes Antihistaminikum sei z. B. Bilastin, weil seine Wirksamkeit bei der Dosissteigerung von 20 mg auf 40 mg und 80 mg stark sei, ohne dass es zu nennenswerter Sedation als Nebenwirkung komme, so der Referent. Bilastin und Fexofenadin gelangen nicht ins Gehirn, weil sie Substrate von P-Glycoprotein sind. Diese Membranpumpe verhindert, dass Pflanzengifte und die beiden Antihistaminika das Gehirn erreichen können. Mit aktuell gebräuchlichen Zweitgenerationsantihistaminika seien bei Dosissteigerungen bis zum Vierfachen keine Probleme wegen kardialer Toxizität (Verlängerung der QT-Zeit mit erhöhtem Risiko von Torsades-de-Pointes-Tachykardie, Kammerflimmern und plötzlichem Herztod) zu befürchten, so der Referent. Eine aktuelle Publikation attestiert den Zweitgenerationsantihistaminika Bilastin, Cetirizin, Desloratadin, Ebastin, Fexofenadin, Levocetirizin, Loratadin, Mizolastin und Rupatadin auch bei Dosissteigerungen bis zum Vierfachen ein gutes Sicherheitsprofil ohne Kardiotoxizität (1). Allerdings muss vor der Verschreibung sichergestellt werden, dass keine Risikofaktoren für Kardiotoxizität vor-
Kasten 1:
Antihistaminika der zweiten Generation zur Urtikariatherapie
• Bilastin (Bilaxten®) • Cetirizin (Zyrtec® und Generika) • Desloratadin (Aerius® und Generika) • Fexofenadin (Telfast® 180 und Generika) • Levocetirizin (Xyzal® und Generika) • Loratadin (Claritine® und Generika)
liegen (z. B. vererbtes Long-QT-Syndrom, Einnahme von Medikamenten mit QT-Verlängerungseffekt oder hemmender Wirkung auf den Antihistaminikametabolismus) (1).
Optimierung der Biologikatherapie
Chronische spontane Urtikaria sei eine durch Mastzellen vermittelte Erkrankung und auch eine Autoimmunkrankheit (Autoimmunität Typ I und IIb), sagte Prof. Marcus Maurer, Berlin (D). Behandlungen müssen demnach gegen Mastzellen (Rezeptoren auf Mastzellen und ausgeschüttete Mediatoren) und gegen die Autoimmunaktivierung gerichtet sein. Ak-
Kasten 2:
Ansprechraten mit Omalizumab und Ligelizumab
• In Woche 12 vollständiges Ansprechen bezüglich Quaddeln (Quaddel-Schweregrad-Wochenscore von null): 26 Prozent der Patienten in der Omalizumabgruppe (300 mg alle 4 Wochen subkutan), 51 Prozent mit Ligelizumab (72 mg alle 4 Wochen subkutan)
• In Woche 12 vollständiges Ansprechen bezüglich Juckreiz (Juckreiz-Schweregrad-Wochenscore von null): 29 Prozent mit Omalizumab, 48 Prozent mit Ligelizumab
• In Woche 12 komplette Symptomkontrolle (UrtikariaAktivitäts-Score 7 Tage [UAS7] von null): 26 Prozent mit Omalizumab, 44 Prozent mit Ligelizumab
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SZD 1/2020
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KONGRESSBERICHT
tuell empfehlen die Leitlinien bei inadäquater Kontrolle der chronischen spontanen Urtikaria trotz Dosissteigerung von Zweitgenerationsantihistaminika bis zum Vierfachen nach zwei bis vier Wochen zusätzlich Omalizumab (Xolair®). Um die Anti-IgE-Behandlung weiter zu verbessern, wird derzeit Ligelizumab entwickelt. In einer aktuellen Dosisfindungsstudie der Phase II b war dieses Biologikum nicht nur Plazebo, sondern auch Omalizumab überlegen (2). Mit Ligelizumab konnten Quaddeln und Juckreiz noch stärker reduziert werden als mit Omalizumab (Kasten 2). s
Quelle: Vortrag «Taking the best of anti-histamine therapy» von Martin Church und Vortrag «New therapies in chronic urticaria» von Marcus Maurer am 28. EADV-Kongress, 11. Oktober 2019 in Madrid.
Referenzen: 1. Cataldi M et al.: Cardiac safety of second-generation H1-antihistamines when updo-
sed in chronic spontaneous urticaria. Clin Exp Allergy 2019 (Epub ahead of print). 2. Maurer M et al.: Ligelizumab for chronic spontaneous urticaria. N Engl J Med 2019;
381: 1321–1332.
Alfred Lienhard
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