Transkript
SGDV 2019
KONGRESSBERICHT
Neuer Schweizer Akne-Konsensus
Aktuelle Behandlungsempfehlungen für die Praxis
Jetzt gibt es auch für die Schweiz aktuelle Empfehlungen für das Aknemanagement. Der neue Schweizer Akne-Konsensus, der von zwölf Dermatologen und einem Allgemeinpraktiker erarbeitet wurde, berücksichtigt neue pathophysiologische Erkenntnisse und therapeutische Entwicklungen. Der Konsensus, der sich auf lokale Gepflogenheiten und die in der Schweiz erhältlichen Produkte stützt, wurde von PD Dr. Severin Läuchli, Zürich, im Rahmen der SGDV-Jahresversammlung 2019 an einem Symposium der Firma Galderma vorgestellt.
In der Praxis erfolgt die Beurteilung des Akneschweregrads meist subjektiv, entsprechend der ärztlichen Erfahrung. Bei der Einteilung in milde, milde bis moderate, moderate bis schwere und schwere Akne stützt man sich vor allem auf die vorherrschende Läsion. Wenn eine präzisere Dokumentation erforderlich ist (z. B. gute Begründung des Therapieentscheids nötig oder wissenschaftliche Arbeit), wird von der Konsensusgruppe die Leeds-Methode als das praktikabelste Grading-System empfohlen (Revised Leeds Acne Score von 1 bis 12 für das Gesicht und von 1 bis 8 für den Stamm). Oft erfolgt die Aknebehandlung in der Hausarztpraxis, doch Patienten mit schweren Akneformen sollten von Anfang an einen Dermatologen überwiesen werden (z. B. Vernarbungstendenz, Acne conglobata, Acne fulminans). Eine Überweisung sollte auch erfolgen, wenn die Akne nach drei Monaten nicht genügend auf die Therapie angesprochen hat, wenn häufige Rezidive vorkommen, wenn die Compliance mangelhaft ist oder wenn Patienten mit der Therapie nicht zufrieden sind.
Realistisches Behandlungsziel setzen
Eine Reduktion von mehr als 50 Prozent der Läsionen innerhalb von drei Monaten stellt einen Kurzzeittherapieerfolg dar und kann als realistisches Behandlungsziel dienen. Langfristig ist es Ziel der Behandlung, die Läsionen fast vollständig oder vollständig zur Abheilung zu bringen. Wie lange dazu die Behandlung dauern wird, hängt hauptsächlich vom Schweregrad der Akne vor Behandlungsbeginn ab. Um unrealistischen Erwartungen der Patienten zu begegnen, ist es wichtig, das kurz- und langfristige Behandlungsziel und die benötigte Behandlungsdauer zu besprechen.
Induktionstherapie bei milder und milder bis moderater Akne
Aufgrund ihrer multiplen Wirkmechanismen (kome-
dolytisch/antikomedogen und antiinflammatorisch) eignen sich topische Retinoide (Adapalen, Tretinoin, Isotretinoin) zur Induktionstherapie bei milder Akne, wobei ein Retinoid mit geringem Irritationspotenzial vorzuziehen ist. Wenn papulopustuläre oder inflammatorische Läsionen vorherrschen, stellt Benzoylperoxid (BPO) eine gute Alternative dar. Bei Problemen mit der Hautirritation oder bei möglicher Schwangerschaft kann Azelainsäure als Zweitlinientherapie eingesetzt werden. Bei milder bis moderater Akne wird als Induktionstherapie entweder von Anfang an ein topisches Kombinationspräparat mit Synergieeffekt empfohlen oder zu Beginn nur ein topisches Retinoid, wobei abhängig vom Therapieerfolg nach drei Monaten zu einer topischen Kombinationstherapie gewechselt wird. Die bevorzugte Kombinationsbehandlung besteht aus einem topischen Retinoid und
Kasten:
Mit frühzeitiger Behandlung Aknenarben verhindern
s Meistens sind Aknenarben atroph, seltener hypertroph oder keloidal. s Aknenarben können eine schwere emotionale Belastung darstellen. s Oft verschlechtert sich das Erscheinungsbild der Narben im Rahmen der Hautalterung
und durch Lichtschädigung. s Je schwerer die Akne ist, desto grösser ist das Risiko, dass sich atrophe Narben bilden.
Auch die Dauer, während der entzündliche Papeln unbehandelt vorhanden sind, ist für das Vernarbungsrisiko wichtig. s Entzündung spielt sowohl für die Entwicklung aller Akneläsionen als auch für die Narbenbildung eine wichtige Rolle. s Entzündungsmediatoren persistieren nach der Abheilung von Akneläsionen und während der Narbenbildung. 99% der Narben entstehen aus Papeln, Pusteln und postinflammatorischen Läsionen. s Entzündung verstärkt die abnormale Heilung von Akneläsionen mit Narbenbildung. (inadäquate Kollagenese, verstärkte Aktivität von Matrixmetalloproteinasen mit verstärktem Abbau dermaler Matrixbestandteile wie Kollagen). s Frühzeitige Behandlung ist die beste Strategie, um Aknenarben zu vermeiden.
(nach Prof. Dr. Alexander Navarini, Basel, am Symposium der Firma Galderma) AL
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BPO. Bei zu starker Irritation kann diese Kombination nur jeden zweiten Tag angewendet werden. Wenn papulopustuläre Läsionen vorherrschen, können als gute Alternativen Kombinationspräparate mit BPO/ Clindamycin oder Tretinoin/ Clindamycin gewählt werden. Topische Antibiotika sollten immer in Kombination mit einem topischen Retinoid oder BPO verwendet werden.
Induktionstherapie bei moderater bis schwerer und schwerer Akne
Der Konsensus empfiehlt für die Induktionstherapie einer moderaten bis schweren Akne die Kombination eines höher dosierten topischen Retinoids mit BPO. Wenn die Irritation ein Problem darstellt, sind mit den Kombinationen Tretinoin/Clindamycin oder BPO/Clindamycin gute Alternativen vorhanden. Zur Beschleunigung der Symptomreduktion und zur Verbesserung der Compliance kann ein systemisches, antientzündlich wirkendes Antibiotikum hinzugefügt werden. Der Wirksamkeitsunterschied zwischen einem höher und einem niedriger dosierten Retinoid sei ganz klar nachgewiesen worden, berichtete Läuchli. In einer randomisierten, kontrollierten Doppelblindstudie erwies sich die höher dosierte Kombination von Adapalen 0,3 Prozent und BPO 2,5 Prozent (Epiduo®Forte Gel) bei Patienten mit moderater und schwerer Akne nach zwölf Wochen mit einer Erfolgsrate von 33,7 Prozent gegenüber dem Vehikel (Erfolgsrate 11%) als signifikant überlegen (p = 0,001). Die Erfolgsrate der geringer dosierten Kombination von Adapalen 0,1 Prozent und BPO 2,5 Prozent (Epiduo® Gel) betrug 27,3 Prozent (1). Nach wie vor bilde systemisches Isotretinoin den Goldstandard bei der Induktionstherapie der schweren Akne, sofern keine Kontraindikationen vorlägen, so Läuchli. Tendenz zur frühen Narbenbildung, ungenügendes Ansprechen bei früheren topischen Behandlungen oder schwere psychologische Belastung durch die Akne bilden weitere Indikationen für den frühzeitigen Einsatz von systemischem Isotretinoin. Die Konsensusgruppe war sich einig, dass die Tagesdosis in schweren Fällen mehr als 0,5 mg pro Kilogramm Körpergewicht (kg KG) betragen soll, weil in Studien gezeigt wurde, dass die Rückfallrate bei genügend hoher Dosierung deutlich reduziert werden kann. Weiterhin ist die maximale Totaldosis von 120 bis 150 mg pro kg KG gültig. In der Praxis kann man behandeln, bis das Behandlungsziel erreicht ist, die Hautläsionen also fast oder ganz abgeheilt sind. Danach kann für zwei bis drei Monate weiterbehandelt werden, bevor die Erhaltungstherapie beginnt. Wenn Isotretinoin kontraindiziert ist, wird ein systemisches Antibiotikum zusammen mit der Kombination eines topischen Retinoids mit BPO empfohlen. Bei den systemischen Antibiotika, die immer in Kombination mit der topischen Therapie zu verwenden
sind, bevorzugt die Konsensusgruppe Doxycyclin oder Lymecyclin, weil sie weniger fototoxisch sind als Minocyclin, bei dem überdies einige schwere Nebenwirkungen vorkommen können.
Erhaltungstherapie
Wenn das Behandlungsziel erreicht ist, wird bei allen Patienten mit Akne eine Erhaltungstherapie empfohlen (in der Regel während 6 Monaten, bei schwerer Akne während 12 Monaten). Meistens eignet sich zur Erhaltungstherapie ein topisches Retinoid, wenn es sich um eine milde/moderate Akne handelt, oder die Kombination eines topischen Retinoids (geringere Dosierung) zusammen mit BPO, wenn es sich um eine moderate/schwere Akne handelt. Als Alternative kommt Azelainsäure in Betracht. Die Erhaltungstherapie kann täglich oder nur jeden zweiten Tag angewendet werden. Retinoide sind geeignet, weil sie die Bildung von Mikrokomedonen vermindern, die Entstehung neuer Läsionen verhindern, für anhaltende Erscheinungsfreiheit der Haut sorgen und möglicherweise die Narbenbildung vermindern. Antibiotika kommen für die Erhaltungstherapie nicht in Betracht.
Narbenprävention und Hautpflege
Bei jeder Aknebehandlung sollte die Narbenprä-
vention berücksichtigt werden. Nach drei Monaten
sollte bei allen Patienten evaluiert werden, ob eine
zusätzliche Therapie erforderlich ist, um Narben zu
verhindern. Die Hautpflege sollte mit den Patienten
besprochen werden. Dabei sollte darauf hingewie-
sen werden, dass Aknemedikamente ein Irritations-
potenzial aufweisen und fotosensibilisierend wirken
können. Die Anwendung von Retinoiden und BPO
soll abends erfolgen. Ein Sonnenschutzmittel und
eine leichte Feuchtigkeitslotion (Öl-in-Wasser-Emul-
sion), die kein Paraffin enthält, werden zur Hautpflege
empfohlen.
s
Alfred Lienhard
Referenz: 1. Stein Gold L et al.: Moderate and severe inflammatory acne
vulgaris effectively treated with single-agent therapy by a new fixed-dose combination adapalene 0,3%/ benzoyl peroxide 2,5% gel: A randomized, double-blind, parallel-group, controlled study. Am J Clin Dermatol 2016; 17: 293–303.
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