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KONGRESSBERICHT
WCD 2019
Monoklonale Antikörper in der Dermatologie
Vom immunologischen Verständnis zur zielgerichteten Therapie
Durch die fortschreitenden Erkenntnisse in der Immunpathologie wurde es möglich, zielgerichtete Therapien gegen exakt jene Immunzellen und Zytokine zu entwickeln, die für eine bestimmte entzündliche Erkrankung hauptsächlich verantwortlich sind. Diese Therapien haben das Management entzündlicher Erkrankungen in der Dermatologie revolutioniert. Was heute bereits möglich ist und in naher Zukunft voraussichtlich möglich sein wird, fasste der Schweizer Dermatologe Thomas Jung auf dem Dermatologie-Weltkongress in Mailand zusammen.
Die Infiltration mit mononukleären Zellen ist ein wichtiges Kennzeichen der histopathologischen Veränderungen im Rahmen der Pathogenese entzündlicher Dermatosen. So weisen Erkrankungen wie die atopische Dermatitis und die Psoriasis ein für die jeweilige Erkrankung typisches entzündliches Infiltrat auf. Je nach dem triggernden und produzierten Zytokinmuster lassen sich die T-Zell-Infiltrate ebenfalls weiter unterteilen. Die genaue Kenntnis der jeweils beteiligten Zellen und Zytokine führte zur Entwicklung verschiedener zielgerichteter Therapien, die jeweils die massgeblichen Zytokine und Signalwege einer entzündlichen Erkrankung blockieren. Die Entwicklung habe, wie Jung weiter ausführte, bereits im Jahr 1975 mit der Entdeckung des TumorNekrose-Faktors (TNF) begonnen – einer löslichen Verbindung, die in der Lage war, Tumorzellen abzutöten. Dieser Faktor wurde, wie sich weiter herausstellte, von neutrophilen Granulozyten und Makrophagen produziert. Etwas später wurde auch Interleukin (IL) 1 als weiterer wichtiger Faktor der Immunregulation entdeckt. Weitere Forschungen zeigten: Diese Zytokine waren dazu notwendig, dass T-Zellen ihre Abwehrfunktionen entfalten konnten.
Etwa 20 Jahre nach der Entdeckung des TNF kam mit Infliximab der erste TNF-Antikörper in die klinische Entwicklung – und fand in erster Linie das Interesse von Rheumatologen. In einer ersten bahnbrechenden Studie konnte die Effektivität dieses Antikörpers nach Einzelinfusion im Vergleich zu Plazebo bei Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) bestätigt werden (1): Während es bei der Plazeboinfusion nur 2 «Responder» von 24 gab, zeigten 19 von 24 Patienten ein Ansprechen auf die höhere getestete Dosis des neuartigen chimären Antikörpers gegen TNF-α Diese Ergebnisse lieferten somit erstmals die Evidenz, dass die spezifische Zytokinblockade bei entzündlichen Erkrankungen des Menschen eine effektive Therapie sein könnte. Wenige Jahre später fiel bei einer 57-jährigen Patientin, die wegen eines Morbus Crohn Infliximab erhielt, eine dramatische Besserung der ebenfalls vorhandenen mittelgradigen bis schweren Psoriasis zwei Wochen nach der Infliximab-Infusion (5 mg/kg) auf (2). Das sei, so vermutete Jung, die erste Beschreibung einer erfolgreichen Psoriasistherapie mit einem TNFα-Antikörper gewesen.
Subgruppen von T-Helfer-Zellen und ihre Bedeutung
IL-23
TH17-Zelle
IL-17
Psoriasis
Naive T-Zelle IL-12
TH1-Zelle
IFN-γ
keine Psoriasis
IL-4 TH2-Zelle IL-4
atopische Dermatitis
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Entdeckung der Helferzellsubtypen
Weitere therapeutische Ansätze sollten sich aus der Beobachtung ergeben, dass sich T-Helfer-Zellen in dem von ihnen produzierten Zytokinmuster unterscheiden. Im Jahr 1986 wurden in Untersuchungen an Mäusen zwei Arten von Helferzelllinien identifiziert: Helferzellen vom Typ 1 (TH1) waren mit einer gesteigerten Produktion unter anderem von Interferon gamma (IFN-γ) assoziiert (3). Dagegen produzierten die Helferzellen vom Typ 2 (TH2) andere Zytokine, wie zum Beispiel IL-4. Eine interessante Beobachtung war, dass diese beiden Zytokine die Produktion des jeweils anderen negativ beeinflussen konnten – so hemmte IL-4 die Entwicklung von TH1-Zellen und IFN-γ diejenige von TH2-Zellen. Weitere Forschungen in der experimentellen Dermatologie zeigten in der Folge, dass die TH1-Zellen vor allem bei Psoriasis gefunden wurden, während die TH2-Zellen bei atopischer Dermatitis vermehrt waren. Diese Beobachtung führte zu der Vermutung, dass die Blockade von IFN-γ eine effektive Therapie bei Psoriasis und eine Blockade von IL-4 effektiv bei atopischer Dermatitis sein könnte. Des Weiteren wurde vermutet, dass die Zugabe von IFN-γ eine atopische Dermatitis bremsen könnte. In der Folge wurden entsprechende Therapeutika entwickelt und ihr therapeutischer Effekt in Studien geprüft. Bei der atopischen Dermatitis erwiesen sich sowohl die Behandlung mit rekombinantem IFN-γ als auch die mit einem Antikörper gegen den IL-4-Rezeptor (IL-4R) als effektiv (4, 5). Bei der Psoriasis konnte mit der Gabe eines rekombinanten IL-4 in der Tat eine Besserung erreicht werden (6). Dagegen konnte mit einem Antikörper gegen IFN-γ kein klinisches Ansprechen der behandelten Patienten erzielt werden (7). Das habe zumindest für die Psoriasis die TH1-Hypothese ein wenig infrage gestellt, so Jung weiter.
Entdeckung der TH17-Zellen und ihrer proinflammatorischen Funktion
Zu der Zeit, als diese Theorien diskutiert wurden, befand sich der Antikörper Ustekinumab (Stelara®) in der klinischen Entwicklung. Dieser Antikörper hemmt über die Blockade von p40 sowohl IL-12 als auch IL-23, da p40 als Untereinheit in den Rezeptoren beider Zytokine enthalten ist. Damals war das Interesse an IL-12 sehr gross, denn es zeigte sich, dass dieses Zytokin wesentlich an der Aktivierung von TH1-Zellen beteiligt war. In den nachfolgenden klinischen Studien konnte in der Tat gezeigt werden, dass mit Ustekinumab eine signifikante Besserung der Psoriasissymptomatik erreicht werden konnte. Da allerdings zwei verschiedene Interleukine durch diesen Antikörper blockiert wurden, galt es, herauszufinden, welches von beiden letztlich für den klinischen Effekt verantwortlich war. IL-23 wurde damals beschrieben als
ein Zytokin, das Ähnlichkeiten zu IL-12 aufwies, das aber im Unterschied zu diesem TH-Zellen induzierte, die IL-17 produzierten – ein proinflammatorisches Zytokin, dessen Bedeutung für die Psoriasis erst später entdeckt wurde. Ein erster Hinweis fand sich in der Beobachtung, dass IL-17 und IFN-γ synergistische Effekte bezüglich der Steigerung der Produktion proinflammatorischer Zytokine in menschlichen Keratinozyten entfalten (8). In dieser Studie wurde von den Autoren die Schlussfolgerung gezogen, dass IL-17 ein proinflammatorisches Zytokin ist, das die Entwicklung einer kutanen Entzündungsreaktion fördern könnte. Einige Jahre später wurde deutlich, dass diese IL-17 produzierenden, CD4-positiven T-Zellen eine eigene T-Zell-Linie darstellen, die sich von den zuvor beschriebenen Helferzellen vom Typ TH1 und TH2 unterscheidet. Sie wurden in der Folge als TH17-Zellen bezeichnet (9). Zudem wurde immer deutlicher, dass diese TH17-Zellen in der Pathogenese der Psoriasis eine wesentliche Rolle spielen. Inzwischen habe man deshalb auch die Effektivität von Ustekinumab in erster Linie auf dessen Blockade des IL-23-Signalweges zurückgeführt, erläuterte Jung.
Revision des T-Zell-Modells, Ausrichtung auf IL-23
Daher sei die ursprüngliche Einteilung der Subtypen von T-Helfer-Zellen um die TH17-Zelle erweitert und die Sichtweise der Rolle dieser Subtypen in der Pathogenese der Psoriasis entsprechend revidiert worden, so Jung weiter: «Wenn IL-23 die TH17-Zellen stimuliert, IL-17 zu produzieren, und die Inhibition von IL-17 auch effektiv die Psoriasis hemmt, wenn IL-12 die TH1-Zellen stimuliert, IFN-γ zu produzieren, und wenn Ustekinumab sowohl IL-12 als auch IL-23 hemmt, dann kann man daraus schliessen, dass die Wirksamkeit von Ustekinumab bei Psoriasis auf die Hemmung von IL-23 zurückzuführen ist. Daher sollten selektive IL-23-Antikörper bei Psoriasis ebenfalls wirksam sein.» Diese These konnte mit der nachfolgenden Entwicklung von IL-23-Antikörpern und der Bestätigung ihrer starken klinischen Wirksamkeit bei Psoriasis verifiziert werden: Als erster IL-23-Antikörper wurde im Jahr 2017 Guselkumab (Tremfya®) von der FDA zugelassen, und es folgten Tildrakizumab (Ilumetri®) im Jahr 2019 und Risankizumab (Skyrizi®) im Jahr 2019, sowie wohl demnächst auch das in der klinischen Entwicklung befindliche Mirikizumab. Im vereinfachten Pathogenesemodell der entzündlichen Hauterkrankungen kann also IL-23 als wesentlicher aktivierender Faktor der TH17-Zellen angesehen werden, die wiederum in erster Linie über die Freisetzung von IL-17 die Psoriasis unterhalten. Dagegen aktiviert IL-12 vor allem TH1-Zellen und damit die Produktion von IFN-γ, was sich allerdings nicht wirklich auf die Psoriasispathogenese auswirkt.
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Fazit
Aus der immunologischen und klinischen Forschung
der letzten 20 Jahre konnten Erkenntnisse zu Sub-
populationen von T-Helfer-Zellen gewonnen wer-
den, die letztlich zur Entwicklung verschiedener
zielgerichteter Therapien bei entzündlichen Haut-
erkrankungen geführt haben. Sowohl für die Pso-
riasis als auch für die atopische Dermatitis liegen
heute bereits zugelassene monoklonale Antikörper
gegen die in diesem Zusammenhang identifizierten
Schlüsselzytokine vor. Doch auch über diese beiden
grossen entzündlichen Erkrankungen hinaus konn-
ten aufgrund des immer besseren Verständnisses
der immunologischen Prinzipien weitere zielgerich-
tete Therapien entwickelt werden – weitere Beispiele
sind hier Adalimumab bei Hidradenitis suppurativa,
Omalizumab bei Urtikaria und der IL-1β-Antikörper
Canakinumab (Ilaris®) beziehungsweise der IL-1-Re-
zeptor-Antagonist Anakinra (Kineret®) bei neutrophi-
len Dermatosen.
s
Adela Žatecky
Referenzen: 1. Elliott MJ et al.: Randomised double-blind comparison of chimeric
monoclonal antibody to tumour necrosis factor alpha (cA2) versus placebo in rheumatoid arthritis. Lancet 1994; 344(8930): 1105–1110.
2. Oh CJ et al.: Treatment with anti-tumor necrosis factor alpha (TNF-alpha) monoclonal antibody dramatically decreases the clinical activity of psoriasis lesions. J Am Acad Dermatol 2000; 42(5 Pt 1): 829–830.
3. Mosman TR et al.: Two types of murine helper T cell clone. I. Definition according to profiles of lymphokine activities and secreted proteins. J Immunol 1986; 136(7): 2348–2357.
4. Boguniewicz M et al.: Recombinant gamma interferon in treatment of patients with atopic dermatitis and elevated IgE levels. Am J Med 1990; 88(4): 365–370.
5. Beck LA et al.: Dupilumab treatment in adults with moderate-to-severe atopic dermatitis. N Engl J Med 2014; 371(2): 130–139.
6. Ghoreschi K et al.: Interleukin-4 therapy of psoriasis induces Th2 responses and improves human autoimmune disease. Nature Medicine 2003; 9(1): 40–46.
7. Harden JL et al.: Humanized anti-IFN-γ (HuZAF) in the treatment
of psoriasis. J Allergy Clin Immunol 2015; 135(2): 553–556. 8. Teunissen MB et al.: Interleukin-17 and interferon-gamma syner-
gize in the enhancement of proinflammatory cytokine production by human keratinocytes. J Invest Dermatol 1998; 111(4): 645–649. 9. Harrington LE et al.: Interleukin 17-producing CD4+ effector T cells develop via a lineage distinct from the T helper type 1 and 2 lineages. Nature Immunology 2005; 6(11): 1123–1132. Quelle: Workshop «Novel antibody-based therapies for inflammatory skin diseases» am 24. Weltkongress für Dermatologie, 13. Juni 2019 in Mailand.
Impressionen vom Dermatologie-Weltkongress (WCD 2019) in Mailand
Fotos: AZA
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