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KONGRESSBERICHT
Behandlung mit TNF-Antagonisten
Sechs seltene Nebenwirkungen an Körper- und Kopfhaut
Biologika ermöglichen zum Teil fantastisch gute Behandlungsresultate, so Prof. Alexander Navarini, Dermatologie, Universitätsspital Basel. Selten kommt es zu Nebenwirkungen von TNF-Antagonisten an Körper- und Kopfhaut. Wie diese erkannt und behandelt werden können, darüber berichtete er an der gemeinsamen Fortbildung der Dermatologischen Kliniken Bern, Basel und Zürich, «Licht- und Schattenseiten dermatologischer Behandlungen».
Bei Behandlungen mit TNF-Antagonisten kann unabhängig von der Grundkrankheit eine paradoxe Psoriasis auftreten. 2 bis 5 Prozent sind davon betroffen (1), am häufigsten Patienten mit chronisch entzündlicher Darmerkrankung oder rheumatoider Arthritis. Das Spektrum der klinischen Bilder reicht von Veränderungen, die einer Plaque-Psoriasis ähneln, bis zum Bild einer pustulösen Psoriasis. Für die Pathogenese der paradoxen Psoriasis sind plasmazytoide dendritische Zellen verantwortlich, die auf die TNF-Hemmung mit plötzlicher Ausschüttung von Interferon-alpha reagieren können (1). Im Vergleich zu gewöhnlichen Psoriasis-Plaques ist Interferon-alpha in Läsionen von paradoxer Psoriasis 30-fach überexprimiert. Wenn während der Behandlung mit einem TNF-Antagonisten psoriasiforme Läsionen auftreten, gilt es, die Diagnose einer paradoxen Psoriasis mittels Biopsie und weiterer Untersuchungen zu sichern. Die Anti-TNF-Therapie kann fortgesetzt werden, während die paradoxe Psoriasis behandelt wird: L First Line mit topischen Steroiden und Keratolyse
beziehungsweise bei pustulösen Formen mit Acitretin L Second Line mit Methotrexat (bis 25 mg pro Woche). Bei gutem Ansprechen kann die Anti-TNF-Therapie weitergeführt werden. Bei schlechtem Ansprechen nach 8 bis 12 Wochen soll die Anti-TNF-Therapie gestoppt und die paradoxe Psoriasis aggressiv behandelt werden (Fototherapie, Ciclosporin).
Zwei weitere Nebenwirkungen an der Körperhaut
Hautreaktionen auf TNF-Antagonisten können klinisch den Eruptionen einer atopischen Dermatitis ähneln. Etwa 40 Prozent der dermatopathologischen Proben von Reaktionen auf TNF-Antagonisten seien Dermatitis-artig, so der Referent. Bei 0,1 bis 0,8 Prozent der Patienten kommt es zu klinisch relevanten Autoimmunreaktionen. Symptome des durch TNFAntagonisten induzierten Lupussyndroms (TAILS) können sich 1 bis 12 Monate nach Therapiestart bemerkbar machen. Die Haut ist in der Hälfte der Fälle
betroffen (makulopapulöses Exanthem, Schmetterlingserythem, Alopezie, Fotosensibilität). Arthritis kommt ebenfalls in 50 Prozent der Fälle vor. Systemische Symptome (Fieber, Malaise, Asthenie) treten bei 29 Prozent auf. Bei TAILS solle die Behandlung mit dem TNF-Antagonisten gestoppt werden, so der Referent.
Drei Nebenwirkungen an der Kopfhaut
Am Skalp manifestiert sich eine paradoxe Psoriasis
als psoriasiforme Alopezie. Diese Nebenwirkung
wurde mit Adalimumab und Infliximab beschrieben
(nicht mit Etanercept). Meistens ist die Prognose gut,
doch kann es in bis zu 20 Prozent der Fälle zur vernar-
benden, irreversiblen Alopezie kommen. Der Refe-
rent empfahl die unverzügliche Überweisung an ein
Tertiärzentrum. Durchschnittlich 10 Monate nach The-
rapiestart kann eine durch TNF-Antagonisten indu-
zierte Alopecia areata auftreten. Diese Nebenwirkung
wurde mit Adalimumab, Infliximab und Etanercept
beschrieben, wobei es sich um eine temporale Asso-
ziation handelt (kein Nachweis der Kausalität vorhan-
den). Das Ausmass der Alopezie ist sehr unterschied-
lich und reicht von einem sehr kleinen Herd bis zur
Alopecia areata universalis. Wenn der TNF-Antago-
nist gestoppt und mit topischen Steroiden behandelt
wird, erholt sich das Haarwachstum in der Regel wie-
der. Die TNF-Antagonisten Etanercept und Infliximab
können durchschnittlich 10 Monate nach Therapiebe-
ginn an der Kopfhaut einen Lichen planopilaris auslö-
sen. Es handelt sich dabei um eine entzündliche, ver-
narbende Alopezie der frontalen und parietalen
Kopfhaut. Behandelt wird mit topischen Steroiden,
wobei der TNF-Antagonist in den meisten Fällen,
über die in der Literatur berichtet wird, nicht gestoppt
wurde. Aufgrund der Vernarbung kann keine Erho-
lung des Haarwachstums erwartet werden.
L
Alfred Lienhard
Referenz: 1. Conrad C et al.: TNF blockade induces a dysregulated type I interferon response
without autoimmunity in paradoxical psoriasis. Nat Commun 2018; 9: 25.
Quelle: Vortrag «Paradoxe Effekte und Nebenwirkungen von Biologika» von Prof. Alexander Navarini an der gemeinsamen Fort- und Weiterbildung der Dermatologischen Kliniken Bern, Basel und Zürich, 23. Mai 2019, in Bern.
32 SZD 4/2019