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KONGRESSBERICHT
AAD 2019
Systemische Therapie bei Psoriasis vulgaris
Tipps zur Wahl des optimalen Biologikums
Wie in jedem Jahr gehörte die Session «What’s Hot» zu den Highlights des amerikanischen Dermatologenkongresses. Im Hinblick auf die Psoriasis versuchte Prof. Mark G. Lebwohl aus New York (USA) dem Auditorium Ratschläge zu geben, wie man bei den zahlreichen heute bestehenden Behandlungsmöglichkeiten «das richtige Biologikum» für seinen Patienten auswählen kann. Wesentliche Faktoren, die hier berücksichtigt werden sollten, sind zum einen eventuelle Komorbiditäten, zum anderen die Vorlieben der Patienten.
«Die erste Frage, die ich meinen Patienten stelle, lautet: Haben Sie Gelenkschmerzen?», so Lebwohl (1). Alle Tumornekrosefaktor-alpha-(TNF-α-)Blocker sind auch bei Psoriasis-Arthritis (PsA) wirksam und bei dieser Komorbidität eine gute Wahl. Weitere Behandlungsmöglichkeiten sind Ustekinumab, Apremilast und die IL-17-Blocker Secukinumab, Ixekizumab und Brodalumab.
Krebspatienten: Sind Biologika kontraindiziert?
Patienten mit einer Krebserkrankung haben nach Erfahrung von Lebwohl häufig Ängste, wenn es darum geht, ob sie ein Biologikum erhalten können. In einer Analyse von 49 klinischen Studien, in welche die Daten von 13 977 Patienten eingingen, wurde diese Frage im Hinblick auf eine Therapie mit dem TNF-α-Blocker Etanercept untersucht (2). Mit Ausnahme von hellem Hautkrebs und In-situ-Malignomen der Blase bestand bei Patienten mit Psoriasis oder PsA, die mit Etanercept behandelt wurden, kein erhöhtes Risiko für Krebserkrankungen. Das Lymphomrisiko war lediglich bei Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA), die mit Etanercept behandelt wurden, erhöht. Zwar zeigte sich auch bei Psoriasispatienten ein höheres Risiko, ohne dass es jedoch statistische Signifikanz erreichte. Anders sieht es allerdings beim Risiko für ein Plattenepithelkarzinom aus: Psoriasispatienten aus Ländern mit geringer Sonneneinstrahlung haben hierfür ein doppelt so hohes Risiko, Personen aus Ländern mit hoher Sonneneinstrahlung ein fast fünfmal so hohes Risiko (2). Insgesamt lässt sich schlussfolgern, dass es bei hellem Hautkrebs, Melanom und eventuell bei Lymphomen zu einem leichten Anstieg des Risikos bei Einnahme der TNF-α-Blocker kommt, bei den meisten soliden Tumoren jedoch nicht. Eine Risikoerhöhung hinsichtlich Lungenkrebs wurde lediglich bei Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung beobachtet.
Kein erhöhtes Risiko bei IL-17- und IL-23-Blockade
Nicht alle Biologika erhöhen das Risiko für eine onkologische Erkrankung. Die modernen zielgerichteten Zytokinblocker wie Hemmstoffe von IL-17 könnten nach Ausführung von Lebwohl sogar protektiv wirken, weil IL-17-vermittelte Entzündungsvorgänge Tumorwachstum und -progression in der Haut fördern. Tatsächlich geben die bisherigen klinischen Erfahrungen mit IL-17-Blockern keinen Hinweis auf die Zunahme von Malignomen. Gleiches gilt für IL-23Blocker wie Guselkumab oder Tildrakizumab. Diese positiven Sicherheitsdaten der neuen Biologika stehen im krassen Gegensatz zum Malignomrisiko von konventionellen Immunsuppressiva. Gerade die Häufigkeit von hellem Hautkrebs steigt bei Organtransplantationspatienten mit zunehmender Dauer der Immunsuppressionstherapie an (3). Eine Kohortenstudie untersuchte über einen Zeitraum von 5 Jahren das Risiko von 1252 Psoriasispatienten, die mit Ciclosporin behandelt wurden. In diesem Zeitraum hatten die Studienteilnehmer ein 6-fach erhöhtes Risiko, an Hautkrebs zu erkranken – andere Malignome nahmen jedoch nicht zu (4). Bei RA-Patienten war die Therapie mit Methotrexat mit einem um 50 Prozent erhöhten Malignitätsrisiko und einem 3-fach erhöhten Risiko sowohl für Melanome als auch für Lungenkrebs verbunden (5). Auf der anderen Seite gibt es Psoriasismedikamente, die sogar vor Hautkrebs schützen: So scheinen Acitretin und Retinoide Hautkrebs vorzubeugen (6). «Wenn ich einen Patienten mit einem Plattenepithelkarzinom in der Vorgeschichte habe, gebe ich Acitretin. Leider hat dieser Wirkstoff nur eine bescheidene antipsoriatische Aktivität», so Lebwohl. Insgesamt aber ist es sinnvoll, die Begleiterkrankungen bei der Therapieauswahl zu berücksichtigen, da sich die verschiedenen systemischen Medikamente im Einfluss auf die Komorbiditäten unterscheiden (siehe Tabelle).
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KONGRESSBERICHT
AAD 2019
IL-23-Blocker: Patientenfreundliche lange Injektionsintervalle
Neben der Komorbidität müssen auch Vorlieben der Patienten berücksichtigt werden, um den Therapieerfolg nicht zu gefährden. «Patienten, die sich nicht einfach alle 1 bis 2 Wochen selbst injizieren können, benötigen entweder eine Tablette oder ein Medikament, das selten injiziert werden muss», empfahl Lebwohl in seinem Vortrag über «Psoriasis-Perlen» (7). IL-23-Antikörper wie Guselkumab, Tildrakizumab oder Risankizumab müssen nur alle 8 bis 12 Wochen verabreicht werden. Trotz dieser langen Intervalle erreichten in der VOYAGE-1-Studie über 80 Prozent der Patienten in Woche 156 mit Guselkumab eine Verbesserung des PASI (Psoriasis Area and Severity Index) um 90 Prozent. Auch die Therapiemöglichkeiten von Jugendlichen mit mittelschwerer bis schwerer Psoriasis haben sich deutlich verbessert. Denn Jugendliche (> 12 Jahre) können seit 2017 auch in der Schweiz mit dem IL-12/23-Blocker Ustekinumab behandelt werden. Diese Zulassung basierte auf der Phase-III-Studie CADMUS, die zeigte, dass mindestens zwei Drittel der Patienten im Alter von 12 bis 17 Jahren, die mit Ustekinumab behandelt wurden, in Woche 12 abgeheilte oder fast abgeheilte Hautläsionen nach der Arzteinschätzung erreichten (8). Das Sicherheitsprofil war in dieser Studie ähnlich, wie es bei Studien mit erwachsenen Patienten mit Plaquepsoriasis beobachtet wurde.
IL-17-Blocker: Auch bei Überdosierung relativ sicher
Bis heute sind mehr als 100 Fälle einer meist unbeabsichtigten Überdosierung von Secukinumab doku-
Tabelle:
Auswahl von Biologika gemäss der Komorbidität des Patienten
Medikament
Etanercept Adalimumab Infliximab Certolizumab Ustekinumab Secukinumab Ixekizumab Brodalumab Guselkumab Tildrakizumab Risankizumab Mirikizumab Apremilast Methotrexat Ciclosporin Acitretin
Einfluss auf PsA
+ + + + + + + + ? ? ? ? + + +/– +/–
Übergewicht
+ + + + + + + + + + + + + x + +
kardiale Erkrankungen
+ + + + + ? ? ? ? ? ? ? ? + ?/– ?/–
Malignome
– – – – +/– +/– +/– +/– +/– +/– +/– +/– +/– – + +
mentiert. «In den meisten Fällen sehen wir keine unerwünschten Ereignisse», sagte Lebwohl. Im Falle einer Überdosierung wird empfohlen, den Patienten auf Anzeichen möglicher Nebenwirkungen hin zu kontrollieren, um gegebenenfalls sofort eine symptomatische Behandlung einleiten zu können. Auch in den Fällen, in denen die Dosis absichtlich erhöht wurde, um ein besseres Ansprechen zu erzielen, wurden keine unerwünschten Effekte beobachtet. IL-17A spielt eine wichtige Rolle bei der natürlichen Abwehr von Infektionen, insbesondere von Pilzinfektionen. Entsprechend sind Candidainfektionen typische unerwünschte Begleiterscheinungen bei der Therapie mit IL-17-Blockern. Gemäss den bisher publizierten klinischen Studien wurden Candidainfektionen bei 4,0 Prozent der mit Brodalumab behandelten Patienten, bei 2,1 Prozent der mit Secukinumab und bei 3,3 Prozent der mit Ixekizumab behandelten Patienten beobachtet, verglichen mit 0,3 Prozent, 2,3 Prozent und 0,8 Prozent der Patienten, die ein Plazebo oder eine aktive Vergleichssubstanz erhielten (9). Laut Lebwohl sollten Patienten, die mit diesen Wirkstoffen behandelt werden, auf Candidainfektionen hin überwacht werden. Die meisten dieser Infektionen verlaufen mild bis mittelschwer. Seine «Perle» für das Management von Candidainfektionen ist orales Fluconazol in einer Einzeldosis von 150 mg. Laut bisherigen Untersuchungen besteht weder bei IL-17- noch bei IL-23Blockern das Risiko einer Tuberkulosereaktivierung – im Gegensatz zu den TNF-α-Blockern.
Effiziente Juckreizlinderung durch Neurokinin-Rezeptor-Antagonist
Obwohl viele Ärzte Psoriasis nicht mit Juckreiz asso-
ziieren, geben zahlreiche Patienten an, dies sei das
Symptom, das sie am stärksten belaste. Eine am AAD
vorgestellte Studie zeigte, dass der Neurokinin-1
(NK-1-)Rezeptor-Antagonist Serlopitant Juckreiz bei
Psoriasispatienten zuverlässig lindert (10). Alle Studi-
enteilnehmer gaben zu Studienbeginn an, unter
Juckreiz schlimmster Ausprägung zu leiden. Primärer
Studienendpunkt war eine Verbesserung des Juckrei-
zes um mindestens 4 Punkte nach 8 Wochen: Diesen
Endpunkt erreichten 33,3 Prozent der Patienten, die
mit Serlopitant behandelt wurden, im Vergleich zu
21,1 Prozent in der Plazebogruppe (p = 0,028). Nach
diesem positiven Ergebnis ist jetzt eine Phase-III-Stu-
die geplant. In früheren Untersuchungen hatte sich
der NK-1-Rezeptor-Antagonist bereits bei Patienten
mit chronischem Pruritus und Prurigo nodularis als
wirksam erwiesen.
L
Susanne Kammerer
Referenzen unter www.rosenfluh.ch
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KONGRESSBERICHT
Referenzen: 1. Lebwohl M. Vortrag «Biologics and Psoriasis: The Beat Goes On», Session S057,
AAD annual Meeting, March 1–5 2019, Washington DC, USA. 2. Gottlieb AB et al. Clinical trial safety and mortality analyses in patients receiving
etanercept across approved indications. J Drugs Dermatol 2011; 10: 289–300. 3. Berg D, Otley CC. Skin cancer in organ transplant recipients: Epidemiology, patho-
genesis, and management. J Am Acad Dermatol 2002: 47: 1–17. 4. Paul CF et al. Risk of malignancies in psoriasis patients treated with cyclosporine:
a 5 y cohort study. J Invest Dermatol 2003: 120: 211–216. 5. Buchbinder R et al. Incidence of melanoma and other malignancies among rheu-
matoid arthritis patients treated with methotrexate.Arthritis & Rheumatism 2008; 59: 794–799. 6. Bettoli V et al. Retinoids in the chemoprevention of non-melanoma skin cancers: why, when and how. J Dermatolog Treat 2013: 24: 235–237. 7. Lebwohl M. Vortrag «Psoriasis Pearls», Session S065, AAD annual meeting, March 1–5 2019, Washington DC, USA. 8. Landells I et al. Ustekinumab in adolescent patients age 12 to 17 years with moderate-to-severe plaque psoriasis: results of the randomized phase 3 CADMUS study. J Am Acad Dermatol 2015; 73594–73603. 9. Saunte DM et al.Candida infections in patients with psoriasis and psoriatic arthritis treated with interleukin-17 inhibitors and their practical management. Br J Dermatol 2017; 177: 47–62. 10. Spellman M. Vortrag «Serlopitant Reduced Pruritus Associated with Psoriasis in Phase 2 Randomized, Double-blind, Placebo-controlled Clinical Trial», Session S034, AAD Annual Meeting. Washington DC, March 1–5, 2019.
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