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KONGRESSBERICHT
AAD 2019
Studienreigen beim amerikanischen Dermatologenkongress 2019
Mit über 18 000 Teilnehmern fand das Jahrestreffen der American Academy of Dermatology (AAD) in Washington statt. Nachfolgend eine Auswahl von besonders interessanten neuen Studienergebnissen.
SZD 3/2019
Osteoporoserisiko bei Pemphigus
Patienten, die an Pemphigus oder bullösem Pemphigoid leiden, haben häufig auch diverse Begleiterkrankungen (1). Darüber hinaus besteht für diese Patienten auch ein Risiko für geringere Knochendichte, was mit Faktoren wie Langzeit-Steroid-Medikation, Entzündungen und Vitamin-D-Mangel in Zusammenhang gebracht wird. Dr. Raj Chovatiya aus Chicago (Illinois/ USA) und Kollegen untersuchten in ihrer aktuellen Studie, ob eine Assoziation zwischen dem Risiko für Osteoporose und pathologischen Frakturen bei bestehender Diagnose von Pemphigus oder bullösem Pemphigoid besteht und ob es Prädiktoren für das Auftreten von Frakturen gibt. Sie analysierten Daten von über 198 Millionen Menschen jeden Alters, die zwischen 2006 und 2012 in Notaufnahmen der gesamten Vereinigten Staaten behandelt wurden. Unter ihnen befanden sich 4502 Patienten mit Pemphigus und 8863 mit bullösem Pemphigoid. Sie entdeckten bei Pemphiguspatienten ein signifikant erhöhtes Risiko für Osteoporose und pathologische Frakturen. Dies bestand auch nach Adjustierung für andere mögliche Risikofaktoren wie Geschlecht, Alter, Einkommen, positive Anamnese für Langzeitsteroide und Versicherungsstatus. Im Einzelnen ermittelten die Forscher einen Anstieg des relativen Risikos auf 2,54 für Osteoporose, auf 2,2 für Osteopenie, auf 2,04 für pathologische Frakturen allgemein und auf 1,46 speziell für pathologische Femur- oder Wirbelfrakturen. Die Odds Ratio für Osteomalazie betrug sogar 29,7. Bei Patienten mit bullösem Pemphigoid waren die relativen Risiken für pathologische Frakturen und Osteoporose ebenfalls deutlich gesteigert (1,52 bzw. 1,55). Die langfristige Einnahme von Kortiokosteroiden führte zu einer weiteren Risikozunahme. Als signifikante Prädiktoren für Frakturen konnten darüber hinaus das weibliche Geschlecht und eine zunehmende Anzahl chronischer Erkrankungen identifiziert werden. Patienten mit Frakturen, bei denen die Diagnose Pemphigus oder bullöses Pemphigoid bestand, wurden häufiger stationär aufgenommen, und die Gesamtkosten der Frakturversorgung dieser Patienten waren signifikant grösser. Insgesamt sahen die Studienautoren aufgrund ihrer Ergebnisse einen möglichen Vorteil in der Durchführung von Massnahmen zur Fraktur-
prävention und im Osteoporosescreening bei Patienten mit Pemphigus oder bullösem Pemphigoid.
Keloidpatienten häufiger krebskrank
Nach Verletzungen der Dermis können bei anomaler Wundheilung Keloide auftreten. Sie zeichnen sich durch benigne, fibröse Gewebevermehrungen aus, die die ursprünglichen Wundränder überschreiten. Der häufige Beginn einer malignen Zellproliferation in einer fibrotischen Mikroumgebung regte die vorgestellte Untersuchung auf eine mögliche Assoziation zwischen der Ausbildung von Keloiden und dem Auftreten von Malignomen an. Dabei bildete das Auftreten von Hautkrebs einen besonderen Schwerpunkt der landesweiten taiwanesischen Kohortenstudie (2). 17 401 Erwachsene mit Keloiden wurden nach Alter und Geschlecht zu 69 604 Kontrollprobanden gematcht. Innerhalb der Keloidgruppe wurden in den Studienjahren 1998 bis 2010 insgesamt 893 Fälle von Krebserkrankungen neu diagnostiziert. Daraus ergab sich ein um 50 Prozent erhöhtes Krebsrisiko für die Studienpopulation mit überschiessender Narbenbildung. War ein Keloid vorhanden, betrug das relative Risiko (RR) für Hautkrebs 1,73. Dieses Risiko war für die Männer sogar um mehr als das Doppelte erhöht (RR: 2,16). Demgegenüber nahm bei den Frauen das Risiko für Pankreaskarzinome besonders stark zu; selbst nach Adjustierung für bekannte Risikofaktoren wie Leberzirrhose, Diabetes mellitus und chronische Pankreatitis hatten Frauen mit Keloiden immer noch ein mehr als doppelt so hohes Risiko (RR: 2,19). Aufgrund dieser Studienresultate schlugen die Untersucher präventive Massnahmen für Keloidpatienten vor: ein regelmässiges Hautkrebsscreening für Männer und Frauen und zusätzlich eine abdominelle Ultraschalldiagnostik für Frauen.
Bei Patienten mit Hyperhidrose auf Depressionen achten
Hyperhidrose kann die Lebensqualität stark einschränken. Der Dermatologin Dr. Dee Anna Glaser aus St. Louis (Missouri/USA) fiel bei ihren Patienten mit Hyperhidrose auf, dass sehr viele von ihnen angaben, unter Ängsten oder Depressionen zu leiden,
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weil sie das Gefühl hatten, das Schwitzen ruiniere ihr Leben (3). Dies gab den Ausschlag für eine Studie zur Prävalenz von Angst, Depression und Aufmerksamkeitsdefizitstörung (ADS) bei Patienten mit primärer Hyperhidrose. Von 500 Patienten mit der Erstdiagnose Hyperhidrose zwischen 2011 und 2018 wurden Daten wie Alter bei Erstdiagnose, Geschlecht, Lokalisation der Hyperhidrose und Schweregrad auf der Hyperhidrosis Disease Severity Scale erfasst. Die Kenntnis über das Vorliegen einer der psychischen Erkrankungen beruhte auf entsprechenden Informationen aus Eigenangaben im Patientenbogen, klinischer Dokumentation, ICD-9-Code oder vorbestehender medikamentöser ADS-Therapie. In der Tat litten 13,8 Prozent der Studienpopulation an einer Angststörung, 12,4 Prozent an einer Depression und 6,4 Prozent an ADS. Diese Prävalenzen lagen alle signifikant über denen der Normalbevölkerung. «Aufgrund dessen, was ich in meiner Sprechstunde höre, hat mich das nicht überrascht», sagte Glaser. Sie zeigte sich allerdings doch erstaunt über das Ausmass der Prävalenz. Ein Zusammenhang zwischen der Schwere beziehungsweise Lokalisation der Hyperhidrose und der Prävalenz von Angst, Depression oder ADS bestand nicht. Allerdings korrelierte die Anzahl der von Hyperhidrose betroffenen Stellen mit einer psychischen Komorbidität. Die Ursache des Zusammenhangs zwischen Hyperhidrose und psychischer Gesundheit konnte durch die Studie noch nicht geklärt werden. Hier sieht Glaser weiteren Forschungsbedarf. Ihr Rat für die Praxis: «Ärzte sollten ihre Patienten mit Hyperhidrose proaktiv fragen, ob sie unter Symptomen von Angst, Depression oder ADS leiden.»
Vorbehandlung mit Fraxel-Laser bessert Effizienz der photodynamischen Therapie
Eine Studie aus Taiwan zeigte, dass besonders hyperkeratotische aktinische Keratosen von einer Vorbehandlung mit einem ablativen Fraxel-Laser in hoher Dichte profitieren (4). Die photodynamische Therapie (PDT) ist eine etablierte Behandlung von aktinischen Keratosen. Dabei wird zunächst eine lokal fotosensibilisierende Substanz wie etwa Methyl-Aminolävulinat (MAL) aufgetragen, die sich vor allem in maligne transformiertem Gewebe anreichert. Die anschliessende Lichtbestrahlung führt zur Bildung reaktiver Sauerstoffradikale, welche die entarteten Zellen abtöten. Allerdings kommt es gerade bei ausgeprägten aktinischen Keratosen praktisch immer zu einem Rezidiv. Insofern wurde untersucht, inwieweit sich die Effizienz der Methode steigern lässt. In einer früheren Studie der Autorin konnte sie zeigen, dass sich die Wirkstärke durch eine Vorbehandlung des Hautareals mit einem ablativen Fraxel-Laser
steigern lässt, vermutlich weil so MAL durch die vom Laser geschaffenen mikroskopischen Ablationszonen in tiefere Hautschichten eindringen kann. Diese Ablationszonen sind in erster Linie abhängig von der Laserdichte, zudem von der Tiefe sowie dem Ausmass der Koagulation. In der aktuellen Studie ging Dr. Yeo-Rye Cho aus Busan (Südkorea) der Frage nach, wie sich eine unterschiedliche Kanaldichte der Laservortherapie auswirkt. 47 koreanische Patienten mit insgesamt 312 AK-Läsionen wurden in die Studie aufgenommen und mit einer 5,5-prozentigen, 11-prozentigen oder 22-prozentigen Dichte des Fraxel-Laser-Kanals vorbehandelt. Im Anschluss wurde die photodynamische Therapie durchgeführt. Der Erfolg der Behandlung wurde anhand der Regression der AK-Läsionen beurteilt, zusätzlich wurden auch das kosmetische Ergebnis, Nebenwirkungen sowie die Umwandlung von MAL in Protoporphyrin IX bestimmt.
Unterschied beruht nicht auf einer erhöhten MAL-Aufnahme
Bezüglich der Protoporphyrinumwandlung bestand
kein Unterschied zwischen den Gruppen. «Offen-
sichtlich reicht bereits die 5,5-prozentige Laserkanal-
dichte aus, um eine maximale Arzneimittelpenetra-
tion zu erreichen», so Cho. Allerdings gab es bei der
Ansprechrate nach 3 Monaten, besonders aber nach
12 Monaten, deutliche Unterschiede: Nach 1 Jahr
zeigten 60,9 Prozent der Patienten in der 5,5-Prozent-
Gruppe, verglichen mit 74,0 Prozent in der 11,0-Pro-
zent-Gruppe und 81,1 Prozent in der 22,0-Prozent-
Gruppe, eine vollständige Remission (p = 0,003). Am
meisten profitierten Patienten mit Olsen-Grad-III-
Läsionen, also solche mit besonders dicken AK-Ver-
änderungen: Nach 12 Monaten zeigten 38,2 Prozent in
der 5,5-Prozent-Gruppe, verglichen mit 57,1 Prozent
in der 11,0-Prozent- und 68,8 Prozent in der 22-Pro-
zent-Gruppe, ein vollständiges Ansprechen (p = 0,043).
«Patienten mit hyperkeratotischen Läsionen scheinen
am meisten von einer möglichst dichten Laserthera-
pie von 22,0 Prozent zu profitieren, da der Debulking-
effekt hier entsprechend ausgeprägter ist», so das
Fazit von Cho. Solche Patienten sollten auf alle Fälle
auf diese Weise vorbehandelt werden.
L
Susanne Kammerer
Referenzen: 1. Chovatiya R et al.: Association of Pemphigus and Bullous Pemphigoid with Osteo-
porosis and Pathological Fractures. AAD 2019, ePoster Nr. 8514. 2. Hong KCH: Cancer Risk in Patients with Keloids: A nationwide population-based
cohort study. AAD 2019, Session F055. 3. Glaser E et al.: Prevalence of Anxiety, Depression and Attention Deficit Disorder
(ADD) in Patients with Primary Hyperhidrosis. AAD 2019, ePoster Nr. 8424. 4. Cho Y-R.: Comparison of the Efficacy of Ablative Fractional Laser-assisted Photo-
dynamic Therapy according to the Density of Ablative Laser Channel in the Treatment of Actinic Keratosis. AAD 2019, Abstract 11263.
Quelle: Präsentationen beim AAD Annual Meeting, 1. bis 5. März 2019 in Washington DC/USA.
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