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KONGRESSBERICHT
EADV
© Philo Nordlund (Seattle/USA)
Risiken von Tattoos
EADV-Experten fordern bessere Sicherheitsstandards für Tätowiertinten
Zwei von drei Tätowierten berichten nach dem Stechen ihres Tattoos über Nebenwirkungen. Nach Einschätzung von Experten der European Academy for Dermatology and Venereology (EADV) bieten auch die aktualisierten Regelungen der European Chemical Agency (ECHA) keine ausreichende Sicherheit. Die EADV fordert daher, dass Tätowiertinten ordnungsgemäss geprüft werden und mindestens die gleichen Sicherheitsstandards wie kosmetische Produkte erfüllen sollten.
immer noch Risiken bestehen. Sorgen bereiten vor allem die Qualität und Sterilität der Tätowiertinten, die nicht grundsätzlich kontrolliert werden. In einer dänischen Studie, in der insgesamt 58 neue Tinten geprüft wurden, war jede 10. Tinte bakteriell kontaminiert; nachgewiesen wurden etwa Staphylokokken, Streptokokken, Pseudomonas, Enterokokken und Kolibakterien (3). Solche kontaminierten Tinten könnten vor allem bei Risikopatienten mit eingeschränkter Immunfunktion zu Infektionen führen, gab EADV-Vorstandsmitglied Dr. Christa De Cuyper aus Brügge (Belgien) auf der Pressekonferenz anlässlich des Jahreskongresses der EADV zu bedenken.
Tattoos erfreuen sich heutzutage einer enormen Beliebtheit in westlichen Ländern. In Australien, Finnland, Frankreich und Deutschland hat ungefähr 10 Prozent der Bevölkerung mindestens ein Tattoo (1). Vor allem bei der jungen Generation ist der Tattoo-Boom ungebrochen – hier hat bereits jeder Dritte bis Vierte ein Tattoo. Leider bieten die europäischen Vorschriften bezüglich der Zusammensetzung und der Inhaltsstoffe von Tätowiertinten immer noch nicht ausreichende Sicherheit. Zu den möglichen Risiken zählen bakterielle Kontamination, Allergien und Toxizitäten; auch eine Sonnenempfindlichkeit wird häufig beobachtet. Insgesamt berichten zwei von drei tätowierten Personen über Nebenwirkungen nach dem Stechen des Tattoos. Trotz fehlender Daten aus epidemiologischen Studien, sollte auch die Möglichkeit eines erhöhten Krebsrisikos nicht ausser Acht gelassen werden. Obwohl das Council of Europe mit der Resolution ResAP 2008 Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften mit einem Schwerpunkt auf Hygienerichtlinien und Infektionsprävention eingeführt hat (2), bleiben
Tätowiertinten immer noch nicht sicher und verträglich genug
Während die Regelungen bezüglich der Hygienestandards mittlerweile verbessert wurden, bestehen weiterhin Risiken bezüglich des Allergiepotenzials und der Toxizität der Tätowiertinten. Hier sind die in der Resolution ResAP 2008 festgeschriebenen Voraussetzungen und Einschränkungen bezüglich der Zusammensetzung von Tätowiertinten nicht ausreichend, so De Cuyper. Diese Tinten enthalten Pigmente und Farbstoffe, Additiva und sogar Spuren von Schwermetallen, ebenso wie potenziell gefährliche Verunreinigungen aus dem Herstellungsprozess. Die Tattoofarben können karzinogene aromatische Amine und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe freisetzen. In vielen Fällen sind die Inhaltsstoffe nicht einmal klar gekennzeichnet, denn der Markt dieser Tinten wird nur unzureichend kontrolliert. Einige der in Tätowiertinten enthaltenen Pigmente sind denn auch nicht in der Liste des Scientific Committee for Consumer Products (SCCP) aufgeführt, einem Beratungsausschuss der Europäischen Kommission, und daher in der Europäischen Union auch nicht zur Verwendung in kosmetischen Produkten erlaubt. Darüber hinaus können auch illegal hergestellte Pro-
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dukte und Produktfälschungen leicht über das Internet bezogen werden. Auf die Forderung der Europäischen Union hin will nun die European Chemical Agency (ECHA) die Zusammensetzung von Tätowiertinten verbessern. «Leider reichen die Vorschläge der ECHA immer noch nicht aus, um sichere Tinten ohne jegliche Risiken für Toxizität und Karzinogenität zu gewährleisten», bemängelte allerdings De Cuyper: «Um kanzerogene Substanzen zu eliminieren und Langzeittoxizitäten zu unterbinden, sind strenge Richtlinien und klare Höchstwerte zur Sicherheit für die eingesetzten Substanzen notwendig, mit geeigneten Analysemethoden, um die Umsetzung auch kontrollieren zu können; doch die Vorschläge der ECHA bieten keine adäquaten Lösungen, um diese Anforderungen zu erfüllen.»
Bessere Kontrollen gefordert
Als mögliche Lösung schlug De Cuyper eine Positivliste für sichere Produkte vor. Um hier gelistet zu werden, sollten die Tinten auf mögliche Toxizität, Fototoxizität, Migrationsverhalten der Inhaltsstoffe,
Karzinogenität und mögliche metabolische Umwand-
lungen geprüft werden. «Tätowiertinten sollten min-
destens die gleichen Sicherheitsstandards wie kosme-
tische Produkte erfüllen», so ihre Forderung. Noch
besser wäre es allerdings, wenn sie so sicher wie
Pharmazeutika wären, denn schliesslich werden sie
unter die Haut, also in den Körper, gespritzt. Dass
Inhaltsstoffe der Tinten tatsächlich systemisch aufge-
nommen werden, dafür gebe es heute ausreichend
wissenschaftliche Evidenz. So finden sich beispiels-
weise die Farbstoffe auch in den lokalen Lymphkno-
ten. In Laborversuchen lassen sich die Inhaltsstoffe
auch in den Lebern von tätowierten Versuchsmäusen
nachweisen.
Deshalb fordern sowohl die EADV als auch die Euro-
pean Society on Tattoo and Pigment Research (ESTP)
eine bessere Kontrolle der Tätowiertinten.
L
Adela Žatecky
Referenzen: 1. Kluger N: Epidemiology of tattoos in industrialized countries. Curr Probl Dermato
2015; 48: 6–20. 2. Resolution ResAP(2008)1 on requirements and criteria for the safety of tattoos and
permanent make-up. https://search.coe.int/cm/Pages/result_details.aspx?ObjectId= 09000016805d3dc4 3. Hoegsberg T et al.: Microbial status and product labelling of 58 original tattoo inks. J Eur Acad Dermatol Venerol 2013; 27(1): 73–80.
Quelle: Pressekonferenz beim 27. Kongress der European Academy of Dermatology and Venereology (EADV), 12. bis 16. September 2018 in Paris.
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