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KONGRESSBERICHT
FOBI 2018
Therapie der atopischen Dermatitis
App- und webbasierte digitale Helfer
Auch Patienten mit atopischer Dermatitis können jetzt von Smartphone-Apps und vom Internet profitieren. Für Ärzte lohnt es sich, die aktualisierten europäischen Therapierichtlinien kostenlos aus dem Internet herunterzuladen und zu studieren. Darüber sprach Prof. Andreas Wollenberg aus München (D), im Rahmen der 26. Fortbildungswoche für praktische Dermatologie und Venerologie an einem von Leo Pharma unterstützten Mittagsseminar.
Auf vielen, meistens gesponserten Internetseiten stehen für Betroffene webbasierte Informationen zur Erkrankung und zur Therapie zur Verfügung. Das Internet kann auch für das Networking mit anderen Betroffenen und für ärztliche Terminvereinbarungen genutzt werden. Auf dem Smartphone können Apps wie «Eczema Tracker» (mit Informationen auf Englisch) installiert werden. Memo-Apps können die Patienten an die Therapie erinnern und die Compliance verbessern. Es sei gut vorstellbar, dass das eine oder andere Kind besser auf sein Smartphone als auf die Mutter höre, so der Referent.
Schweregrad des Ekzems selbst bestimmen
Ein gutes appbasiertes Hilfsmittel mit klarem klinischem Nutzen ist PO-SCORAD (Patient OrientedSCORing Atopic Dermatitis). Mit dieser einfachen, intuitiven App, die in vielen Sprachen zur Verfügung steht, können betroffene Patienten den Schweregrad des Ekzems selbst bestimmen und die wöchentliche Berechnung unkompliziert dem Arzt übermitteln. Einzutragen sind die befallene Hautfläche, die Stärke (0 bis 3) von 6 Symptomen (trockene Haut, Rötung, Schwellung, Nässen/Krustenbildung, Kratzwunden, Hautverdickung) und die Intensität der beiden subjektiven Symptome Juckreiz und Schlafstörungen (visuelle Analogskala 0–10). Aus den Angaben berechnet die App den PO-SCORAD. SCORAD ist das von der ETFAD (European Task Force on Atopic Dermatitis) empfohlene Instrument zur Messung des Gesamtschweregrads der atopischen Dermatitis. SCORAD unter 25 bedeutet leichte, von 25 bis 50 moderate, über 50 schwere atopische Dermatitis (1). Die Schweregradbestimmung werde in Zukunft noch mehr an Bedeutung gewinnen, wenn die dokumentierte Schweregradkinetik für bestimmte Therapieformen erforderlich werde, sagte der Referent.
Europäische Therapierichtlinien 2018
Die meisten Patienten verwenden zur Basishautpflege zu wenig Emollienzien. Für Erwachsene sei pro Monat mindestens 1 kg Emollienzien nötig (pro Woche 250 g, pro Tag 35 g), sagte Wollenberg. Während herkömmliche Emollienzien nur aus Vehikel
ohne aktive Substanzen bestehen, enthalten immer
mehr neue Präparate, die in den aktuellen Therapie-
richtlinien des European Dermatology Forum (EDF)
als «Emollienzien plus» bezeichnet werden, aber
nicht als topische Medikamente gelten, neben Vehi-
kel noch aktive Zusätze (z.B. bakterielle Lysate) (1).
Zur topischen entzündungshemmenden Therapie
werden in der akuten Phase in gewöhnlichen Haut-
arealen Kortikosteroide der Klasse II empfohlen.
Kurzfristig kann zur intensivierten Schubtherapie ein
Steroid der Klasse III eingesetzt werden (1). Calcineu-
rininhibitoren sind besonders in sensitiven Hautarea-
len indiziert (z.B. Gesicht, intertriginöse Areale, ano-
genital). Pimecrolimus-Creme wird besonders bei
Kindern und bei Behandlungen im Gesicht empfoh-
len. Zur Langzeitanwendung eignet sich Tacrolimus-
Salbe. Die proaktive Therapie wird weiterhin zur
langfristigen, niedrig dosierten, intermittierenden,
minimalen Entzündungshemmung ausdrücklich
empfohlen. Damit wird die basale Entzündung, die
bei atopischer Dermatitis in der nicht läsionalen Haut
vorhanden ist, unterhalb der Sichtbarkeitsschwelle
gehalten.
Die proaktive Therapie mit topischen Kortiko-
steroiden (z.B. zweimal pro Woche) kann Rückfälle
reduzieren – das belegen Studien mit einer Beobach-
tungsdauer von bis zu 20 Wochen. Mit Tacrolimus-
Salbe wurde die proaktive Therapie in Studien bei
Kindern und Erwachsenen über Zeiträume bis zu
einem Jahr sicher durchgeführt, wobei die Schub-
häufigkeit abnahm (1).
Manche Eltern glaubten fälschlicherweise, dass Imp-
fungen bei Neurodermitis kontraindiziert seien, so
der Referent. Richtig ist jedoch, dass alle Kinder mit
atopischer Dermatitis gemäss dem schweizerischen
Impfplan geimpft werden sollen. Bei einem akuten
Schub sollte mit dem Impfen zugewartet werden, bis
eine zweiwöchige topische Kortikosteroidbehand-
lung durchgeführt wurde (1).
L
Alfred Lienhard
Referenz: 1. Wollenberg A et al.: Consensus-based European guidelines for treatment of atopic
eczema (atopic dermatitis) in adults and children: part I. J Eur Acad Dermatol Venereol 2018; 32: 657–682.
SZD 1/2019
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