Transkript
EADV
Psoriasis vulgaris
Auf dem Weg zur kompletten Abheilung der Effloreszenzen
Das vermehrte Verständnis der Psoriasispathogenese hat in den letzten Jahren zur Entwicklung neuer Therapieoptionen geführt. Interleukin-23 (IL-23) spielt dabei eine zentrale Rolle. Daher lässt sich durch eine Hemmung von IL-23 eine anhaltende und bei vielen Patienten auch vollständige Kontrolle der Psoriasis erzielen. Das wurde in mehreren auf dem EADV vorgestellten Studien deutlich.
«Die Welt der Psoriasistherapie explodiert gerade», konstatierte Professor Kristian Reich aus Hamburg (D). Die erste Revolution im Management der Psoriasis begann bereits mit den Anti-TNF-Therapien. Eine zweite Revolution kam mit den gegen bestimmte Interleukine gerichteten monoklonalen Antikörpern, als deren erster Vertreter, das gegen IL-12 und IL-23 gerichtete Ustekinumab, auf den Markt kam. Solche neuen Therapien erhöhen die Erwartungen und werfen neue Fragen auf, betonte Reich. So wurden insbesondere die Therapieziele innerhalb weniger Jahre den neuen Möglichkeiten angepasst. Die eingehende Erforschung der immunologischen Mechanismen machte die zentrale Bedeutung der TH17-Zelle in der
100 UltIMMa-Studien: PASI 90 in Woche 16
■ Risankizumab ■ Plazebo
80 75*,3
74*,8
60
40
20
4,9
0 UltIMMa-1
n = 304 *p < 0,001 102 2,0 UltIMMa-2 294 98 Quelle: Gordon KB et al. (4) Pathogenese der Psoriasis deutlich, berichtete Prof. Lars Iversen aus Aarhus (DK). So gilt die TH17-Zelle inzwischen als die wesentliche proinflammatorische Zelle der Entzündungsreaktion bei Psoriasis. Unter dem Einfluss von IL-23 entwickeln sich die TH17-Zellen zu pathogenen, aktivierten Entzündungszellen, die wiederum hohe Spiegel an inflammatorischen Zytokinen wie IL-17, IL-22, IFN-gamma und TNF produzieren. Bei Abwesenheit von IL-23 differenzieren sich die TH17-Zellen weiter aus in nicht pathogene, wirtsprotektive Immunzellen, die IL-17 und IL-10 zum Schutz der Hautund Schleimhautbarriere sowie zum Gewebeschutz bilden. Das wichtigste regulatorische Zytokin, das herunterreguliert werden sollte, ist demnach IL-23. Dagegen scheint es sinnvoll zu sein, die Funktion von IL-12 unbeeinträchtigt zu lassen, da IL-12 offenbar antiinflammatorische Eigenschaften besitzt. IL-12 und IL-23 haben die Proteinuntereinheit p40 gemeinsam. Antikörper, die gegen p40 gerichtet sind – wie beispielsweise Ustekinumab – hemmen somit beide Interleukine. Es werden also nicht nur die proinflammatorischen Effekte des IL-23, sondern auch die antiinflammatorischen Effekte von IL-12 gehemmt. Eine selektive Hemmung von IL-23 ist durch eine Hemmung der p19-Untereinheit möglich, erläuterte Iversen weiter – und auch hierfür stehen mittlerweile Antikörper zur Verfügung. Sehr hohe Heilungsraten mit selektiver IL-23-Hemmung Zu den IL-23-selektiven monoklonalen Antikörpern gehören Guselkumab, Tildrakuzumab und Risankizumab. Die vorliegenden klinischen Daten fasste Reich zusammen: Es werden sehr hohe Heilungsraten erreicht – so erreichten beispielsweise in der Studie VOYAGE 1 nach 48 Wochen 76,3 Prozent der mit Guselkumab Behandelten einen PASI 90 und 47,4 Prozent sogar einen PASI 100 (1). Ein weiterer beobachteter Effekt, der in VOYAGE 2 deutlich wurde: Nach Absetzen von Guselkumab blieb der Therapieeffekt deutlich länger bestehen, als man es allein aufgrund der Pharmakologie erwartet hätte (2). Auch bei Tildrakizumab wurde eine lang anhaltende Therapieantwort beobachtet, die ebenfalls nach dem Absetzen der Therapie erhalten blieb (3), so Reich weiter: «Das ist ein gemeinsames Element, das wir bei den IL-23Inhibitoren beobachten.» Anteil Patienten in Prozent 26 CongressSelection Dermatologie | Februar 2019 EADV Der Antikörper Risankizumab wurde unter anderem in den Studien UltIMMa-1 und UltIMMa-2 geprüft, deren Ergebnisse von Professor Hervé Bachelez aus Paris (F) präsentiert wurden. Nach 16 Wochen erreichten 75,3 Prozent in UltIMMa-1 und 74,8 Prozent in UltIMMa-2 einen PASI 90 (4). Beeindruckend war das rasche Ansprechen – so war in Woche 16 eine PASI-Verbesserung um durchschnittlich 92 Prozent gegenüber dem Ausgangsbefund zu verzeichnen. In UltIMMa-1 hatten nach 52 Wochen 82 Prozent einen PASI 90 und 58 Prozent einen PASI 100 erreicht (4). Diese klinischen Verbesserungen gingen auch mit statistisch signifikanten Vorteilen bezüglich der Lebensqualität (im DLQI) gegenüber Plazebo wie auch gegenüber der aktiven Kontrolltherapie mit Ustekinumab einher (5). L Adela Žatecky Quelle: Satellitensymposium «Is complete skin clearance in psoriasis the answer?» (Sponsor: Abbvie) beim 27. Kongress der European Academy of Dermatology and Venereology (EADV), 14. September 2018 in Paris. Referenzen: 1. Blauvelt A et al.: Efficacy and safety of guselkumab, an anti- interleukin-23 monoclonal antibody, compared with adalimumab for the continuous treatment of patients with moderate to severe psoriasis: Results from the phase III, double-blinded, placebo- and active comparator–controlled VOYAGE 1 trial. J Am Acad Dermatol 2017; 76(3): 405–417. 2. Gordon K et al.: Efficacy and Safety of Risankizumab: Results from Two Double-blind, Placebo- and Ustekinumab-controlled, Phase 3 Trials in Moderate-to-severe Plaque Psoriasis. AAD 2018; #6748. 3. Papp K et al.: Maintenance of treatment response in chronic plaque psoriasis patients continuing treatment or discontinuing treatment with tildrakizumab in a 64-week, randomized controlled, phase 3 trial. AAD 2017; Poster P4855. 4. Gordon KB et al.: Efficacy and safety of risankizumab in moderateto-severe plaque psoriasis (UltIMMa-1 and UltIMMa-2): results from two double-blind, randomised, placebo-controlled and ustekinumab-controlled phase 3 trials. Lancet 2018; 392: 650–661. 5. Augustin M et al.: Risankizumab Significantly Improves PatientReported Outcomes in Moderate to Severe Psoriasis in Two Phase III UltIMMa Trials. EADV 2018, P1996. Strategien gegen die Stigmatisierung von Psoriasis-Patienten Psoriasis ist zwar eine lebenslange, allerdings durch die neuen Therapien auch gut behandelbare Erkrankung. Nach Ausführungen von Prof. Swen Malte John aus Osnabrück (D) leiden über 60 Prozent der Psoriatiker unter depressiven Phasen. Diese werden begünstigt durch die Reaktionen der Mitmenschen auf die Erkrankung: Ablehnung, Ekel und Angst vor der vermeintlichen Ansteckung sind häufige Umgebungsreaktionen, mit denen sich die Betroffenen immer wieder konfrontiert sehen. Wie eine aktuelle FORSA-Studie mit 2004 befragten Personen gezeigt hat, glauben 10 Prozent der Bevölkerung immer noch, dass die Psoriasis ansteckend sei; 24 Prozent lehnten Partnerschaften mit Psoriasis-Patienten ab, und 20 Prozent würden nicht mit einem Psoriasis-Patienten schwimmen gehen. Darüber hinaus wirkt sich die Hauterkrankung aber auch negativ auf die Berufskarriere aus, tatsächliche Fehltage wegen akuten Symptomen steigern die sozialen und wirtschaftlichen Probleme der Betroffenen. Mit ihrem globalen Report zur Psoriasis hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bereits das Problem der Stigmatisierung von Psoriasis-Patienten thematisiert. Dieses Positionspapier soll helfen, Toleranz und Verständnis nicht nur für Menschen mit Psoriasis, sondern auch mit jeder Art von Stigmatisierung zu entwickeln. «Eine der Hauptforderungen der WHO war es daher, in der Bevölkerung das Wissen über die Psoriasis zu verbreiten und zu zeigen, dass die Stigmatisierung dieser Menschen ungerechtfertigt ist», betonte John. Ein Projekt zur Verbesserung der psychosozialen Akzeptanz und zur Förderung einer schnellen Umsetzung der WHO- Empfehlungen ist das interdisziplinäre Aktionsbündnis gegen Stigmatisierung des Berufsverbandes der Deutschen Dermatologen (BVDD), das von Hautärzten und Betroffenen im Jahr 2017 gegründet wurde. Im Rahmen dieses Projektes werden wissenschaftlich begleitet Programme entwickelt, damit Patienten mit sichtbaren Hauterkrankungen akzep- tiert werden und auch mit ihrer Krankheit besser klarkom- men. Dieses Aktionsbündnis soll zudem als Vorbild für andere Europäische Länder dienen. Ein weiteres deutsches Projekt ist die Studie ECHT EVAL am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, das Anfang 2018 gestartet wurde. Das Ziel dieser Studie ist die Samm- lung von Informationen und Entwicklung von Strategien, wie man die Bevölkerung besser über Hautkrankheiten auf- klären könnte, damit Menschen mit Psoriasis und anderen sichtbaren Hautkrankheiten von Hautgesunden mit mehr Respekt und ohne Ängste wahrgenommen werden. L Adela Žatecky Quelle: Pressemeldung zum 27. Kongress der European Academy of Dermatology and Venereology (EADV), 14. September 2018 in Paris. CongressSelection Dermatologie | Februar 2019 27