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KONGRESSBERICHT
FOBI 2018
Wanzen, Milben, Läuse, Flöhe
Ranking der Quälgeister in und auf der Haut
Obschon sich der Mensch als Krone der Schöpfung bezeichnet, steht er in der Nahrungskette keineswegs zuoberst. Viele kleine Krabbeltiere haben seine Haut und sein Blut als Nahrungsquelle erschlossen. Dr. Thomas Herzinger aus Kingston, Kanada, präsentierte in München an der 26. Fortbildungswoche für praktische Dermatologie und Venerologie seine aktuelle Rangliste dieser Quälgeister.
Platz 1: Bettwanze
Als Siegerin stellte er die Bettwanze (Cimex lectularius) aufs Podest. Das 3 bis 5 mm messende, ovale, flache Insekt hat seit der Jahrtausendwende von der regen internationalen Reisetätigkeit im Gepäck als blinder Passagier profitiert und sich zunehmend in Unterkünften – von der Berghütte bis zum schicken Hotel – eingenistet. Typisch sind intensiv juckende, gruppierte oder in einer Linie angeordnete Stichreaktionen, die am Morgen nach dem Aufwachen auf der Haut bemerkt werden. Weil eine Wanze von einer einzigen Blutmahlzeit nicht satt wird, saugt sie oft dreimal mit Stichen eng beieinander («Frühstück, Mittag-, Abendessen»). Neben gewöhnlichen irritativ-toxischen Stichreaktionen gibt es auch allergische Hypersensitivitätsreaktionen mit juckenden Papeln am ganzen Körper, die hämatogen entstehen. Bei einer Patientin traten in England nach Bettwanzenstichen in einem Hotel bullöse Hautreaktionen auf (1). Der Hautpricktest mit Bettwanzenspeichel war nach 20 Minuten positiv, und nach 24 Stunden hatten sich Blasen gebildet. Im Serum der Patientin wurden spezifische IgE-Antikörper festgestellt, die gegen
Abbildung 2: Skabiesmilbe (Sarcoptes scabiei) Foto: Kalumet/wikimedia commons
das Antigen Nitrophorin – ein Protein aus den Speicheldrüsen der Bettwanze – gerichtet waren (1). Bettwanzen sind zunehmend resistent gegen Pyrethroide. Sie übertragen keine Krankheiten.
Abbildung 1: Bettwanze (Cimex lectularius)
Foto: CDC
Platz 2: Skabiesmilbe
Die weibliche Skabiesmilbe Sarcoptes scabiei ist keine Blutsaugerin, sondern ernährt sich von der Hornschicht, in die sie Tunnels gräbt und ihre Eier ablegt. Primäreffloreszenz ist der kommaartige, 3 bis 8 mm lange Milbengang mit dem Milbenhügel am Gangende. Zu den Prädilektionsstellen gehören die Falten zwischen den Fingern, der Brustwarzenhof, der Penisschaft. Schon 1 bis 5 Milben von 0,2 bis 0,5 mm Länge sind ausreichend, um Ekzemreaktionen mit Papeln und Juckreiz am ganzen Körper auszulösen. Verantwortlich dafür ist eine zellvermittelte Spättypreaktion, die durch Milben, Eier oder Kotballen provoziert wird. Der Juckreiz beginnt 2 bis 3 Wochen nach Erstinfestation.
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Die Skabiesmilbe kann mit dem Dermatoskop entdeckt werden: bräunliches Dreieck (Flugdrachenzeichen = Kopf und Brustschild der Milbe) und dahinter Luftblasen im Hornschichtgang (Kielwasserzeichen). Alternativ kann die Skabiesdiagnose nach Eröffnung des Milbenhügels am Gangende mittels feiner Kanüle durch mikroskopischen Milbennachweis im Hautgeschabsel gestellt werden. Die Arbeitsgruppe des Referenten beschrieb die diagnostische Sekundenklebermethode: Ein Objektträger, auf den ein kleiner Tropfen Cyanoacrylat gegeben wurde, wird sofort fest auf den Milbenhügel aufgedrückt, nach 30 Sekunden abrupt abgezogen und mikroskopisch untersucht (2). Als Therapie der Wahl bei unkomplizierter Skabies wird die Einmalbehandlung mit topischem Permethrin empfohlen (3). Das synthetische Pyrethroid ist hochwirksam (skabizid und ovozid). Die Creme wird in dünner Schicht lückenlos auf die Haut des gesamten Körpers (bei Kindern und bei über 65-Jährigen auch auf Gesicht und Kopfhaut) aufgetragen. Reste der Creme werden nach 8 bis 12 Stunden abgeduscht oder abgewaschen (3).
Quälgeister auf den hinteren Rängen
Auf den 3. Rang schafft es die Kopflaus (Pediculus humanus capitis), die zwar keine Krankheiten überträgt, aber in Schulen immer wieder Läusealarm provoziert. Totale Nissennulltoleranz könne Eltern zur Verzweiflung bringen, so der Referent. Es sei gar nicht nötig, die Nissen allesamt zu beseitigen. Grau-silbrige Nissen in mehr als 1 cm Entfernung von der Kopfhaut seien nur leere Hüllen, die kein lebendes Läuseei mehr enthalten. Erst auf Rang 4 folgt die Kleiderlaus (Pediculus humanus humanus), obschon sie Krankheiten übertragen kann. Momentan sei in Flüchtlingsunterkünften Rückfallfieber (Erreger: Borrelia recurrentis) wieder ein Thema, so der Referent.
Abbildung 3: Kopflaus (Pediculus humanus capitis) Foto: Gilles San Martin/flickr
Das aktuelle Schönheitsideal, das die Intimrasur pro-
pagiert, hat die Filzlaus (Phtirus pubis) im Ranking
weit zurückgedrängt (Rang 5). Noch übler ist es
dem Menschenfloh (Pulex irritans)ergangen, seit ihn
Staubsauger aus allen Ritzen eliminieren. Bleibt also
nur der letzte Rang für den winzigen Hochleistungs-
sportler (springt bis 20 cm hoch und bis 35 cm weit),
der gemäss neuen epidemiologischen Modellen
wahrscheinlich für Pestepidemien in Europa verant-
wortlich war (nicht der Rattenfloh).
L
Alfred Lienhard
Referenzen: 1. Leverkus M et al.: Bullous allergic hypersensitivity to bed bug bites mediated by IgE
against salivary nitrophorin. J Invest Dermatol 2006; 126: 91–96. 2. Neynaber S et al.: Use of superficial cyanoacrylate biopsy (SCAB) as an alternative
for mite identification in scabies. Arch Dermatol 2008; 144; 114–115. 3. Sunderkötter C et al.: S1-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der Skabies, 2016,
www.awmf.org
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