Transkript
KONGRESSBERICHT
SGDV
Hidradenitis suppurativa
Zu wenig beachtete schwere Erkrankung
Die Hidradenitis suppurativa (HS) ist eine komplexe Entzündungskrankheit, die mit Komorbiditäten verknüpft ist und sich auf praktisch alle Lebensbereiche auswirkt. Zum individuellen Behandlungsplan gehören medikamentöse Therapien gegen die Entzündung und dermatochirurgische Eingriffe allein oder in Kombination. Über HS sprachen Experten an einem Firmensymposium von AbbVie im Rahmen der 100. Jahresversammlung der SGDV in Lausanne.
HS kommt mit einer Prävalenz von etwa 1 Prozent relativ häufig vor (Psoriasisprävalenz 2–3%). Heute wird HS nicht mehr als Infektionskrankheit, ausgehend von apokrinen Schweissdrüsen, aufgefasst, sondern als chronisch rezidivierende, schmerzhafte Entzündungskrankheit, ausgehend von Haarfollikeln, meist in axillären, inguinalen und anogenitalen Arealen. Die Ätiologie ist noch unklar. Eine genetische Prädisposition spielt eine Rolle, wobei bis zu 40 Prozent der Patienten eine positive Familienanamnese aufweisen. Die Pathogenese mit Dysregulation von Zytokinen wie TNF-alpha und IL-17 weist Ähnlichkeiten mit der Psoriasispathogenese auf. Während jedoch viele Biologika bei der Psoriasis sehr gut wirken, sind manche bei der HS-Therapie weit weniger wirksam. Als einziges Biologikum ist derzeit der TNF-alphaBlocker Adalimumab (Humira®) bei HS zugelassen.
Hidradenitis-suppurativa-Register in Aktion
Die Erkrankung beginnt meist nach der Pubertät mit schmerzhaften, tief gelegenen, entzündlichen Knoten und geht weiter mit der Bildung von Abszessen, Tunnels (Sinustrakte, Fisteln) und Narben. Es handelt sich um eine schwere Erkrankung, welche die Patienten sehr belastet und die Lebensqualität stark beeinträchtigt. Prof. Robert Hunger aus Bern betonte, dass die frühzeitige Diagnosestellung wichtig sei, damit die Patienten wissen, worum es sich bei ihrer Krankheit handelt, und damit sie kompetent ärztlich betreut werden können. Um während 3 Jahren bei mindestens 100 Patienten den Krankheitsverlauf, die Effizienz verschiedener Therapieoptionen sowie Progression, Lebensqualität und Komorbiditäten unter Alltagsbedingungen zu erfassen, nahm im Juli 2018 das von Hunger geleitete Hidradenitis-suppurativaRegister (HSR) seine Tätigkeit auf. Bis jetzt beteiligen sich die dermatologischen Kliniken von Bern, Genf, Lausanne, St. Gallen und Zürich. Die Patienten können ihre Daten online selbst ins Register eingeben, so der Referent.
sen aus Zürich. Danach soll unverzüglich mit der adäquaten Therapie begonnen werden. Dermatologen spielen bei der Betreuung von Patienten mit HS eine zentrale, koordinierende Rolle. Die umfassende, individuelle Behandlung setzt die Zusammenarbeit eines multidisziplinären Ärztenetzwerks voraus. Neben der Dermatologie- und Hausarztpraxis gehören dazu Fachrichtungen wie Chirurgie, Infektiologie, Psychologie, Gastroenterologie, Gynäkologie oder Endokrinologie. Wenn die topische Behandlung entzündlicher Läsionen (z.B. mit Antiseptika, topischen Antibiotika, intraläsionalen Steroidinjektionen) nicht ausreicht, können systemische Antibiotika (z.B. Doxycyclin oder Rifampicin, kombiniert mit Clindamycin) eingesetzt werden (1). Bei Entzündungen, die auf systemische Antibiotika ungenügend oder nicht mehr ansprechen, wird bei moderater bis schwerer aktiver HS die Behandlung mit dem TNF-alpha-Blocker Adalimumab empfohlen (1). Die Dosierung beträgt initial 160 mg (4 subkutane Injektionen zu 40 mg in Woche 0), danach 80 mg in Woche 2 und ab Woche 4 jeweils 40 mg wöchentlich. Der Behandlungseffekt der Adalimumab-Therapie bleibt zumindest während 3 Jahren erhalten (konstante Ansprechrate von 52,3% bis Woche 168). Dies ergab die Open-label-Extensionsstudie, die im Anschluss an die randomisierten, plazebokontrollierten Phase-III-Studien PIONEER I und II durchgeführt wurde (2). Weil Rauchen und Adipositas mit dem Schweregrad der Krankheit korreliert sind, gehören Rauchstopp und Gewichtsabnahme zu den allgemeinen Behandlungsempfehlungen, die allerdings nicht leicht umzusetzen sind (1). Taskesen wies darauf hin, dass Adalimumab auch bei Patienten, die rauchen oder adipös sind, effektiv sei. In den PIONEER-Studien sprachen 53 Prozent der Nichtraucher und 49 Prozent der Raucher sowie 54 Prozent der Patienten mit einem BMI unter 30 und 48 Prozent der adipösen Patienten nach 12 Wochen auf die Adalimumab-Therapie an (3). L
Individueller Behandlungsplan
Die Diagnose könne in der Regel rein klinisch, ohne Hautbiopsie, gestellt werden, sagte Dr. Timur Taske-
Alfred Lienhard
Referenzen sind online einsehbar unter: https://www.rosenfluh.ch/dermatologie-aesthetische-medizin-2018-05
16 SZD 5/2018
KONGRESSBERICHT
Referenzen: 1. Hunger RE et al.: Swiss practice recommendations for the management of hidra-
denitis suppurativa/ acne inversa. Dermatology 2017; 233: 113–119. 2. Zouboulis CC et al.: Long-term adalimumab efficacy in patients with moderate-to-
severe hidradenitis suppurativa/acne inversa: 3-year results of a phase 3 open-label extension study. J Am Acad Dermatol 2018 ; doi: 10.1016/j.jaad.2018.05.040 (Epub ahead of print). 3. Garg A et al.: Impact of baseline smoking status and body mass index in patients with hidradenitis suppurativa treated with adalimumab or placebo in two phase 3 studies. Poster 0044, EADV-Kongress 2017, Genf.
SGDV
SZD 5/2018