Transkript
DER INTERESSANTE FALL
Differenzialdiagnose der analen Bläschen und Papeln
Gruppierte Bläschen im Analbereich – was steckt dahinter?
Herpes zoster kommt bei Kindern relativ selten vor, aber natürlich sollte er bei der Diagnosestellung in Betracht gezogen werden. Ich möchte Ihnen einen Fall von Herpes zoster an einer ungewöhnlichen Lokalisation vorstellen. Fast zur gleichen Zeit stellte sich eine erwachsene Patientin mit einem ebenfalls ungewöhnlichen Befund im Analbereich vor, den ich hier ebenfalls präsentiere.
SUSANNE GLEISSNER
1. Fall: Herpes zoster beim Kind
Es stellte sich ein sechsjähriges Mädchen wegen eines Ausschlags am Po, der seit vier Tagen bestehe, in unserer Sprechstunde vor. Aufgetreten sei er nach einem Durchfall, der einen Tag gedauert habe. Ein schlechterer Allgemeinzustand bestand zu diesem Zeitpunkt ebenso wenig wie Schmerzen. Es handelte sich um ein stets gesundes Kind, weder in der Eigennoch in der Familienanamnese gab es Hinweise auf atopische Erkrankungen. Der Kinderarzt hatte Imacort® Creme verordnet. Bei der Untersuchung zeigte sich streng halbseitig auf der linken Gesässhälfte nahe der Rima ani ein scharf begrenztes Erythem mit gruppiert stehenden Bläschen (Abbildung 1). Es bestand keine Lymphknotenschwellung in der Leiste.
halbseitigen Befundes kam aber nur ein Herpes zoster infrage. Das Kind hatte die Varizellen schon gehabt, ursächlich für die Zweiterkrankung jetzt ist der leichte Darminfekt vor vier Tagen mit Durchfall. Bestätigt wurde die Diagnose durch eine positive Varizella-Zoster-PCR und den fehlenden Nachweis von Streptokokken im Abstrich vom Bläschengrund. Im weiteren Verlauf zeigte das Mädchen dann doch Symptome der Virusallgemeinerkrankung, es fühlte sich kurzfristig nicht wohl und hatte leichtes Fieber. Susanne Gleissner Bläschen an anderen Stellen traten aber nicht auf. Zur Behandlung gaben wir Imazol® Cremepaste und Paracetamol-Zäpfchen bei Bedarf, verbunden mit der Empfehlung der körperlichen Schonung. Eine antivirale Therapie ist bei Kindern mit gutem Immunund Allgemeinzustand nicht erforderlich. Zusätzlich haben wir ein Nahrungsergänzungsmittel zur Stärkung des Immunsystems empfohlen, zum Beispiel Burgerstein® Kids Vitamini.
Abbildung 1: Herpes zoster bei einem sechsjährigen
Mädchen
Foto: Susanne Gleissner
Differenzialdiagnostisch musste man an einen Herpes simplex als Erstinfektion, an eine streptogene perianale Dermatitis und an ein irritatives Analekzem nach dem Durchfall denken. Angesichts des streng
2. Fall: Toxische Kontaktdermatitis
Eine 43-jährige Patientin stellte sich bei uns vor, nachdem sie schon seit drei Wochen Probleme im Analbereich gehabt hatte. Sie hatte damals beim Waschen schmerzhafte Knötchen perianal bemerkt. Sie war zu dieser Zeit in den Ferien, hatte nach einer Fischmahlzeit mehrere Tage starken Durchfall und Erbrechen gehabt, sei eine ganze Woche krank gewesen. Zu Hause habe sie dann vom Gynäkologen unter der Diagnose Condylomata acuminata Condylox® Lösung bekommen. Der Befund sei darunter aber noch schlimmer geworden, der Bereich habe sich so wund angefühlt und sei so schmerzhaft gewesen, dass sie das Condylox® abgesetzt habe. Die Patientin berichtete weiter, sie habe sehr viel Stress in Beruf und Familie, habe häufig einen Herpes an der Lippe. Sie nehme dann immer Valaciclovir®-Tabletten. Sie sei Raucherin. Auch jetzt noch, zwei Wochen nach Absetzen des Condylox®, sah man perianal eine Reströtung und
SZD 5/2018
5
DER INTERESSANTE FALL
neben einer noch etwas geschwollenen Mariske eine sehr kleine Erosion. Flächenhaft perianal und zur hinteren Kommissur hin bestehen stecknadelkopfgrosse weissliche spitze Papelchen, kein Anhalt für Kondylome, keine Herpesbläschen, keine Ulzera, kein vaginaler Fluor. Wir stellten die Diagnose Restzustand einer toxischen Kontaktdermatitis nach Anwendung von Podophyllin in normaler Häufigkeit in einem intertriginösen Areal beziehungsweise unter okklusiven Bedingungen. Man muss davon ausgehen, dass zu keiner Zeit Condylomata acuminata perianal bestanden haben, sondern dass es sich um einen Herpes glutealis gehandelt hat. Der belastende Durchfall über mehrere Tage mit Krankheitsgefühl spricht für eine Fischvergiftung beziehungsweise einen Darminfekt oder eine schwere Histaminingestion. Die Patientin, Raucherin, war schon vorher durch Stress und klimakterische Beschwerden belastet, und die rezidivierenden Herpesschübe an den Lippen sprechen für eine Neigung zu Herpeserkrankungen. Im Vaginalabstrich liess sich im Übrigen keine Candida albicans nachweisen. Zur Therapie haben wir eine beruhigende Creme für die Halbschleimhaut verordnet, die akuten Hautveränderungen waren ohnehin schon fast völlig abgeklungen. Am wichtigsten war die Beruhigung der Patientin, die sehr verängstigt befürchtete, neben dem Lippenherpes, dem Stress und den klimakterischen Beschwerden jetzt auch noch Feigwarzen am After zu haben. Es ist uns gelungen, sie davon zu überzeugen, dass es sich bei den kleinen Papelchen auf der Halbschleimhaut um einen absolut physiologischen Befund, nämlich um eine sogenannte Hirsuties papillaris, handelt. Diese hellen hautfarbenen oder zartrosa warzenähnlichen Papelchen sind eine häufige Fehlbildung ohne Krankheitswert. Sie finden sich bei 20 Prozent der Männer an der Corona glandis (Abbildung 2) und auch häufig an der Vulva, der hinteren Kommissur und perianal. Typisch ist bei beiden Geschlechtern die symmetrische oder lineare Anordnung. Eine Therapie ist nicht sinnvoll oder erforderlich.
Abbildung 2: Hirsuties papillaris an der Corona glandis Foto: Ernesto Che Guevara/wikimedia commons
Zur Aktivierung des geschwächten Immunsystems, zur Prophylaxe weiterer Herpesschübe und zur Besserung der Stresssymptome haben wir Präparate mit Grünteeextrakt (Cammelia sinensis) empfohlen. Sie sind als Kapseln und Creme verfügbar. Dass Grünteeextrakt nachweislich antivirale Potenz hat, ist an der in Studien dokumentierten Wirksamkeit einer Creme zur Lokaltherapie von Kondylomen abzulesen (Veregen®).
L
Kontaktadresse: Dr. med. Susanne Gleissner House of Skin & Laser Medicine Dr. Rümmelein AG Grütstrasse 55, 8802 Kilchberg E-Mail: gleissner@dr-ruemmelein.ch
Referenzen: 1. Altmeyer P et al.: Hirsuties papillaris vulvae (Pseudokondylome der Vulva).Hautarzt
1982; 33: 281–283. 2. Moyal-Barracco, M; Leibowitch, M; Orth, G (1990).«Vestibular papillae of the vulva.
Lack of evidence for human papillomavirus etiology». Archives of Dermatology 1990; 126 (12): 1594–1598. 3. de Oliveira A et al.: Inhibition of herpes simplex virus type 1 with the modified green tea polyphenol palmitoyl-epigallocatechin gallate. Food Chem Toxicol 2013; 52: 207–215.
6 SZD 5/2018