Transkript
FORTBILDUNG
Dermatosen der Intertrigines
Nach einem Vortrag von Marguerite Krasovec Rahmann anlässlich der Zürcher Dermatologenfortbildungstage im Juni 2018
Marguerite Krasovec Rahmann
Das Wort «Intertrigo» bezeichnet eine entzündliche Dermatose der Körperfalten. Als intertriginöse Räume werden Bereiche definiert, wo sich Hautflächen gegenseitig berühren: äusserer Gehörgang, retroaurikulär, Halsfalten, Achselhöhlen, submammär, Nabel, Bauchfalten, genitokrural, Rima ani, interdigital (Finger, Zehen). In diesen intertriginösen Bereichen herrschen besondere physikochemische Verhältnisse: erhöhte Temperatur, verminderte Luftzirkulation, verminderte Schweissverdunstung, gestörter Säuremantel, alkalischer pH-Wert, Sekretstauung und Mazeration. Dadurch kommt es zu einer Hautentzündung sowie zu bakterieller und mykotischer Sekundärinfektion. In den Falten findet man häufig Ekzeme, Infektionen und verschiedene Dermatosen, wobei sich die intertriginösen Räume entweder als einzige Lokalisation oder als Mitlokalisation zusammen mit anderen Hautregionen zeigen. In gewissen Fällen muss zur Diagnosestellung ein mikrobiologischer Abstrich oder eine Biopsie stattfinden.
Ekzeme
Ekzeme der Intertrigines können, wie alle üblichen
Ekzeme, atopischer, irritativ-toxischer oder kontaktal-
lergischer Natur sein. Oft kommt es zu Überlagerun-
gen, wie auf Abbildung 1. Kontaktallergien auf Duft-
stoffe oder Konservierungsmittel in Pflegekosmetika
oder Farbstoffe in (dunklen) Textilien können Ursache
eines Ekzems in den Falten, zum Beispiel axillär, sein.
Das seborrhoische Ekzem, gekennzeichnet als fet-
tige gelbliche Schuppen auf rot-
orangem Boden, zeigt eine Prä-
dilektion für die Intertrigines wie
die äusseren Gehörgänge, die
Retroaurikulär-, Glabella-, Augen-
brauen-, Nasolabial-, Sternal-
und Interskapulärgegenden. Beim
seborrhoischen Ekzem spielt der
Hefepilz Pityrosporum ovale
eine Rolle.
Die Papillomatosis confluens
et reticularis Gougerot-Carteaud
trifft vor allem junge Frauen ab
der Pubertät. Es finden sich fla-
che, braun-graue Papeln sterno-
epigastrisch und intermammär,
die zu netzartigen Formen kon-
Abbildung 1: Ekzem am Hals; kumulativtoxisch. Ein zusätzliches allergisches Kontaktekzem aufgrund von Pflegekosmetika war möglich.
fluieren können. Hier wird ebenfalls die Rolle von Pityrosporum diskutiert. Für manche Autoren
stellt die Papillomatosis confluens et reticularis eine Sonderform von Acanthosis nigricans dar. Der MASD (moisture-associated skin damage) ist eine Intertrigo, die vor allem auf Intensivstationen oder in Altersheimen beobachtet wird. Bei dieser durch Feuchtigkeit initiierten Dermatose spielen auch chemische Irritanzien, der pH, mechanische Faktoren (Reibung) und assoziierte Mikroorganismen eine Rolle. Der MASD wird in vier Gruppen unterteilt: a) Inkontinenz-assoziierte Dermatitis, begünstigt vor allem durch häufige und flüssige Stuhlgänge, b) intertriginöse Dermatitis, c) peristomale Dermatitis und d) Periwunden-(«periwound»-)Dermatitis.
Dermatomykosen
Die Dermatomykosen in genitokruralen und Pubes-
bereichen (Abbildung 2) sind häufig. Die Diagnose
erfolgt aufgrund der Klinik
und des direktmikrosko-
pischen Präparates. Es ist
statistisch eine Zunahme
zu verzeichnen, insbeson-
dere wegen der Modeten-
denz der Intimrasur. Über
die immunologische Sti-
mulation durch Pilzanti-
gene können Pilze direkt, aber auch indirekt eine Exazerbation von Derma-
Abbildung 2: Dermatomykose im Schambereich
tosen wie seborrhoische Dermatitis, atopische Der-
matitis und Psoriasis verursachen.
Bakterielle Infektionen
Erythrasma ist eine asymptomatische bakterielle Infektion durch Corynebacterium minutissimum. Es handelt sich häufig um einen inguinalen Zufallsbefund, typischerweise bei älteren, adipösen Männern, mit oder ohne Diabetes mellitus. Andere mögliche Stellen sind die Axillae und die Zehenzwischenräume. Klinisch zeigen sich braun-rote, scharf begrenzte, kaum sichtbar pityriasiform schuppende
Abbildung 3 a und b: Erythrasma, klinisches Bild (a) und bei Betrachtung mit Wood-Lampe (b)
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FORTBILDUNG
Areale. Da die Corynebakterien Porphyrin produzieren, erscheint bei Betrachtung mit Wood-Lampe eine Rotfluoreszenz (Abbildung 3). Betahämolytische Streptokokken der Gruppe A verursachen eine perianale Streptokokkendermatitis. Kinder sind häufiger als Erwachsene betroffen. Perianal kommt es zu einer scharf begrenzten Rötung mit Makulae und Papeln, zum Teil mit Eiterpusteln. Juckreiz, Defäkationsstörung und Blutungen kommen vor. Risikofaktoren für die perianale Streptokokkendermatitis sind Atopie, Immunschwäche und Inkontinenz.
Psoriasis
Wenn die Psoriasis ausschliesslich die Falten befällt, spricht man von Psoriasis intertriginosa (Abbildung 4).
Tabelle:
Varianten des Lichen planus:
Exanthematisch Erythrodermatisch Follikulär Palmo-plantar
Ulzerativ Guttata Follikulär Lineär
Anulär Verrukös Hypertrophisch Atroph
Erosiv Bullös Pigmentosus/inversus Actinicus
sche, hyperpimentierte oder schiefergraue, scharf begrenzte Makulae und Patches der grossen Gelenkbeugen an nicht lichtexponierten Stellen bei Patienten vom Hauttyp II bis IV. Charakteristischerweise findet sich kaum ein Befall der Mundschleimhaut und der Nägel, wie bei anderen Lichen-ruber-Varianten. Klinische Differenzialdiagnosen sind: Acanthosis nigricans, Erythema dyschronicum perstans, Ashy Dermatosis, postinflammatorische Hyperpigmentierungen. Die Histologie zeigt lichenoide Infiltrate und eine Pigmentinkontinenz.
Abbildung 4: Psoriasis inversa
Diese Variante wird in 5 Prozent der Psoriasisfälle beobachtet. Häufiger, nämlich in 30 Prozent, findet sich bei einer Psoriasis ein Befall der Beugen: Psoriasis vulgaris partim inversa. Durch die Mazeration finden sich bei Psoriasis inversa keine Schuppen. Charakteristisch ist dennoch die scharfe Begrenzung. Die Psoriasis der Rima ani gilt, neben der Psoriasis capillitii und unguium, als Risikofaktor für die Entwicklung einer Psoriasis-Arthritis. Die Psoriasis der Augenlider ist selten, kommt vor allem bei Kindern vor und ist ein Zeichen einer schweren Psoriasis. Die paradoxe Psoriasis als Nebenwirkung von TNFalpha-Inhibitoren kommt in 5 Prozent der Patienten unter diesen biologischen Therapien vor. Es gibt drei Varianten der paradoxalen Psoriasis: L Psoriasis-Ekzem-Überlappung, mit Befall der Haut-
falten, des Skalps und Bauchnabels L Generalisierte paradoxe Psoriasis L Paradoxe Psoriasis palmo-plantaris. Die Pathogenese der paradoxen Psoriasis wird durch die erhöhte Produktion von Interferon-alpha durch plasmazytoide dendritische Zellen erklärt. Diese Reaktion entsteht unabhängig von T-Zellen.
Lichen planus
Lichen ruber planus hat zahlreiche klinische Varianten (Tabelle). Eine Variante ist der Lichen planus pigmentosus beziehungsweise Lichen planus pigmentosus inversus. Letztere Form ist selten; sie zeigt sich durch asymptomatische oder leicht juckende symmetri-
Genodermatosen
Zwei Genodermatosen sind ebenfalls mit Läsionen der Falten verbunden: der Morbus Hailey-Hailey (Pemphigus chronicus benignus familiaris) und der Morbus Darier (Dyskeratosis follicularis).
Nährstoffmangel
Nutritionelle Karenzen sind in unseren Breitengraden selten. Folgende betreffen unter anderem die Falten: Kwashiorkor, Acrodermatitis enteropathica, Mangel an Biotin und essenziellen Fettsäuren, Fehlen von Vitamin B6 (Pyridoxin) und Vitamin B2 (Riboflavin). Die zwei Letzteren kommen unter anderem bei Alkoholkranken mit oder bei Leberpathologie vor. Die Acrodermatitis enteropathica tritt bei Säuglingen mit angeborener Zinkmalabsorbtion auf und zeigt periorifizielle Dermatosen und akrale Veränderungen.
Arzneimittelexanthem
Das SDRIFE (Symmetrical Drug-Related Intertrigi-
nous and Flexural Exanthema) ist eine Variante eines
makulo-papulösen Arzneimittelexanthems. Es finden
sich erythematöse Makulae mit Konfluenz bis zu
flächenhaften Erythemen in den grossen Falten, in-
guino-genital und am Gesäss – daher der alte Name
«Baboon Syndrom». SDRIFE kommt nach der Ein-
nahme eines Medikaments ohne vorherige Sensibili-
sierung oder als sogenanntes arzneimittelinduziertes
(hämatogenes) Kontaktekzem bei vorherig beste-
hender Sensibilisierung, zum Beispiel auf Nickel,
Chrom oder Kobalt, vor.
L
Kontaktadresse:
Dr. med. Marguerite Krasovec Rahmann FMH Dermatologie und Venerologie Derma Limmattal (Swiss) AG Lilie Shopping Point, Uitikonerstrasse 9, 8952 Schlieren
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