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Immuntherapie bei allergischer Rhinitis
Was ist besser – unter die Haut oder unter die Zunge?
Seit Längerem wird diskutiert, was besser wirke: die subkutane Immuntherapie oder die sublinguale. Die Studien mit direktem Vergleich der Applikationsformen reichen noch nicht aus, um zu einem hiebund stichfesten Ergebnis zu kommen. Dennoch sind Experten derzeit der Meinung, dass sich die Immuntherapievarianten hinsichtlich der Effektivität und der Sicherheit die Waage halten. Es sind vor allem praktische Erwägungen, die eher für die subkutane Variante sprechen.
Der Frühling hält Einzug, und mit ihm tauchen die Heuschnupfenpatienten in den Wartezimmern auf. Besonders stark gebeutelte Allergiker wünschen sich Therapien, die langfristig Abhilfe gegen die laufende Nase und die juckenden Augen schaffen. Diese Option besteht mit der subkutanen Immuntherapie bereits seit Jahrzehnten, war aber immer mit einem grossen Aufwand wie umfangreicher Testung und häufigen Arztbesuchen verbunden. Deutlich bequemer wurde es mit der sublingualen Applikation, zunächst mit wässrigen Allergenlösungen, dann mit einer Feststoffgalenik, den Gräserpollentabletten. Mittlerweile gibt es diese Tabletten auch mit anderen Allergenen, wie jenen der Hausstaubmilben. Die Effektivität der Immuntherapie bei allergischer Rhinitis ist sowohl für die subkutane (SCIT = subcutaneous immunotherapy) als auch für die sublinguale (SLIT = sublingual Immunotherapy) Variante in vielen Studien belegt. Wie Prof. Stephen Durham aus London (GB) auf dem Jahreskongress der American Academy of Allergy, Asthma & Immunology (AAAAI) berichtete, hat dies auch eine Metaanalyse mit 160 Studien bestätigt (1). Ebenso kommen die europäischen Leitlinien zu dem Schluss, dass die Immuntherapie bei allergischer Rhinitis empfehlenswert sei (2). Indiziert ist die Immuntherapie generell bei Rhinokonjunktivitis und leichtem Asthma, wenn sich Symptome bei einer Exposition mit relevanten Allergenen einstellen oder wenn im Labor eine IgE-Sensibilisierung auf relevante Allergene festgestellt wird. Des Weiteren kann eine SLIT oder SCIT erwogen werden, wenn die üblichen antiallergischen Medikamente nicht helfen oder wenn bei deren Einsatz inakzeptable Nebenwirkungen auftreten. Eine Polysensibilisierung sei keine Kontraindikation, betonte Durham. Diese sei vielmehr dann der Fall, wenn ein schwereres Asthma, multiple Allergien, Störungen des Immunsystems, Autoimmunerkrankungen oder Malignome vorlägen – und auch wenn die Patienten die Behandlung nicht verstünden oder eine mangelnde Therapieadhärenz von vornherein zu befürchten sei. Mit einer Grad-A-Empfehlung heisst es in den Leitlinien, dass diese Therapie mindestens über 3 Jahre erfolgen sollte.
Diese bestmögliche Empfehlung umfasst alle Immuntherapien für Erwachsene ausser der SLIT mit wässrigen Lösungen der Gras- und Baumpollenallergene; hier erreicht die Empfehlung nur den Grad B. Da für sie nicht ausreichend Studien vorliegen, kommen die Expertenkommissionen für die Kinder nur zu einer jeweils tieferen Empfehlungsstufe.
SLIT-Erfolg hält an
Die durch Immuntherapie erreichten Symptomverbesserungen halten auch nach der 3-jährigen Therapiedauer an, so Durham. Er zitierte eine Studie mit über 600 Patienten mit allergischer Rhinokonjunktivitis, die 3 Jahre entweder mit Plazebo oder einer SLIT-300-IR-5-Graspollen-Tablette behandelt wurden. Die Verumgruppe wurde nochmals unterteilt in eine Subgruppe, bei der die Therapie 2 Monate vor der Saison begonnen wurde, und eine weitere, die bereits 4 Monate vor der Saison begonnen hatte. Die Immuntherapien wurden jeweils bis zum Saisonende weitergeführt. Nach 3 Jahren wurde die Therapie beendet, und noch 2 weitere Jahre danach wurden die Symptomescores erhoben. Ergebnis: Die SLIT-Patienten, und zwar mit beiden Therapieregimen, profitierten auch 2 Jahre nach dem Ende der Therapie. Durham stellte auch eine eigene Metaanalyse vor, in welcher der Effekt von verschiedenen SLIT in Tablettenform sowie die antiallergischen Therapeutika Mometason, Montelukast und Desloratadin in verschiedenen Studien verglichen wurden. Hauptparameter war der nasale Symptomscore. Bei den Studien zu den SLIT-Tabletten wurden nicht nur die Effekte der verschiedenen Gräserpollen-SLIT – sowohl saisonal als auch perennial – getestet, sondern auch die SLIT auf Hausstaubmilben. Ergebnis: Mit Ausnahme des Steroids waren die Ergebnisse der SLIT jenen der Akutmedikation Desloratadin und Montelukast deutlich überlegen. So lag die gepoolte Verbesserung der jeweiligen Substanz im Vergleich zu Plazebo bei der SLIT für Gräserpollen bei 16,3 Prozent, bei Ragweed bei 17,1 Prozent und bei den Hausstaubmilben bei immerhin 16,1 Prozent. Nur bei Mometason lag der Wert mit 22,3 Prozent höher (siehe Abbildung).
34 CongressSelection Allergologie | Juni 2018
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Relative Verbesserung vs. Plazebo (gepoolt, in %)
22,2 SAR PAR
17,1 16,3
16,1
5,4 3,7
8,5 4,8
11,2
Montelukast Desloratadin Mometason- Gräser-SLIT Ragweed-SLIT Nasalspray
Behandlung
Hausstaubmilben-SLIT
SAR = saisonale allergische Rhinitis, PAR = perenniale allergische Rhinitis. Quelle: Durham S et al. (4)
Abbildung: Therapieeffekte im Vergleich
SCIT vs. SLIT
Durham machte deutlich, dass: • sowohl SCIT als auch SLIT bei der saisonalen und perennia-
len Rhinokonjunktivitis effektiv seien und einen Langzeitnutzen böeten • indirekt belegt sei, dass die SLIT besser toleriert werde und sicherer sei als die SCIT • die SCIT ein spezialisiertes Behandlungssetting erfordere (Cave: Anaphylaxie)
• die SLIT nach der ersten Applikation auch vom Patienten
selbst verabreicht werden könne.
Fazit: Beide Darreichungsformen der Immuntherapie sind
also gleichwertig, mit einer etwas besseren Effektivität auf
der SCIT-Seite und dafür einer besseren Sicherheit auf der
SLIT-Seite, so Durham. Allerdings sei die Datenlage des di-
rekten Vergleichs von SLIT und SCIT noch nicht ausrei-
chend, um eine abschliessende Bewertung vorzunehmen. L
Angelika Ramm-Fischer
Referenzen: 1. Dhami S et al.: Allergen immunotherapy for allergic rhinocon-
junctivitis: A systematic review and meta-analysis, Allergy 2017; 72: 1597–1631. 2. Murano A et al.: EAACI Guidelines on Allergen Immunotherapy: Executive Statement. Allergy 2018, doi:10.1111/all.13420. 3. Didier A et al.: Prolonged efficacy of the 300IR 5-grass pollen tablet up to 2 years after treatment cessation, as measured by a recommended daily combined score Clinical and Translational Allergy 2015; 5:12, 1–9. doi 10.1186/s13601-015-0057-8. 4. Durham S et al.: Treatment effect of sublingual immunotherapy tablets and pharmacotherapies for seasonal and perennial allergic rhinitis: Pooled analyses. J Allergy Clin Immunol 138, 4, 1081–1093.
Quelle: Session «Advances in Aeroallergen Immunotherapy» beim Jahreskongress der American Academy of Allergy, Asthma & Immunology (AAAAI), 5. März 2018 in Orlando (Florida/USA).
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