Transkript
FORTBILDUNG
Acne inversa
Neuer Score lässt den Schweregrad besser einschätzen
Mit dem neuen Diagnose-Score IHS4 kann bei einer Acne inversa der Schweregrad besser eingeschätzt und entsprechend die Therapie ausgewählt werden.
Acne inversa (AI) ist eine schwierige Erkrankung. Das geht schon mit der Namensgebung los. Denn der synonym verwendete Name Hidradenitis suppurativa ist irreführend. Rund 150 Jahre ging man davon aus, dass die entzündlichen Knoten und Abszesse in den Achseln, der Perianal- und Perigenitalregion sowie den Leisten von den dort angesiedelten Schweissdrüsen herrührten − daher auch der Name Schweissdrüsenabzess. Später wurde nachgewiesen, dass die Entzündungen von den Talgdrüsen und von den äusseren Wurzelscheiden der Terminalhaarfollikel ausgehen. Die Entzündung der Schweissdrüsen erfolgt dagegen sekundär. Aufgrund dieser Erkenntnisse wurde 1989 der Begriff Acne inversa eingeführt. Auch ist es schwierig, die Zahl der AI-Betroffenen abzuschätzen. Weltweit wird die Zahl der Erkrankten auf zirka 70 Millionen geschätzt, doch die Dunkelziffer ist vermutlich hoch. Die Erstmanifestation kann von der Pubertät an bis ins hohe Alter erfolgen (1).
Hoher Leidensdruck
Kaum eine andere Hauterkrankung schränkt die Lebensqualität so stark ein wie die AI − das geht bis zu einer Schwerbehinderung von 50 Prozent. Mit zunehmendem Schweregrad der Erkrankung nimmt die Lebensqualität der Betroffenen ab. Oft kommt es durch die anhaltende Entzündung im Körper mit stark erhöhten Entzündungswerten zu Begleiterkrankungen und einem verschlechterten Allgemeinzustand. Im Einzelnen leiden die Patienten unter Schmerzen − auch durch das verhärtete Narbengewebe −, Ekelgefühl, Scham sowie unangenehmes Nässegefühl und Geruchsbelastung bei Eiterentleerung. Das bedingt wiederum erhebliche Einschränkungen des Sozial-, des Familien- und des Sexuallebens sowie Ausfallzeiten am Arbeitsplatz. Angst vor belastenden Therapiemassnahmen und Komplikationen beeinträchtigen zudem die Psyche.
Schweregraddiagnostik
Die nächste Schwierigkeit ist offenbar die Diagnosestellung. Es vergehen zwischen Erstvorstellung beim Arzt bis zur korrekten Diagnose oft mehr als zehn Jahre (2). Für die Wahl der Behandlung ist die Abschätzung des Schweregrades wichtig. Bisherige Scores – beispielsweise der Hurley-Score – sind teil-
weise nicht dynamisch oder im Alltag nur schwer an-
zuwenden. Jetzt gibt es einen neuen, praktikableren
Score, erarbeitet von den Mitgliedern der European
Hidradenitis Suppurativa Foundation (EHSF): Der
IHS4-Score (International Hidradenitis Suppurativa
Severity Score System) berücksichtigt Entzündungen
und ermöglicht eine dynamische und individuelle
Einteilung der Erkrankung.
Mittels des IHS4-Scores lässt sich schnell entschei-
den, ob eine antiinflammatorische Therapie indiziert
ist. Leichte Formen einer AI können mit diclofenac-
oder clindamycinhaltigen Cremes oder Lösungen
behandelt werden.
Für mittelschwere bis schwere Formen kommen me-
dikamentöse Therapien infrage. Neben einer lang-
fristigen Therapie mit Clindamycin, Rifampicin oder
Doxycyclin, die in diesem Fall nicht als Antibiotika,
sondern aufgrund ihrer antientzündlichen Wirkung
eingesetzt werden, ist ein gutes Ansprechen der Er-
krankung auf eine Therapie mit TNF-α-Inhibitoren
beschrieben.
L
Angelika Ramm-Fischer
Referenzen: 1. Breuninger H et al.: Dtsch Arztebl 2001; 98(44): A-2889 / B-2457 / C—2301. 2. Bechara FG, Hessam S: Ständig entzündliche Knoten. MMW 2016; 15(158):52–53. 3. Zouboulis CC et al.: Development and validation of the International Hidradenitis
Suppurativa Severity Score System (IHS4),a novel dynamic scoring system to assess HS severity. Br J Dermatol 2017.
IHS4-Score im Überblick
Zur Bestimmung des Schweregrades wird die Anzahl der inflammatorischen Läsionen ermittelt. Jeder entzündliche Knoten zählt 1, die Anzahl der Abszesse wird mit 2 und die Anzahl der Fisteln/Sinustrakte mit 4 multipliziert. Bei einem Wert von maximal 3 liegt eine milde Erkrankung vor. Werte von 4 bis 10 stehen für moderate Erkrankungen, und ab einem Wert von 10 spricht man von einer schweren AI (Abbildung) (3).
Der neue Score erlaubt somit eine systemische Behandlung, sobald sich mindestens 4 entzündliche Knoten gebildet haben. Vorhandene Systeme zur Beurteilung des Schweregrades, wie die Expertenmeinung, der Hurley-Score und auch der Dermatology Life Quality Index (DLQI), korrelieren mit dem IHS4 und bestätigen dessen Aussagekraft.
SZD 3/2018
15