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KONGRESSBERICHT
SGML
Neue Strategien gegen Alopezie
Stimulation des Haarwachstums mit Platelet Rich Plasma
Als neue Option für Patienten mit Haarausfall gilt die Behandlung mit Platelet Rich Plasma. Auf der diesjährigen SGMLTagung fasste Dr. Tanja Tschannen aus Zürich die vorliegenden Studiendaten sowie eigene Erfahrungen zusammen und demonstrierte das Verfahren direkt an einer Patientin.
SZD 2/2018
Es funktioniert über die Thrombozyten und ihre Aktivierung. Bereits durch die Blutentnahme und die anschliessende Zentrifugation werden die Thrombozyten aktiviert, vor allem aber über den Kontakt mit den Kollagenfasern. Infolge dieser Aktivierung kommt es zur Freisetzung verschiedener Wachstumsfaktoren und Zytokine, welche anschliessend eine Stimulierung mehrerer Zelltypen im Gewebe hervorrufen. Die Folge ist letztlich eine vermehrte Synthese von Kollagen und Hyaluronsäure sowie ein gesteigerter Abbau geschädigter Bestandteile der extrazellulären Matrix. Ein gutes, effektives PRP-System sollte bestimmte Eigenschaften haben, betonte die Zürcher Dermatologin. Im Vergleich zum Vollblut sollte es eine erhöhte Konzentration an Thrombozyten aufweisen. Um eine unspezifische Aktivierung von Proteasen und toxischen Substanzen zu vermeiden, sollte die Konzentration an Leukozyten dagegen möglichst gering sein. Ebenfalls gering sollte die Konzentration von Erythrozyten sein, denn diese können freie Radikale freisetzen, die Entzündungsreaktionen und Zelltod fördern. Am Hautzentrum Zürich kommt das PRP-System der Firma Arthrex zum Einsatz. Es hat den Vorteil, dass es ein geschlossenes und steriles System ist, das bereits seit längerer Zeit in der Orthopädie und in der Rheumatologie verwendet wird und als geschlossenes System den Vorteil der Sterilität bietet. Es besteht aus einer Doppelspritze, mit der dem Patienten 15 ml Blut abgenommen und dieses anschliessend zentrifugiert wird. Der so gewonnene thrombozytenreiche Überstand wird in den inneren Kolben der Doppelspritze aufgezogen und innerhalb von 30 Minuten nach Blutentnahme als PRP dem Patienten in die zu behandelnden Areale injiziert.
Rationale zum Einsatz von PRP bei Haarausfall
Es gibt verschiedene Anwendungsbereiche für PRP im medizinischen Bereich. Dazu zählt auch die PRP-
Behandlung gegen Haarausfall. Die androgenetische Alopezie wie auch die Alopecia areata sind komplexe Probleme, bei denen die verfügbaren Behandlungsoptionen nicht immer erfolgreich sind. Die Injektion von PRP stellt hier eine Behandlungsmethode dar, die nach Einschätzung von Tschannen «natürlich und nebenwirkungsarm» ist. Im Bereich des Haarfollikels ergeben sich für die nach PRP-Applikation freigesetzten Wachstumsfaktoren verschiedene Angriffspunkte, die insgesamt zu einer Stimulierung des Haarwachstums führen.
Studiendaten zur androgenetischen Alopezie
Zum Einsatz von PRP bei androgenetischer Alopezie stellte Tschannen insgesamt vier Studien vor: In der ersten dieser Studien wurden 25 Patienten in einem Halbseitenversuch plazebokontrolliert behandelt (1). Nach dreimaligen Injektionen im Abstand von 4 Wochen konnte gezeigt werden, dass das Haarwachstum auf der Verumseite erfolgreich stimuliert werden konnte. Sechs Monate nach der ersten Behandlung wiesen die Probanden auf der PRP-Seite eine höhere Haardichte als auf der Kontrollseite auf. In der zweiten Studie wurden Frauen mit einer androgenetischen Alopezie untersucht (2). Hier erfolgte nur eine einmalige PRP-Injektion, dies allerdings doppelblind und plazebokontrolliert. Es wurde nur eine subjektive, aber keine objektive Verbesserung registriert. Diese Studie mache deutlich, dass eine einmalige Behandlung nicht ausreichend sei, betonte Tschannen. In der dritten Studie wurden 5 Patienten über drei Monate mit PRP-Injektionen in Abständen von 2 bis 3 Wochen behandelt (3). In dieser Studie hat sich bestätigt, dass dies eine wirksame und nebenwirkungsarme Behandlung ist. Drei Monate nach der Therapie war bei den Behandelten eine Verbesserung der Haarzahlen, der Haardicke, eine Kräftigung der Haarwurzeln und eine Gesamtverbesserung der Alopezie nachgewiesen werden. Auch in der histologischen
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Untersuchung konnte man zeigen, dass das Haarwachstum stimuliert wurde, mit einer Zunahme der Epidermisdicke und einer Steigerung des Haarfollikelwachstums. In der vierten präsentierten Studie wurde untersucht, ob man die PRP-Behandlung noch durch die Zugabe von niedermolekularem Heparin verstärken kann. Dies hat sich zwar in der Studie bestätigt: Die zusätzliche lokale Behandlung mit niedermolekularem Heparin korrelierte tatsächlich mit einem zusätzlichen Effekt auf das Haarwachstum. Dennoch ist dieses Prozedere derzeit noch umstritten, betonte Tschannen.
Studiendaten zur Alopecia areata
Das derzeitige Problem der Behandlung der Alopecia areata ist, dass die verfügbaren Optionen nicht immer von Erfolg gekrönt und zudem für den Patienten zum Teil mühsam sind. Dass die PRP auch bei dieser Indikation eine Option sein könnte, dazu präsentierte Tschannen 2 Studien: In einer Studie wurden 90 Patienten eingeschlossen und in 3 Gruppen aufgeteilt: Eine Gruppe wurde mit PRP behandelt, die zweite mit topischem Minoxidil (5%) und die dritte Gruppe mit Plazebo (4). Die Ergebnisse zeigten, dass sowohl Minoxidil als auch PRP im Vergleich zu Plazebo eine gute Wirksamkeit hatten. Dabei trat das Haarwachstum unter der PRP-Behandlung schneller ein als unter Minoxidil. In einer zweiten Studie wurde bei 45 Patienten mit Alopecia areata ein Vergleich zwischen intraläsionalen Injektionen von PRP, Triamcinolonacetonid (TrA) und Plazebo vorgenommen. Auch hier wurde für die PRP-Behandlung ein schnellerer Wirkungseintritt dokumentiert (5). Dieses Ergebnis bestätigte sich auch in histologischen Untersuchungen.
Eigene Erfahrungen mit PRP
Nach den übereinstimmend guten Resultaten ohne grössere Nebenwirkungen sammelte Tschannen nun seit zirka 2 Jahren auch eigene Erfahrungen. Ein Problem ist in ihren Augen die Schmerzhaftigkeit der Injektionen an der Kopfhaut. Dem versucht sie derzeit durch die Applikation einer Lidocainlösung (20%) zu begegnen. Weitere Nebenwirkungen seien nicht zu verzeichnen, betonte Tschannen. «Obwohl ich am Anfang nicht sehr an dieses System geglaubt habe und dem Ganzen sehr skeptisch gegenüber einge-
Tanja Tschannen demonstriert die PRP-Injektionstechnik bei einer Patientin mit androgenetischer Alopezie.
stellt war, habe ich es dann doch ausprobiert.» Die
Erfahrungen bei einer ansonsten austherapierten Pa-
tientin waren beeindruckend, berichtete die Derma-
tologin.
Wie das Erhaltungsprotokoll bei einer solchen Thera-
pie aussehen wird, ist noch nicht durch wissenschaft-
liche Daten abgesichert. Tschannen versucht derzeit,
mit PRP-Anwendungen in längeren Abständen und
einer zusätzlichen Minoxidil-Behandlung die einmal
erzielten Resultate auch langfristig zu halten.
L
Adela Žatecky
Referenzen: 1. Alves R et al.: Randomized Placebo-Controlled, Double-Blind, Half-Head Study to
Assess the Efficacy of Platelet-Rich Plasma on the Treatment of Androgenetic Alopecia. Dermatol Surg 2016; 42(4): 491–497. 2. Puig CJ et al.: Double-Blind, Placebo-Controlled Pilot Study on the Use of PlateletRich Plasma in Women With Female Androgenetic Alopecia. Dermatol Surg 2016; 42(11): 1243–1247. 3. James R et al.: Efficacy of Activated 3X Platelet-Rich Plasma in the Treatment of Androgenic Alopecia. J Stem Cells 2016; 11(4): 191–199. 4. El Taieb MA et al.: Platelets rich plasma versus minoxidil 5% in treatment of alopecia areata: A trichoscopic evaluation. Dermatol Ther 2017; doi: 10.1111/dth.12437. 5. Trink A et al.: A randomized, double-blind, placebo- and active-controlled, half-head study to evaluate the effects of platelet-rich plasma on alopecia areata. Br J Dermatol 2013; 169(3): 690–694.
Quelle: Workshop «PRP/PCT in Alopecia zur Stimulierung des Haarwachstums mit Vorführung der Kopfhaut-Injektionstechnik» am Kongress der Schweizerischen Gesellschaft für medizinische Laseranwendungen (SGML), 18. Januar 2018 in Zürich.
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