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HIGHLIGHTS AUS DER LITERATUR
Kurzzeittherapie mit oralen Kortikoiden
Risiko für Frakturen, Sepsis und Thrombosen erhöht
Orale Kortikoide für weniger als 30 Tage werden häufig verordnet – unter anderem bei Allergien oder akuten Rückenschmerzen. Während die Risiken einer dauerhaften Kortisontherapie gut bekannt sind, weiss man über die Nebenwirkung einer solchen Kurzzeittherapie noch wenig. Licht ins Dunkel bringt nun eine grosse amerikanische Studie.
Kortikosteroide werden seit über 60 Jahren in der Medizin durchaus segensreich eingesetzt. Da sollte man doch meinen, dass alle erdenklichen Wirkungen und Nebenwirkungen bekannt sind. Bei der Langzeitbehandlung, für die Kortikoide beispielsweise bei rheumatoider Arthritis eingesetzt werden, ist dies auch der Fall: Da sind zunächst die akuten Komplikationen wie Infektionen, venöse Thromboembolien und Knochenbrüche. Besonders wird bei Kortikoidtherapie auf die Dauerschäden geachtet wie Diabetes mellitus, Hypertonie, Osteoporose und andere Ausprägungen des iatrogenen Cushing-Syndroms. Dies spielt im ärztlichen Alltag tatsächlich eine Rolle: Eine Kortisontherapie ist der häufigste Grund für eine Krankenhauseinweisung wegen Medikamentennebenwirkungen. Diese Langzeitauswirkungen beziehungsweise wie man sie vermeidet und eine Kortisontherapie optimal steuert, war jahrzehntelang Gegenstand der Leitlinien der verschiedenen Fachrichtungen.
Jeder fünfte Versicherte erhielt kurzfristig orale Kortikoide
Allerdings hat man die Auswirkungen einer oralen Kortisontherapie, die nur kurzfristig – also maximal 30 Tage – dauerte, stark vernachlässigt. Um hier die Wissenslücke zu füllen, hat eine Studiengruppe um Prof. Akbar Waljee von der Universität von Michigan in Ann Arbor die Daten von über 1,5 Millionen US-Privatversicherten ausgewertet, die in den Jahren 2012 bis 2014 eine solche kurzzeitige Therapie mit Kortikosteroiden erhalten hatten (1). Erstes Ergebnis: Die Kurzzeit-Kortison-
Therapie wird sehr häufig verordnet. Jeder Fünfte hat im Beobachtungszeitraum von drei Jahren mindestens einmal Kortikoide für maximal 30 Tage erhalten, wobei knapp die Hälfte (47%) die Steroide nur 6 Tage eingenommen hatten. Die häufigsten Indikationen für die Verordnung waren Infektionen der Atemwege, Rückenschmerzen und mit über 10 Prozent auch Allergien.
Fünffach erhöhtes Sepsisrisiko
Die US-Forscher wählten aus dem Nebenwirkungsspektrum die drei häufigsten Indikationen, die eine Klinikbehandlung erforderlich machen: Sepsis, Frakturen und Thromboembolien. Das Gesamtergebnis überrascht nicht: Innerhalb der ersten 30 Tage nach Beginn der Kortikosteroidbehandlung stieg die Inzidenz dieser akuten unerwünschten Ereignisse bei den Verwendern von Kurzzeitkortikoiden deutlich stärker als bei den Patienten, die kein Kortisonpräparat erhalten hatten. Bemerkenswert ist allerdings das Ausmass: Die Inzidenz war um das 2- bis 5-Fache höher als in der Normalbevölkerung – beispielsweise ist das Risiko einer Krankenhauseinweisung wegen Sepsis 5-mal höher nach oraler Kurzzeitkortikoidtherapie im Vergleich zum Risiko der Gesamtbevölkerung.
Häufigste Nebenwirkung: Knochenbrüche
Anders ausgedrückt: Bei der schwerwiegendsten Erkrankung, die in der Studie untersucht wurde, der Sepsis, betrug der Anstieg der Inzidenzrate (Incidence Rate
Ratio) 5,30. Bei der Indikation venöse Thromboembolie belief sich dieser Wert auf 3,33, und bei Frakturen betrug die Incidence Rate Ratio 1,87, wobei diese Inzidenzraten im weiteren Verlauf von 31 bis 90 Tagen rückläufig waren. Das gesteigerte Risiko, eines dieser unerwünschten Ereignisse zu erleiden, blieb auch bestehen, wenn die Dosis des Prednisolonäquivalents < 20 mg/ Tag betrug (Incidence Rate Ratio 4,02 für Sepsis, 3,61 für Thrombosen und 1,83 für Frakturen (p < 0,001). Knochenbrüche waren die häufigste Komplikation unter der Kortisontherapie: 21 Ereignisse auf 1000 Patienten im Jahr, danach folgten die Thromboembolien. Hier betrug die Inzidenz 5 auf 1000 Kortisonverwender jährlich. Wegen Sepsis wurden pro Jahr 2 Patienten unter der Kurzzeit-Kortikoid-Therapie ins Krankenhaus eingeliefert. Fazit Die amerikanischen Wissenschaftler zie- hen aus ihren Ergebnissen den Schluss, dass bei der Verordnung einer kurzfristi- gen Behandlung mit oralen Kortikostero- iden den Nebenwirkungen mehr Auf- merksamkeit geschenkt werden sollte. Um die Sicherheit der Patienten zu er- höhen, empfehlen die Studienautoren ein verstärktes Monitoring hinsichtlich unerwünschter Ereignisse. L Angelika Ramm-Fischer Referenzen: 1. Waljee AK et al.: Short term use of oral corticosteroids and rela- ted harms among adults in the United States: population based cohort study, BMJ 2017; 357: j1415, http://dx.doi.org/ 10.1136/bmj.j1415. 38 SZD 1/2018