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KONGRESSBERICHT
EADV-Kongress 2017
Unerwarteter Rückschlag nach gutem Therapieerfolg
Paradoxe Psoriasis als Nebenwirkung von Anti-TNF-Therapien
Als «paradoxe Psoriasis» werden psoriasiforme Hautläsionen bezeichnet, die sich trotz initialem Ansprechen auf die Anti-TNF-Behandlung unter dieser Therapie entwickeln. Prof. Michel Gilliet aus Lausanne, dem es mit seiner Arbeitsgruppe gelungen ist, die Pathogenese der paradoxen Psoriasis aufzuklären, berichtete aus erster Hand über das pathogenetische Konzept und über das Management dieser Nebenwirkung von Anti-TNF-Biologika.
Bei 5 Prozent der Patienten, die mit Anti-TNF-Medikamenten behandelt werden, kommt es zur paradoxen Psoriasis. Mit allen Anti-TNF-Medikamenten kann dieser unerwünschte Effekt auftreten, unabhängig von der behandelten Erkrankung (Psoriasis, Morbus Crohn, rheumatoide Arthritis, Spondylarthritis). Die psoriasisartigen Läsionen erscheinen oft an den Handflächen, Fusssohlen oder in der behaarten Kopfhaut und können pustulös sein. Nach Absetzen des Anti-TNF-Medikamentes können die Hautläsionen noch bis sechs Monate bestehen bleiben, doch kommt es später nie mehr zu einem Rezidiv dieser unerwünschten Wirkung, wenn keine Anti-TNF-Biologika mehr verwendet werden.
Pathogenese der paradoxen Psoriasis
Als charakteristische Auffälligkeit kommen bei paradoxer Psoriasis die beiden Zytokine Interferon-alpha und Interferon-beta, die zu den Typ-1-Interferonen gehören, in stark erhöhter Konzentration vor. Im Körper gebe es einen bestimmten Zelltyp, der rund 100mal mehr dieser beiden Zytokine bilden könne als je-
Tabelle:
Therapie der paradoxen Psoriasis
Moderate bis schwere paradoxe Psoriasis Anti-TNF-Behandlung absetzen
Topische Therapie der Hautläsionen mit Kortikosteroiden plus systemische Therapie mit Ciclosporin, Acitretin (pustulöse paradoxe Psoriasis), Methotrexat; UV-Fototherapie
Bei Psoriasis Wechsel zu anderem Biologikum: Anti-IL-12/23Therapie oder Anti-IL-17-Therapie
Leichte paradoxe Psoriasis Anti-TNF-Behandlung kann weitergeführt werden Topische Therapie der Hautläsionen mit Kortikosteroiden, evtl. in Kombination mit systemischer Therapie (Acitretin bei pustulöser paradoxer Psoriasis)
(nach Michel Gilliet)
der andere Zelltyp, so der Referent. Es handelt sich dabei um plasmazytoide dendritische Zellen (pDC), die als «antivirale Zellen» virale DNA und RNA mit den Toll-like-Rezeptoren 7 und 9 (TLR7/9) detektieren können. Als Reaktion auf die TLR-Aktivierung bilden diese Zellen Interferon-alpha in grosser Menge (antivirale Reaktion). In der Dermis von Patienten mit paradoxer Psoriasis ist eine massive Ansammlung von pDC auffindbar. Bei der Aktivierung der pDC sind zwei Phasen zu unterscheiden: Zuerst wird Interferon-alpha gebildet, dann wird TNF-alpha produziert, das in einer autokrinen Schleife die Zellen zur Ausreifung stimuliert. Ausgereifte dendritische Zellen sind nicht mehr fähig, Interferon-apha zu bilden. Anti-TNF-Medikamente blockieren TNF-alpha der autokrinen Schleife mit dem Resultat, dass die pDC nicht zu reifen dendritischen Zellen ausdifferenzieren können und im Modus der Interferon-alpha-Produktion steckenbleiben, sodass sehr hohe Interferon-alpha-Spiegel entstehen. Durch Anti-TNF-Biologika wird die Balance, in der sich Interferon-alpha und TNF-alpha normalerweise befinden, gestört, Interferon-alpha prädominiert, und der Phänotyp der paradoxen Psoriasis entsteht. TNF-Blocker verhindern überdies die Aktivierung konventioneller dendritischer Zellen und blockieren dadurch die Stimulierung von T-Zellen. Während bei der Plaquepsoriasis pathogenetisch bedeutsame CD8-T-Lymphozyten in der Epidermis in grosser Zahl anzutreffen sind, fehlen solche Zellen bei der paradoxen Psoriasis fast völlig. Anders als die T-Zell-abhängige Plaquepsoriasis, die ein «Krankheitsgedächtnis» aufweist, ist die Interferon-alpha-getriebene paradoxe Psoriasis T-Zell-unabhängig und ohne «Krankheitsgedächtnis».
Management bei paradoxer Psoriasis
Die paradoxe Psoriasis kann durch Stopp der AntiTNF-Therapie und durch Beeinflussung plasmazytoider dendritischer Zellen behandelt werden (Tabelle). Topische Steroide hemmen die Funktion der pDC.
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KONGRESSBERICHT
EADV-Kongress 2017
UV-Fototherapie bewirkt eine Depletion der pDC in
der Haut. Ciclosporin hemmt die Fähigkeit von pDC,
Interferon-alpha zu bilden. Derzeit werden zur Beein-
flussung der pDC auch gezielt wirksame Medika-
mente entwickelt (Anti-BDCA2, Anti-ILT-7). Mit Inhi-
bitoren von TLR7/9 (z.B. IMO-8400) wird zudem
versucht, den Antrieb zur Interferon-alpha-Produk-
tion zu hemmen. Auch Hemmsubstanzen des Inter-
feronsignals befinden sich in Entwicklung, zum Bei-
spiel Sifalimumab (Anti-Interferon-alpha) und
Anifrolumab (Anti-Interferon-Rezeptor).
L
Alfred Lienhard
Quelle: Joint EADV/AAD Session beim 26. Kongress der European Academy of Dermatology and Venereology (EADV), 15. September 2017 in Genf.
kurz & bündig
L Bei der paradoxen Psoriasis handelt es sich nicht um eine Krankheit, sondern um eine Nebenwirkung, die bei Behandlungen mit allen Anti-TNF-Biologika vorkommen kann.
L Anders als die Psoriasis entsteht eine paradoxe Psoriasis unabhängig von T-Zellen. Weil ein immunologisches Gedächtnis fehlt, kommen bei betroffenen Patienten keine Rezidive vor, wenn keine Anti-TNF-Medikamente mehr verwendet werden.
L Bei Fällen mit moderater bis schwerer paradoxer Psoriasis wird empfohlen, Anti-TNFBiologika abzusetzen und die Hautläsionen topisch und systemisch zu behandeln. Zur Weiterbehandlung der Psoriasis als Grundkrankheit können Biologika mit anderem Wirkmechanismus eingesetzt werden.
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