Transkript
KONGRESSBERICHT
Kutane T-Zell-Lymphome
CD-30-Expression als zentraler Mechanismus
Kutane T-Zell-Lymphome bilden eine heterogene Gruppe von lymphatischen Tumoren, wobei Mycosis fungoides und Sézary-Syndrom am häufigsten vorkommen. Benötigt werden neue systemische Behandlungen, um Patienten mit fortgeschrittener oder therapieresistenter Erkrankung wirksam behandeln zu können, denn mit den bisherigen Therapien ist selten ein dauerhaftes Ansprechen erreichbar. Die einzige verfügbare Therapie, die potenziell kurativ wirkt, ist die allogene Stammzelltransplantation. Über Brentuximab als neue Therapieoption bei kutanen T-ZellLymphomen sprach PD Dr. Emmanuella Guenova, Dermatologische Klinik, Universitätsspital Zürich, an einer dermatoonkologischen Fortbildung des Hauttumorzentrums USZ.
Zu den kutanen T-Zell-Lymphomen mit markanter CD30-Expression der Tumorzellen gehören die transformierte Mycosis fungoides, die lymphomatoide Papulose sowie weitere primär kutane CD30positive Lymphoproliferationen. Als einziges Medikament sei in der Schweiz Roferon® (Interferon alfa-2) zur Behandlung des kutanen T-Zell-Lymphoms (Mycosis fungoides und Sézary-Syndrom) zugelassen, sagte die Referentin. Neue Therapieoptionen seien nötig, um höhere Ansprechraten und länger anhaltende Therapieerfolge zu erzielen, als dies mit den bis anhin verwendeten systemischen Therapien möglich sei.
Konjugat von Antikörper und zytotoxischem Wirkstoff
Brentuximab Vedotin (Adcetris®) ist ein AntikörperWirkstoff-Konjugat, das aus einem rekombinanten Antikörper und dem zytotoxischen Wirkstoff Monomethylauristatin E (MMAE) besteht. Der monoklonale Antikörper ist gegen CD30 auf der Oberfläche der Tumorzellen gerichtet. Nach der Bindung an CD30 wird das Konjugat internalisiert. Der Wirkstoff MMAE wird in Lysosomen durch proteolytische Spaltung freigesetzt, bindet an Tubulin und zerstört das Netzwerk der Mikrotubuli im Innern der Tumorzellen. Dadurch werden der Zellzyklus unterbrochen und die Apoptose der Tumorzelle ausgelöst. Brentuximab wurde zur Behandlung des Hodgkin-Lymphoms und des systemischen anaplastischen grosszelligen Lymphoms entwickelt. Für die Behandlung kutaner Lymphome ist das Medikament nicht zugelassen (off-label). Brentuximab wirkt auch bei niedriger Expression von CD30. Das Wirkungs-Nebenwirkungs-Verhältnis sei insgesamt günstig, berichtete die Referentin. Pe-
riphere Neuropathien kämen jedoch sehr häufig vor (bei zwei Dritteln der Behandelten). Bei Nebenwirkungen werde eine Dosisreduktion oder/und eine Verlängerung des Intervalls zwischen den Behandlungszyklen empfohlen.
Klinische Erfahrungen und Studien bei kutanen Lymphomen
Der erste Bericht über die klinische Wirksamkeit von Brentuximab bei Patienten mit transformierter Mycosis fungoides stammt aus dem USZ (1). Es handelt sich um eine Fallserie von 4 Patienten mit fortgeschrittenem kutanem T-Zell-Lymphom, die bereits mit verschiedenen Systemtherapien behandelt worden waren. Im Fall eines 36-jährigen Patienten mit Mycosis fungoides im Stadium IVA (90% CD30-positive Tumorzellen in Lymphknoten, 50% in der Haut) konnte mit einem Standardbehandlungsschema (3 Zyklen Brentuximab Vedotin 1,8 mg/kg intravenös im Abstand von jeweils 21 Tagen) ein komplettes Ansprechen erreicht werden. Die anschliessende Stammzelltransplantation ermöglichte eine anhaltende komplette Remission (1). Danach haben zwei grosse Studien die Wirksamkeit von Brentuximab bei kutanen Lymphomen mit CD30-Expression untersucht. In einer Studie mit 48 Patienten mit CD30-positiven lymphoproliferativen Erkrankungen oder Mycosis fungoides fiel auf, dass die Ansprechraten unabhängig von der CD30Expression waren (bei geringer Expression Ansprechrate von 50%, bei mittlerer Expression 58%, bei hoher Expression 50%) (2). Eigentlich hätte man mit dem Antikörper-Wirkstoff-Konjugat bei höherer CD30-Expression der Tumorzellen eine höhere Ansprechrate erwartet, so die Referentin. Dass diese Er-
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KONGRESSBERICHT
wartung unzutreffend ist, wurde auch in einer weiteren grossen Studie bei 32 Patienten mit Mycosis fungoides oder Sézary-Syndrom bestätigt (3). Bei diesen Patienten mit fortgeschrittener oder therapieresistenter Erkrankung war die CD30-Expression sehr unterschiedlich. Sie betrug immunhistochemisch im Median 13 Prozent und reichte von 0 Prozent (nicht nachweisbar) bis 100 Prozent. Bei 70 Prozent der Patienten konnte mit Brentuximab ein Ansprechen erreicht werden. Die Ansprechrate war aber unabhängig von der CD30-Expression. Es gab einerseits Patienten ohne immunhistochemisch nachweisbare CD30-Expression, die gut darauf ansprachen, und andererseits Patienten mit deutlicher CD30-
Expression, die kein Ansprechen auf Brentuximab
zeigten.
L
Alfred Lienhard
Referenzen: 1. Mehra T et al.: Brentuximab as a treatment for CD30+ mycosis fungoides and
Sézary syndrome. JAMA Dermatol 2015; 151: 73–77. 2. Duvic M et al.: Results of a phase II trial of brentuximab vedotin for CD30+ cuta-
neous T-cell lymphoma and lymphomatoid papulosis. J Clin Oncol 2015; 33: 3759–3765. 3. Kim YH et al.: Phase II investigator-initiated study of brentuximab vedotin in mycosis fungoides and Sézary syndrome with variable CD30 expression level: a multi-institution collaborative project. J Clin Oncol 2015; 33: 3750–3758.
Quelle: Fortbildung «Interdisziplinäre Probleme in der Dermatoonkologie», Hauttumorzentrum USZ, 18. Mai 2017 in Zürich.
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