Transkript
KONGRESSBERICHT
EADV-Kongress 2017
Viele Versprechungen, wenig Evidenz
Anti-Aging-Therapien: Was ist gesichert?
Sehr viele Menschen haben den Wunsch, den Alterungsprozess ihrer Haut zu verlangsamen. Dafür steht ihnen eine sehr grosse Auswahl unterschiedlichster Produkte zur Verfügung. Während die Wirksamkeit einzelner Substanzen, wie zum Beispiel der Retinoide, durch seriöse randomisierte Studien belegt wurde, ist die Datenlage bei anderen eher dünn. Prof. Enzo Beradesca aus Rom (I) gab am EADV in Genf einen Überblick.
Enzo Beradesca
Systemische Therapien mit Vitaminen, Antioxidanzien, Antiglycation? Topische Behandlungen und Präventionsmöglichkeiten mit Sonnencremes, Retinoiden, Antioxidanzien, Vitaminen, pflanzlichen Produkten, Zytokinen oder Peptiden – die Liste der angebotenen Präparate, die der Hautalterung entgegenwirken sollen, ist sehr lang. «Die entscheidende Frage ist jedoch: Wie viel Wissenschaft steckt hinter all diesen Molekülen, wie viele randomisierte, kontrollierte Studien wurden tatsächlich durchgeführt?» Diesen Fragen wollte Beradesca nachgehen.
über weitere Zwischenschritte – die Aktivierung von Promotorgenen im Kern veranlasst. Dies hat für die Haut multiple Konsequenzen (2): Die Kollagenproduktion wird gesteigert, die Kollagendegradation gehemmt und die Elastizität der Haut gefördert. Letztlich reduziere das unsere Gesichtsfalten, so Beradesca. Auch die epidermale Proliferation inklusive Transglutaminase- und Fillagrinproduktion wird durch Retinoide angeregt, was die Haut wiederum glatter und kompakter erscheinen lässt. Gleichzeitig sorgten Retinoide dafür, dass die Haut nicht an Farbe verliere, so der italienische Dermatologe.
Retinoide als zentrale Molekülklasse
Gute Wirksamkeit bei UV-geschädigter Haut
Die wichtigste und wissenschaftlich am besten abgesicherte Molekülklasse zur Behandlung von lichtgeschädigter beziehungsweise alternder Haut sind die Retinoide (1). Im Zusammenhang mit Anti-Aging seien zu ihnen rund 150 kontrollierte, randomisierte Studien erschienen, erklärte Beradesca. Auch der Metabolismus dieser Vitamin-A-Verwandten in der Haut ist sehr gut erforscht. So dringen Retinoidmoleküle durch Diffusion in die Zelle und werden dann durch spezielle zelluläre Moleküle (CRBP, CRABP) via Zytoplasma in den Nukleus transportiert. Dort angekommen, binden sie an spezielle Rezeptoren, was –
kurz & bündig
L Retinoide und Tretinoin sind die hinsichtlich Anti-Aging am besten untersuchten Substanzen.
L Die Studienlage für AHA und glykolische Säuren (hoch konzentriert für den täglichen Einsatz) wird stetig besser.
L Kombinationsbehandlungen mit multiaktiven Formulierungen und synergistischen Effekten werden zunehmend eingesetzt.
L Die Ergebnisse von Peptiden und Zytokinen als Anti-Aging-Produkte sind vielversprechend. Allerdings sollten weitere Studien folgen. Dabei müssen auch ethische Aspekte geklärt werden.
Unter den derzeit verfügbaren topischen Retinoiden ist Tretinoin als Anti-Aging-Substanz hinsichtlich Wirksamkeit und Sicherheit eine der am besten untersuchten. So seien seit 1986 mehr als 20 randomisierte, plazebokontrollierte, klinische Studien veröffentlicht worden, die sich mit Tretinoinapplikation auf UV-geschädigter Haut beschäftigten. In diesen Untersuchungen, in denen über unterschiedliche Zeiträume (1 Monat bis 2 Jahre) zum Teil sehr unterschiedliche topische Tretinoinkonzentrationen verwendet wurden (0,01% bis 0,25%), konnten zumeist signifikante Hautverbesserungen registriert werden, wie Beradesca berichtete (3). Auch zwei plazebokontrollierte Studien mit Isotretinoin (0,05% bis 0,1%) zeigten ähnlich gute Ergebnisse. Sie konnten durch die Kombination mit einem Sonnenschutz noch verbessert werden (4). Durch die Behandlung mit Tazaroten (0,1%) reduzierten sich feine Fältchen (5). Zudem verbesserte sich die Feuchtigkeit, und die Haut wurde weniger rau. Tazaroten war ebenso wirksam wie Tretinoin, allerdings traten diese Effekte – bisweilen jedoch zum Preis leichter Hautirritationen – schneller ein. Weder bei Tretinoin noch bei Isotretinoin oder bei Tazaroten konnten systemische Nebenwirkungen beobachtet werden. Das etwas mil-
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KONGRESSBERICHT
EADV-Kongress 2017
Quelle: Session «Ageing and treatment options», 26. EADV-Kongress, 16. September 2017 in Genf.
dere Adapalen (0,1% bis 0,3%) wird hauptsächlich bei lichtinduzierten Lentigines und Keratosen eingesetzt. In einer doppelblinden, plazebokontrollierten Studie konnten nach 9-monatiger Behandlung Alterserscheinungen wie Fältchen und Lichtschäden reduziert werden (6). Auch das in vielen Hautprodukten enthaltene Retinol (Vitamin A1) und seine Derivate sind wichtige Werkzeuge beim Anti-Aging. Retinol ist unter Lichteinfluss sehr instabil und geht daher leicht in eine inaktive Form über. Die Keratinozyten der Haut transformieren Retinol in Retinaldehyd und dann weiter in Retinsäure. Topisches Retinaldehyd ist auf menschlicher Haut gut verträglich und zeigt mehrere Tretinoin-identische Effekte. Topisches Retinol beeinflusst die Pathogenese lichtgeschädigter Haut. So induziert es die Stärkung der Epidermis, die Synthese von Kollagen und die Reduktion von MMP (7).
Pflanzliche Produkte
Schliesslich wird auch mit einer ganzen Reihe pflanzlicher Extrakte versucht, den Alterungsprozess der Haut aufzuhalten. Dazu gehören Resveratrol (antioxitativ wirksam), Polypodium-leucotomos-Farn-Extrakt (stimuliert Kollagenproduktion, hemmt MMP u.a.), Grüntee (hemmt MMP-2 und fördert TIMP-1), Ginsengextrakt (reduziert im Mausmodell UV-B-induzierte Hautfalten und verhindert Elastizitätsverlust, induziert Kollagendeposition u.a.) oder Granatapfel (hemmt UV-B-induzierte MMP-Expression im künstlichen Hautmodell). Obwohl sie häufig eingesetzt würden, sei die Studienlage bezüglich der meisten dieser pflanzlichen Produkte recht dünn, sagte Beradesca.
Neue Strategien
Nicht nur Vitamin A
Neben Vitamin A und seinen Abkömmlingen spielt auch Vitamin C bei der Regeneration alternder Haut eine Rolle. So induziere laut einer auf Ultraschalluntersuchungen basierenden Arbeit aus dem Jahr 2015 topisches Vitamin C die Neusynthese von fibrillären Strukturen und damit von Kollagen innerhalb von 60 Tagen (8). Laut Beradesca wird dieser Effekt in allen Altersklassen beobachtet. Auch Vitamin E sei ein wichtiges Antioxidans, allerdings kein klassisches «Anti-Aging-Vitamin». Trotzdem hätten einige Arbeiten an Versuchsmäusen in den vergangenen Jahren gezeigt, dass die VitaminE-Familie einen vorbeugenden Effekt hinsichtlich der Entstehung von Falten habe, vor allem, was die UVFotoprotektion angehe. Als lipophiles Antioxidans schützt Ubiquinon (Coenzym Q10) die mitochondrialen Membranen. Man nimmt an, dass es freie Radikale in der Epidermis abfängt und unschädlich macht und damit die Haut vor UV-Licht schützt. Die topische Behandlung mit Coenzym-Q10 enthaltenden Formulierungen verbessert das Q10-Level und verspricht antioxidative Effekte (9). Zudem wurden in einer offenen Studie Verbesserungen bezüglich der Falten und «feiner Linien» beobachtet (10). Vitamin C und E können auch als Zusätze in breit wirksamen Sonnencremes sehr nützlich sein. So scheint ein solches Kombinationspräparat eine noch bessere Schutzfunktion aufzuweisen als Sonnencreme alleine (11). In Nahrungsmitteln wie Milch, Früchten oder Rohrzucker stecken a-Hydroxycarbonsäuren (AHA). Von ihnen nimmt man an, dass sie die Synthese von Kollagen und Hyaluronsäure stimulieren, allerdings sei der Effekt von AHA auf das Foto-Aging wissenschaftlich weniger gut dokumentiert als jener von Retinoiden, so der Dermatologe.
Derzeit forschen viele Unternehmen an neuen Anti-
Aging-Strategien. Dazu gehören prozessierte Haut-
proteine oder aus neonataler Haut gewonnene
Wachstumsfaktoren und Zytokine. Wachstumsfakto-
ren, Zytokine und diverse andere Peptide sind auch
in einer Reihe weiterer moderner Produkte enthalten.
Sie regen die Angiogenese an, modulieren Entzün-
dungen und verbessern die Deposition extrazellulä-
rer Matrix. Durch die Kombination mit anderen Wirk-
stoffen hoffen die Forscher, synergistische Effekte zu
erzielen. Neuere Studien bestätigten diese Hoff-
nung, erklärte Beradesca (12).
L
Klaus Duffner
Referenzen: 1. McCook JP: Topical Products for the Aging Face. Clinics in Plastic Surgery 2016; 43
(3): 597–604. 2. Darlenski R et al.: Topical retinoids in the management of photodamaged skin:
from theory to evidence-based practical approach. Br J Dermatol 2010; 163(6): 1157–1165. 3. Kligman DE et al.: High-strength tretinoin for rapid retinization of photoaged facial skin. Dermatologic Surgery 2004; 30(6): 864–866. 4. Maddin S et al.: Isotretinoin improves the appearance of photodamaged skin: Results of a 36-week, multicenter, double-blind, placebo-controlled trial. JAAD 2000; 42 (1): 56–63. 5. Sefton J et al.: Photodamage pilot study: a double-blind, vehicle-controlled study to assess the efficacy and safety of tazarotene 0.1% gel. J Am Acad Dermatol 2000; 43: 656–663. 6. Sewon Kang et al.: Assessment of adapalene gel for the treatment of actinic keratoses and lentigines: A randomized trial. J Am Acad Dermatol 2003; 49 (1): 83–90. 7. Diridollou S et al.: Efficacy of topical 0.05% retinaldehyde in skin aging by ultrasound and rheological techniques. Dermatology 1999; 199 (1): 37–41. 8. Crisan D et al.: The role of vitamin C in pushing back the boundaries of skin aging: an ultrasonographic approach. Clin Cosmet Investig Dermatol 2015; 8: 463–470. 9. Knott A et al.: Topical treatment with coenzyme Q10-containing formulas improves skin’s Q10 level and provides antioxidative effects. Biofactors 2015; 41(6): 383–390. 10.McDaniel DH et al.: Clinical efficacy assessment in photodamaged skin of 0.5% and 1.0% idebenone. J Cosmet Dermatol 2005; 4(3): 167–173. 11.Matsui MS et al.: Non-sunscreen photoprotection: antioxidants add value to a sunscreen. J Investig Dermatol Symp Proc 2009; 14(1): 56–59. 12.Fu JJ et al.: A randomized, controlled comparative study of the wrinkle reduction benefits of a cosmetic niacinamide/peptide/ retinyl propionate product regimen vs. a prescription 0.02% tretinoin product regimen. Br J Dermatol 2010; 162(3): 647–654.
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