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KONGRESSBERICHT
Wächterlymphknoten mit Mikrometastasen des Melanoms
Immuntherapie erscheint sinnvoller als chirurgische Ausräumung
In einer wichtigen deutschen Studie wurde gezeigt, dass Patienten mit Melanom-Mikrometastasen in Wächterlymphknoten von der komplettierenden Lymphknotendissektion keine Überlebensvorteile erwarten können. Über die Resultate berichtete die Studienleiterin PD Dr. Ulrike Leiter, Universitäts-Hautklinik Tübingen, an einer dermatoonkologischen Fortbildung des Hauttumorzentrums USZ in Zürich.
Der prognostische Nutzen der Lymphadenektomie bei Mikrometastasen in Wächterlymphknoten wird kontrovers diskutiert. Die deutsche S3-Leitlinie Melanom (Stand Juli 2016) empfiehlt, dass bei einem maximalen Mikrometastasendurchmesser von > 1 mm in Wächterlymphknoten eine komplettierende Lymphknotendissektion angeboten werden sollte. Bei einem maximalen Metastasendurchmesser zwischen 0,1 und 1 mm könne die Lymphadenektomie angeboten werden, während bei einem maximalen Metastasendurchmesser von < 0,1 mm oder bei Einzelzellen in Wächterlymphknoten auf den Eingriff verzichtet werden könne. DeCOG-SLT: kein Einfluss auf Überleben Internationale Studie bestätigt die Ergebnisse Kürzlich hat die grosse internationale Studie MSLT-II (Second Multicenter Selective Lymphadenectomy Trial) die Ergebnisse der Studie DeCOG-SLT bestätigt (2). Die Analyse «per protocol» umfasste insgesamt 1755 Patienten mit Metastasen in Wächterlymphknoten. Randomisiert waren 824 Patienten der Gruppe mit komplettierender Lymphknotendissektion und 931 der Beobachtungsgruppe mit Ultraschallüberwachung der Lymphknoten zugewiesen worden. Nach 3-jährigem Follow-up war das melanomspezifische Überleben in beiden Gruppen gleich (86%). Auch das fernmetastasenfreie Überleben unterschied sich in den beiden Gruppen nicht. Lymphödeme kamen in der Ausräumungsgruppe bei 24,1 Prozent und in der Beobachtungsgruppe bei 6,3 Prozent vor. AL (Grad 3) bei je 3 Patienten festgestellt. Über verzögerte Wundheilung wurde bei 1 Patienten (Grad 3) beziehungsweise 4 Patienten (Grad 4) berichtet. In der randomisierten deutschen Multizenterstudie DeCOG-SLT konnten die Daten von 473 Patienten mit Hautmelanomen an Rumpf, Armen oder Beinen analysiert werden (1). Bei allen Patienten waren positive Resultate bei der Biopsie der Wächterlymphknoten festgestellt worden. Bei zwei Dritteln der Patienten waren in Wächterlymphknoten Mikrometastasen von ≤ 1 mm entdeckt worden. Randomisiert waren 240 Patienten der Gruppe mit komplettierender Lymphknotendissektion und 233 Patienten der Beobachtungsgruppe zugewiesen worden. Der mediane Follow-up betrug 35 Monate. Das fernmetastasenfreie Überleben unterschied sich nach 3 Jahren in den beiden Gruppen nicht. Es betrug im Ausräumungsarm 74,9 Prozent und im Beobachtungsarm 77 Prozent (1). Auch bezüglich des Gesamtüberlebens war in den beiden Gruppen kein Unterschied feststellbar (81,2% im Ausräumungsarm bzw. 81,7% im Beobachtungsarm). Dagegen standen die Nebenwirkung der Lymphknotendissektion: Zu Lymphödemen vom Grad 3 beziehungsweise 4 kam es in der Dissektionsgruppe bei 7 beziehungsweise 13 Patienten. Lymphfisteln vom Grad 3 beziehungsweise 4 wurden bei 1 beziehungsweise 2 Patienten, Serome (Grad 3) und Infektionen Weniger Ausräumungen, dafür mehr adjuvante Immuntherapien Aufgrund der Studienresultate könne zumindest bei Patienten mit Wächterlymphknotenmetastasen von ≤ 1 mm (66% der Patienten in der Studie) die komplettierende Lymphknotendissektion nicht mehr empfohlen werden, betonte Leiter. Möglicherweise werde in Zukunft bei Mikrometastasen im Wächterlymphknoten überhaupt keine komplettierende Lymphknotendissektion mehr empfohlen. Vermehrt würden diese Patienten aber Kandidaten für eine anschliessende Immuntherapie. Eine entsprechende Studie, die mit Ipilimumab durchgeführt worden sei, habe eine Verbesserung des rezidivfreien Überlebens ergeben, allerdings bei signifikanter Toxizität der Behandlung. In Zukunft sei mit weniger Lymphknotenausräumungen zu rechnen, dafür mit mehr adjuvanten Immuncheckpoint-Inhibitor-Therapien. L Alfred Lienhard Das Literaturverzeichnis ist online einsehbar unter: rosenfluh.ch/dermatologie-aesthetische-medizin-2017-04 Quelle: Fortbildung «Interdisziplinäre Probleme in der Dermatoonkologie», Hauttumorzentrum USZ, 18. Mai 2017 in Zürich. SZD 4/2017 23 KONGRESSBERICHT Referenzen: 1. Leiter U et al.: Complete lymph node dissection versus no dissection in patients with sentinel lymph node biopsy positive melanoma (DeCOG-SLT): a multicentre, randomised, phase 3 trial. Lancet Oncology 2016; 17: 757–767. 2. Faries MB et al.: Completion dissection or observation for sentinel-node metastasis in melanoma. N Engl J Med 2017; 376: 2211–2222. SZD 4/2017