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KONGRESSBERICHT
Foto: K. Duffner
Spinaliom rasch und radikal operieren
Fatale Verläufe sind selten, aber möglich
Zwar ist die Prognose des solar induzierten Plattenepithelkarzinoms mit weniger als 5 Prozent Metastasierungsrisiko insgesamt nicht schlecht, trotzdem können aggressive Formen rasch einen fatalen Verlauf nehmen. Dann heisst es schnell und effektiv handeln, erklärte an den Zürcher Dermatologischen Fortbildungstagen (ZDFT) Prof. Jürg Hafner vom USZ.
Jürg Hafner
«Das spinozelluläre Karzinom ist in seiner epidemiologischen Last in den westlichen Ländern vergleichbar mit dem malignen Melanom. Das gilt vermutlich auch für die absolute Mortalität in Regionen mit sehr starker Sonneneinstrahlung und hellhäutiger Bevölkerung in den USA oder Australien. Es ist also nicht so, dass das spinozelluläre Karzinom sehr viel harmloser ist als das Melanom», betonte Hafner (1). Im Gegensatz zum Melanom seien jedoch beim Plattenepithelkarzinom noch viele grundsätzliche Fragen ungeklärt.
Metastasierungsrisiko 3,7 Prozent
Quelle: Zürcher Dermatologische Fortbildungstage, 14. Juni 2017. Update Kurs Dermaonkologie. Vortrag Prof. Dr. J. Hafner: Internationale Guidelines zur Behandlung des Plattenepithelkarzinoms der Haut.
Das Beispiel eines 84-jährigen Patienten mit gut differenziertem Spinaliom am vorderen Ohransatz macht deutlich, wie gefährlich ein solches Karzinom sein kann. Obwohl er sofort im USZ in Behandlung kam und innerhalb von sechs Monaten mehrere Male radikal operiert und aggressiv bestrahlt wurde, ist er nach eineinhalb Jahren an dieser Krankheit verstorben. Gemäss einer amerikanischen Studie aus dem Jahr 2013 liegt das Metastasierungsrisiko beim spinozellulären Karzinom (SCC ) bei 3,7 Prozent und die spinaliomspezifische Todesrate bei 2,1 Prozent (1). «Das ist umso bemerkenswerter, da die meisten Spinaliompatienten hochbetagt sind. Viele von ihnen sterben zum Beispiel an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, das heisst, der ‹disease specific death› kommt bei ihnen gar nicht zum Tragen.» Deshalb gelte schon seit vielen Jahren, dass das aggressive spinozelluläre Karzinom ohne Zeitverlust resektiert werden müsse. Das gilt für weit über 90 Prozent dieser Patienten. Bei der Abklärung möglicher Metastasen kommt dabei der Parotis eine besondere Bedeutung zu. Wenn nämlich spinozelluläre Karzinome der oberen Gesichtshälfte metastasieren, dann immer zuerst in die Lymphknoten, die in die Parotis eingebettet seien, sagte Hafner. Je nach Klassifizierung befinden sich mehr oder weniger Patienten im Stadium II. Grundsätzlich qualifizieren jedoch alle aggressiven Formen des SCC für das Tumorstadium II, so der Zürcher Dermatologe. Gemäss einer Studie der Universität Tübingen besitzen
spinozelluläre Karzinome mit weniger als 2 mm Dicke kein Metastasierungsrisiko (2). Sind sie 2 bis 6 mm dick, liegt ein solches Risiko bei 4 Prozent, über 6 mm schon bei 16 Prozent. Auch ein Durchmesser von mehr als 6 cm sowie desmoplastisches Wachstum (HR: 16,1) erhöhen das Risiko für Lokalrezidive. Daneben sind Immunsuppression (HR: 4,3), Lokalisation am Ohr (HR: 3,6) und zunehmendes horizontales Wachstum (HR: 2,2) weitere Schlüsselfaktoren für ein erhöhtes Metastasierungsrisiko. Das Risiko für immunsupprimierte Patienten, überhaupt ein spinozelluläres Karzinom zu entwickeln, ist – unabhängig von der weiteren Prognose – im Vergleich zur Normalbevölkerung sogar 70-fach erhöht. Auch Patienten mit Non-Hodgkin-Lymphomen (NHL) und chronisch lymphatischer Leukämie (CLL) tragen ein hohes Rezidivrisiko, da Plattenepithelkarzinome bei ihnen «unglaublich aggressive Verläufe» zeigen (3). Patienten, die beginnen, aggressive hyperplastische aktinische Keratosen zu entwickeln, müssen daher sehr früh und sehr radikal behandelt werden. Hinsichtlich der prognostischen Aussagekraft oder des therapeutischen Nutzens einer Sentinel-Lymphknotenbiopsie liegen für das SCC derzeit keine Daten vor. Bei aggressiven Formen wird jedoch eine LymphknotenSonografie in den Monaten 3, 6, 12 und 24 nach OP vorgeschlagen. Insgesamt ist die Prognose des solar induzierten Plattenepithelkarzinoms jedoch nicht schlecht (< 5% Metastasierungswahrscheinlichkeit). Fazit Ist das spinozelluläre Karzinom ≥ 4 Millimeter dick, schlecht differenziert, desmoplastisch, wird eine Pleuralinvasion oder eine Invasion, die tiefer als die Subkutis reicht, festgestellt oder tritt das Karzinom bei NHL- bzw. CLL-Patienten auf, muss von einer aggressiven Form ausgegangen werden. Dann heisst es, keine Zeit zu verlieren und radikal zu resektieren.L Klaus Duffner Literatur unter www.rosenfluh.ch 26 SZD 4/2017 KONGRESSBERICHT Literatur: 1. Karia PS et al.: Cutaneous squamous cell carcinoma: estimated incidence of disease, nodal metastasis, and deaths from disease in the United States, 2012. J Am Acad Dermatol 2013; 68(6): 957–966. 2. Brantsch KD et al.: Analysis of risk factors determining prognosis of cutaneous squamous-cell carcinoma: a prospective study. Lancet Oncol 2008; 9(8): 713–720. 3. Brewer JD et al.: Increased incidence and recurrence rates of nonmelanoma skin cancer in patients with non-Hodgkin lymphoma: a Rochester Epidemiology Project population-based study in Minnesota. J Am Acad Dermatol 2015; 72(2): 302–309. SZD 4/2017