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KONGRESSBERICHT
Photodynamische Therapie – eine Erfolgsstory
Von der Entdeckung photodynamischer Effekte bis zur Tageslicht-PDT
Bei der 16. Jahrestagung der Europäischen Gesellschaft für Photodynamische Therapie (EURO-PDT) wurde ein weiter Bogen gespannt, von den ersten Erwähnungen des «photodynamischen Effektes» bis zur Entwicklung der photodynamischen Therapie, die inzwischen auch mithilfe von Tageslicht durchgeführt werden kann.
Anfang 2017 kamen die Mitglieder der «European Society for Photodynamic Therapy» zu ihrem 16. Jahreskongress nach München, einem historischen Pflaster für die photodynamische Therapie (PDT), wie Prof. Carola Berking von der Ludwig-MaximiliansUniversität München erläuterte: 1899 beschrieb der Pharmakologe Prof. Hermann von Tappeiner hier erstmals einen «photodynamischen Effekt». Sein Doktorand Oscar Raab hatte in einer Arbeit «Über die Wirkung fluoreszierender Stoffe auf die Infusorien» gezeigt, dass Acridin mithilfe von Tageslicht und Sauerstoff Protozoen inaktivieren kann. 1905 wurden erste Studien veröffentlicht, in denen topisches Eosin und andere Farbstoffe bei Psoriasis, Lues oder Hauttumoren eingesetzt wurden (1). Die EURO-PDT ist inzwischen der grösste Kongress rund um die PDT weltweit und zeigt die wachsende Bedeutung, wie der Kongresspräsident Prof. Lasse Braathen, Bern (CH), erläuterte. Braathen beschäftigte sich schon in seiner Zeit als Chefarzt der Universitätsklinik für Dermatologie in Bern mit derPDT, war Erstautor der wegweisenden Leitlinie der International Society for Photodynamic Therapy in Dermatology aus dem Jahr 2005 (2) und trieb seither internationale Kooperationen voran.
Hauttumore sind häufigste Tumore
Wie wichtig das breite Armamentarium der Dermatologen bei Hauttumoren ist, erläuterte Prof. Nicole Basset-Seguin aus Paris (F): Hauttumore sind bei Erwachsenen die häufigsten Tumore – mit weltweit steigender Inzidenz. Die höchste Inzidenz für Basalzellkarzinome (BCC) verzeichnet man derzeit in Australien, die niedrigste in Afrika. Wichtigster Risikofaktor ist UV-Strahlung, die als Klasse-1-Kanzerogen eingestuft wird. Besonders betroffen sind fragile Patientenpopulationen, wie etwa immunsupprimierte Patienten – sei es durch HIV-Infektionen oder durch medikamentöse Immunsuppression – mit hohen Raten an nicht melanozytären Hauttumoren (NMSC) (3).
UV-Schäden bei Menschen, die im Freien arbeiten
Aktinische Keratosen (AK) und NMSC nehmen in der Allgemeinbevölkerung zu und treten bei manchen Bevölkerungsgruppen besonders häufig auf, wie etwa bei Menschen, die im Freien arbeiten. Der Schutz von solchen «Outdoor Workern» rückt im EPIDERM-Projekt in ganz Europa in den Fokus (4). Besonders Landwirte arbeiten häufig ungeschützt im Freien und tauchten als Fallbeispiele von Betroffenen in den Vorträgen auf. Die Dermatologen der Technischen Universität München gehen immer wieder ins Feld und untersuchen die Prävalenz von UV-induzierten Hauterkrankungen bei Menschen im Freien, etwa bei Landwirten, aber auch bei Segelfliegern oder Bergführern: Eine Studie mit 104 staatlich geprüften Bergführern zeigt, wie wichtig aktuelle Ansätze zur Prävention von UV-Schäden sind: Nur zwei Drittel dieser besonders geschulten Bergführer verwendeten regelmässig Sonnenschutz, ein Drittel setzte selten oder nie Sonnenschutzpräparate ein. Bei 42 Prozent wurde bisher noch kein Hautkrebsscreening durchgeführt – auf das in der Bundesrepublik inzwischen alle gesetzlich versicherten Kassenpatienten ab 35 Jahren einen Anspruch haben. Im Screening wurden bei 36,6 Prozent dieser Bergführer AK diagnostiziert, bei 6,7 Prozent BCC, bei 2,9 Prozent Plattenepithelkarzinome (SCC – squamouscell carcinoma). Prädilektionsstellen waren im Gesicht Stirn, Nase, Ohren, daneben Handrücken, Arme und Vorder- und Rückseite der Unterschenkel (5).
Aktinische Keratose: PDT in Leitlinien
Dr. Colin Morton aus Stirling (Schottland) erläuterte, dass die PDT als evidenzbasierte Therapieoption bei AK inzwischen in nationale und internationale Leitlinien aufgenommen wurde (6). Auch in der gerade überarbeiteten Leitlinie der britischen Dermatologen wird die PDT als evidenzbasierte Option mit dem Empfehlungsgrad A aufgeführt (7). In den verschiedenen Leitlinien taucht in den Übersichts-
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tabellen der untersuchten Therapieansätze meist auch noch die Kryotherapie auf. Hier riet Prof. Hans Christian Wulf aus Kopenhagen (DK) in der Diskussion, angesichts anderer verfügbarer Therapieoptionen, deutlich vom Einsatz der Kryotherapie ab. Ein weiterer Diskussionspunkt war, welche AKPatienten man im Kontinuum zwischen AK und NMSC behandeln solle. Die Transformationsrate von In-situ-Karzinomen zu invasiven Plattenepithelkarzinomen – mit dem Risiko der Metastasierung – ist hoch. Auch subklinische Läsionen könnten problematisch werden. Da man nicht voraussagen könne, hinter welcher AK sich je nach zugrundeliegender Histologie ein hohes Risiko verberge, sprach sich Prof. Thomas Dirschka aus Wuppertal (D) für die breite Therapie aus: «Aktinische Keratosen sind immer behandlungsbedürftig, unabhängig davon, welcher klinische Schweregrad diagnostiziert wurde.»
Neue PDT-Konzepte
Die Praktikabilität der Rotlicht-PDT könnte mit tragbaren Hauben mit lasergespeisten Lichtdioden verbessert werden, die momentan untersucht werden. Claire Vicentini aus Lille (F) präsentierte hier erste Studien, in denen die PDT mit Lichtdioden bei Patienten im Halbseitendesign mit konventionellem LED-Licht verglichen wurde. Der Einsatz des als Flexitheralight bezeichneten LED-Gerätes zeigte sich genauso wirksam und sicher, war jedoch schmerzärmer, sodass die Technologie laut Vicentini eine weitere schmerzarme PDT-Alternative darstellen könnte (8). Bereits in der Praxis angekommen ist das Konzept der Tageslicht-PDT mit Methylaminolevulinat-Crème (z.B. Metvix®), das sich in Studien als schmerzarme Therapieoption bewährt hat (9). Prof. Rolf-Markus Szeimies aus Recklinghausen (D) erläuterte, dass bei der Beurteilung des Therapieansprechens nicht nur die «Complete Patient Clearance» (CPC) wichtig sei, sondern dass auch die «Lesion Response Rate» (LRR) einen klinischen Nutzen der Therapie für die chronisch betroffenen AK-Patienten bedeute (10). Zur Diagnostik und auch zur Beurteilung des Behandlungserfolges nach einer Therapie der AK werden zunehmend neue Bildgebungsverfahren wie die optische Kohärenztomografie eingesetzt: Bei den in der Praxis immer häufiger auftretenden Transplantationspatienten zeigte hier eine konventionelle PDT höhere Clearance-Raten als Imiquimod, wie Dr. Katrine TogsverdBo aus Kopenhagen (DK) beschrieb (11). Eine spanische Gruppe aus Valencia verglich MAL (Methylaminolevulinsäure) und eine ALA-Nanoemulsion (Aminolävulinsäure). Im direkten Vergleich war bei rotem Licht kein statistisch signifikanter Effektivitätsunterschied zwischen beiden Sensibilisatoren sichtbar (12).
Wachsende Datenlage zur Tageslicht-PDT
Beim Kongress wurden einige Studien zur TageslichtPDT aus Mittelmeerländern präsentiert. Während in mitteleuropäischen Ländern die UV-Intensität nur etwa zwischen März und September für eine Tageslicht-PDT ausreicht, können Dermatologen aus Kliniken in Süditalien oder Griechenland die Patienten fast das ganze Jahr über mit Sonne im Freien behandeln – die Basis für den vermehrten Einsatz und eine Vielzahl von Studien und Fallberichten aus diesen Ländern. Eine griechische Studie belegt die Langzeitaktivität der Tageslicht-PDT mit MAL im Vergleich zu konventioneller PDT bei AK: 46 Patienten wurden in einem Split-face-Studiendesign nach 3 und nach 12 Monaten untersucht, wobei kein Unterschied in den Rezidivraten beobachtet wurde. Die Patienten bevorzugten jedoch in einer Befragung die Tageslicht-PDT (13). In einer italienischen Studie wurde der Einsatz von Tageslicht-PDT im Split-face-Design mit Ingenolmebutat (Picato®) verglichen: Laut Dr. Dario Fai aus Gagliano del Capo (I), legen Wirksamkeit und Verträglichkeit nahe, die schmerzarme Tageslicht-PDT bei AK-Patienten mit multiplen Läsionen vom Grad I und breiter Feldkanzerisierung einzusetzen. Im Vergleich mit Ingenolmebutat wurde die Tageslicht-PDT als weniger schmerzhaft beschrieben. Bei einer begrenzten Anzahl an Läsionen vom Grad II würde Fai aufgrund der beobachteten Wirksamkeit Ingenolmebutat bevorzugen. Er betonte, dass hier grössere Studien mit längerem Follow-up nötig seien, um diesen Trend zu bestätigen (14).
Patienten sprechen sich für Tageslicht-PDT aus
Die Ergebnisse einer spanischen Studie zeigen bei
Betroffenen nach einer ersten Erfahrung mit Tages-
licht-PDT eine klare Präferenz für diese Methode:
Patienten mit multiplen AK-Läsionen wurden be-
fragt, wie sie Wirksamkeit, kosmetisches Ergebnis
und Verträglichkeit verschiedener Ansätze beurtei-
len. Wie Dr. Ana Julia García-Malinis aus Huesca (E)
berichtete, sprach sich die grosse Mehrheit der Pa-
tienten für die Tageslicht-PDT aus: 80 Prozent wür-
den eine erneute Tageslicht-PDT durchführen und
die Methode weiterempfehlen (15).
Dass diese Patientenpräferenz nicht auf Europa be-
grenzt ist, zeigt auch das Update einer australischen
Studie: AK-Patienten nach einer Tageslicht-PDT mit
MAL-Creme im Gesicht und an der Kopfhaut zeigten
eine hohe Patientenzufriedenheit (16).
L
Martina Freyer
Das Literaturverzeichnis ist online einsehbar unter: rosenfluh.ch/dermatologie-aesthetische-medizin-2017-04
Quelle: 16th Annual Congress of the European Society for Photodynamic Therapy, Friday, 10. Februar 2017 in München.
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Referenzen: 1. Berking C: History of PDT. Abstract C15, Euro-PDT 2017 in München. 2. Braathen LR et al.: Guidelines on the use of photodynamic therapy for non-
melanoma skin cancer: an international consensus. International Society for Photodynamic Therapy in Dermatology, 2005. J Am Acad Dermatol 2007; 56(1): 125–143. 3. Basset-Seguin N: Epidemiology of non melanoma skincancer (NMSC) worldwide. Abstract C1, Euro-PDT 2017 in München. 4. Trakatelli M et al.: Skin cancer risk in outdoor workers: a European multicenter case-control study. J Eur Acad Dermatol Venereol 2016; 30(Suppl 3): 5–11. 5. Tizek L: Nonmelanoma skin cancer in mountain and ski guides. Abstract C3, Euro-PDT 2017 in München. 6. Morton C: Current Guidelines for Treatment of AK Abstract C4, Euro-PDT 2017 in München. 7. de Berker D et al.: British Association of Dermatologists’ guidelines for the care of patients with actinic keratosis 2017. Br J Dermatol 2017; 176(1): 20–43. 8. Vicentini C: Efficacy and tolerance of the device Flexitheralight® compared to conventional PDT in AK. Abstract C5, Euro-PDT 2017 in München. 9. Lacour JP et al.: Daylight photodynamic therapy with methylaminolevulinate cream is effective and nearly painless in treating actinic keratosis: a randomized, investigator-blinded, controlled, phase III study throughout Europe. J Eur Acad Dermatol Venereol 2015; 29: 2342–2348. 10.Szeimies RM: AK treatment response outcome: Value of lesion response rate Abstract C22, Euro-PDT 2017 in München. 11.Togsverd-Bo K: Conventional PDT vs. imiquimod for AK in organ transplant recipients. Abstract C17, Euro-PDT 2017 in München. 12.Bancalari Simon B: cPDT with MAL vs ALA nanoemulsion for AK treatment. Abstract C18. Euro-PDT 2017 in München. 13.Sotiriou E: Long-term efficacy of DLPDT in AK. Abstract C21, Euro-PDT 2017 in München. 14.Fai D: Daylight MAL PDT versus ingenolmebutate for the treatment of AK: an intraindividual comparative analysis. Abstract C16, Euro-PDT 2017 in München. 15.García-Malinis AJ: DL-PDT patient preference among AK treatments. Abstract C24, Euro-PDT 2017 in München. 16.Chavda R: High patient satisfaction with MAL cream activated by daylight in the treatment of multiple AK: Results of a non-interventional study in Australia. Abstract C25, Euro-PDT 2017 in München.
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