Transkript
Foto: Laubach
KONGRESSBERICHT
SGML
Mit Laser gegen Radiodermatitis
Jede dritte Frau entwickelt durch Bestrahlung bei Brustkrebsbehandlung ein Radioderm
Jucken, Brennen, Teleangiektasien, Atrophie, sogar Fibrose und Ulzerationen im Bestrahlungsfeld – Radiodermatitis ist der Preis, den viele Frauen mit Brustkrebs für ihr Überleben bezahlen müssen. Mit Lasertherapie lassen sich diese Beschwerden lindern – und möglicherweise ihnen sogar vorbeugen.
Hans-Joachim Laubach
Die Bestrahlungstherapie gehört heute zum Standard bei der Therapie von Patienten mit Mammakarzinom. Etwa 80 Prozent der Brustkrebspatienten unterziehen sich einer Radiotherapie. Und es wirkt ja auch. Nicht zuletzt durch die Bestrahlung ist die Mortalität beim Mammakarzinom auf etwa 20 Prozent gesunken, wie Dr. Hans-Joachim Laubach, Genf, berichtet hat. Darüber freuen sich natürlich die Patienten und ihre Onkologen. Was Krebstherapeuten aber meist nicht beachten und höchstens als zu vernachlässigende Nebenwirkung einstufen, kann für die Patientinnen quälend sein: die Radiodermatitis. Wie Laubach berichtete, entwickeln zirka 80 Prozent eine akute strahlenbedingte Hautentzündung. Die Hautreaktionen während oder kurz nach der Strahlentherapie können von einem milden Erythem über eine trockene bis zur konfluierenden feuchten Desquamation mit Blasenbildung und Ulzeration reichen. Die gravierendste Form ist die Nekrose, die jedoch heute kaum noch vorkommt.
Chronische Wunde
In den meisten Fällen heilen diese Symptome wieder ab. Doch sie kommen wieder, denn die Radiodermatitis ist ein dynamischer Prozess, betonte Laubach. Es kommt durch die ionisierenden Strahlen zu einer abnormen Fibroblastenaktivierung, zu einem ständigen Umbau in der Haut sowie zu einer Modulation
der Zytokinexpression. Hierbei sei TGF-β (transforming growth factor β) quasi der Hauptschalter, so Laubach. Noch Jahre später kann es in dem bestrahlten Areal zur chronischen Radiodermatitis kommen. Man müsse ein Radioderm als ständige Wunde betrachten, verdeutlichte der Dermatologe aus Genf. Zehn Jahre nach der Bestrahlung – selbst bei einem hypofraktionierten Bestrahlungsschema – entwickeln etwa ein Drittel der Patientinnen Symptome der chronischen Radiodermatitis an der Haut und etwa die Hälfte im subkutanen Gewebe. Hierbei entfallen annähernd 10 Prozent auf Grad 2 (1).
Mit Laser dermale Strahlenschäden bremsen
Laubach ist der Meinung, dass diese Bestrahlungsfolgen nicht in diesem Ausmass sein müssten, schliesslich könne man – in kleinem Umfang – vorbeugen. Derzeit werde empfohlen, mit dem Tag der Bestrahlung beginnend topische Glukokortikoide der Stufe III einmal täglich aufzutragen (2). Doch auch die Lasermedizin hat in Sachen Prävention etwas zu bieten: die Fotobiomodulation (3). In einer aktuellen Studie unterzogen sich 57 Patienten zusätzlich zu ihrer Bestrahlungstherapie einer Laserbehandlung beziehungsweise einer Plazebotherapie, die beginnend mit der ersten Bestrahlung zweimal pro Woche direkt nach den Bestrahlungssitzungen verabreicht wurde.
Tabelle:
Schweregrade der chronischen Radiodermatitis (nach RTOG [The Radiation Therapy Oncology Group])
Gewebe Haut
0 keine Symptome
Grad 1
leichte Atrophie, Pigmentstörungen etwas Haarverlust
Grad 2
fleckige Atrophie; moderate Teleangiektasien; totaler Haarverlust
Grad 3
abgegrenzte Atrophieareale grossflächig Teleangiektasien
Grad 4 Ulzeration
subkutanes Gewebe
keine Symptome
leichte Verhärtung (Fibrose) und Verlust von subkutanem Fett
moderate Fibrose, asymptomatisch leichte Kontrakturen
schwerwiegende Verhärtungen und Verlust des subkutanen Gewebes, deutliche Kontrakturareale
Nekrose
14 SZD 4/2017
KONGRESSBERICHT
SGML
Die Lasertherapie wurde mit einem Klasse IV MLS®Laser durchgeführt – dieser hat zwei synchronisierte Diodenlaser im Infrarotbereich (808–905 nm) kombiniert mit einer fixen Energiedichte (4 J/cm2). Nach Ende der Radiotherapie war der Schweregrad der Radiodermatitis zwischen den beiden Gruppen signifikant unterschiedlich (p = 0,035): In der Kontrollgruppe hatten mehr Patienten eine akute Radiodermatitis erlitten als in der Lasertherapie-Gruppe (30% vs. 7%). Zudem verschlimmerten sich die Hautreaktionen (feuchte Desquamation) der Kontrollpatienten (p = 0,006), hingegen blieben sie bei den Verumpatienten stabil (p = 0,205). Diese preliminären Daten lassen nach Einschätzung der Autoren vermuten, dass eine Fotobiomodulationstherapie mittels Laser einer Verschlimmerung der akuten Hautreaktionen bei Brustkrebspatientinnen, die sich einer Radiotherapie unterziehen, vorbeugen helfen könnte.
Mit Laser behandeln
Die Hauptdomäne des Lasereinsatzes bei der Radiodermatitis ist die Behandlung der leichteren Symptome wie Teleangiektasien und Pigmentstörungen. Doch welches Laserverfahren ist am günstigsten? Dänische Dermatologen haben den Effekt von lang gepulstem Farbstofflaser (long-pulsed dye laser = LPDL) mit dem intensiven gepulsten Licht (intense pulsed light = IPL) verglichen (4). Bei dreizehn Frauen mit Radiodermatitis wurde eine Hälfte der Effloreszenzen mit dem LPDL (V-beam Perfecta, 595 nm) und die andere Hälfte mit dem IPL (Ellipse Flex) behandelt. Die Sitzungen erfolgten in drei Serien im Abstand von sechs Wochen. Hierbei zeigte sich die LPDLBehandlung der IPL etwas überlegen: Mehr Teleangiektasien verschwanden (90 vs. 50%) und die Patienten empfanden die LPDL als weniger schmerzhaft. Doch nicht nur das kosmetische Ergebnis lässt sich mit dem Laser beeinflussen. Auch in den Vernarbungsprozess kann man mit einer Blitzlampe eingreifen. Laubach berichtete von einer Studie taiwanesischer Chirurgen, die Keloide mit einem gepulsten Farbstofflaser (PDL) behandelt haben (5). Vor allem untersuchten sie, ob sich mittels PDL der transforming growth factor-β1 (TGF-β1) vermindern lässt, dadurch die Fibroblastenproliferation reduziert wird, in der Folge die Kollagendeposition beeinflusst wird und letztendlich sich die Keloide zurückbilden. Dazu behandelten sie 30 Keloid-Patienten mit PDL (Fluence pro Impuls war 10–18 J/cm2, im Mittel 14,0 J/cm2) mehrmals im Abstand von zwei Monaten. Den Patienten wurden vor und nach der Behandlung mehrere Biopsien in den behandelten Bereichen entnommen und mittels immunhistochemischer Färbung der TGF-β1, das proliferierende Zellkern-Antigen (PCNA) sowie die Kollagentypen I und III in der extrazellulären Matrix bestimmt. Ergebnis: In der klinischen Beurteilung
Plädoyer für die Behandlung der Radiodermatitis
«Das bisschen Hautproblem ...» – die Radiodermatitis als (Spät-)Folge der Bestrahlung wird sowohl von Ärzten als auch von den Patienten oft nicht ernst genommen. Schliesslich sind alle froh, dass die lebensbedrohliche Krebserkrankung zum Stillstand gekommen ist – da nimmt man «kleine Hautveränderungen» eben hin. Viele Patienten präsentieren daher auch bei Nachsorgeterminen nicht die Effloreszenzen. Entsprechend ist den Behandlern nicht präsent, dass zehn Jahre nach der Bestrahlung bis zu 30 Prozent der ehemaligen Brustkrebspatientinnen Hautschäden entwickeln, die von Teleangiektasien bis zu Ulzerationen reichen. Und die Symptome der Radiodermatitis wie subkutane Fibrose oder nässende Bereiche (feuchte Desquamation) können die Lebensqualität erheblich einschränken.
Doch es gibt durchaus Methoden, die den Betroffenen das Leben erleichtern können – beispielsweise mit verschiedenen Lasersystemen. Allerdings müssen die Therapiemöglichkeiten auch bekannt sein. Als Präsident der European Society of Lasers and Energy Based Devices (ESLD) hat sich Dr. Hans-Joachim Laubach auf die Fahnen geschrieben, mehr Aufmerksamkeit auf die chronische Radiodermatitis zu lenken – sowohl auf die Diagnostik als auch auf die Behandlungsmöglichkeiten. «Die ehemaligen Krebspatienten haben ein Recht darauf, ein normales Leben zu führen und ihre Krankheit vergessen zu können. Und nicht täglich durch eine Verhärtung oder Verfärbung stets daran erinnert zu werden», plädiert Laubach. Dazu hat die ESDL eine öffentliche Kampagne ins Leben gerufen: «Laser Medicine for Breast Cancer Survivors».
Mehr Informationen zu Radiodermatitis und der Awareness-Kampagne gibt es unter: www.esld.eu
zwölf Monate nach der letzten PDL-Behandlung waren
die Keloide bei 26 von 30 Patienten um mehr als 50 Pro-
zent zurückgegangen. Vor allem Rötung und Uneben-
heiten hatten sich gebessert, und die Narben waren
weicher und elastischer geworden. Ebenso hatten
sich die Expression des TGF-β1, des PCNA sowie des
Kollagen-Typ III, aber nicht Typ I signifikant reduziert.
Die besten Ergebnisse hatten die Patienten mit mehr
als sechs PDL-Sitzungen.
Auch bei den fibrösen Veränderungen kann die Laser-
therapie offenbar etwas bewirken – zumindest wenn
man Rückschlüsse aus einer Studie bei Patienten mit
Sklerodermie zieht, berichtete Laubach. Morpheapatienten mit einer Kontraktur am Sprunggelenk wurden mit einem fraktionierten ablativen Carbonlaser, zusätzlich zu Methotrexat und physikalischer Therapie, behandelt. Nach einem Jahr konnte damit die Flexion des Fusses nahezu normalisiert werden. L
Quelle: Vortrag «Laser Medicine for Breast Cancer Survivors» von Dr. med. Hans-Joachim Laubach am Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für medizinische Laseranwendungen (SGML), 19.1.2017 in Zürich.
Angelika Ramm-Fischer
Referenzen: 1. Whelan TJ et al.: Long-Term Results of Hypofractionated Radiation Therapy for
Breast Cancer, N Engl J Med 2010; 362: 513–520. 2. Wong R et al.: Clinical practice guidelines for the prevention and treatment of acute
and late radiation reactions from the MASCC Skin Toxicity Study Group, Support Cancer Care 2013, 21(10): 2933–2948. 3. Robijns J et al.: Photobiomodulation for the prevention of radiodermatitis: Preliminary results of a randomized controlled clinical trial in breast cancer patients, Annals of Oncology 2016, 27(Suppl 6): 1475P. 4. Nymann P et al.: Intense pulsed light vs. long-pulsed dye laser treatment of telangiectasia after radiotherapy for breast cancer: a randomized split-lesion trial of two different treatments. Br J Dermatol 2009; 160(6): 1237–1241. 5. Kuo Y et al. : Flashlamp pulsed dye laser (PDL) suppression of keloid proliferation through down-regulation of TGF-β1 expression and extracellular matrix expression. Lasers in Surgery and Medicine 2004; 34: 104–108. 6. Kineston D et al.: Use of a fractional ablative 10,6 μm carbon dioxid laser in the treatment of a morphea-related contracture. Arch Dermatol 2011; 147(10): 1148–1150.
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