Transkript
KONGRESSBERICHT
Kontinuum zwischen gut- und bösartig
Kleiner Überblick über die Welt der seltenen Hauttumoren
Irgendwo im Kontinuum zwischen benignen und malignen Naevi liegen atypischer Naevus Spitz, atypischer blauer Naevus und dysplastischer Naevus. Bei solchen oft im Kindesalter auftretenden Naevi ist die Unterscheidung zwischen gut und böse häufig schwierig. PD Dr. Katrin Kerl vom USZ und Prof. Dr. Lukas Flatz vom Kantonsspital St. Gallen gaben an den Zürcher Dermatologischen Fortbildungstagen (ZDFT) einen Überblick.
Blauer Naevus (Naevus coeruleus)
Der blaue Naevus erscheint meist während der Kindheit oder Jugend und kommt zu 50 Prozent dorsal an den Händen und Füssen, im Gesicht oder auf der Kopfhaut vor. In der Regel tritt er als einzelnes, scharf begrenztes, blauschwarzes Knötchen mit glatter Oberfläche auf und ist im Durchmesser meist kleiner als ein Zentimeter. Nicht selten kann er sowohl klinisch als auch histologisch differenzialdiagnostische Probleme verursachen, da beispielsweise Ähnlichkeiten zu Melanommetastasen, atypischen Naevi, Dermatofibromen und pigmentierten Basalzellkarzinomen bestehen können. Besässen blaue Naevi einen Durchmesser von über einem Zentimeter oder sei eine auffällige Evolution festzustellen, werde eine Exzision empfohlen, sagte Prof. Lukas Flatz vom Kantonsspital St. Gallen. Wenn es nicht zu ungewöhnlichen Veränderungen kommt, genügt die regelmässige Beobachtung. Histologisch sei der blaue Naevus charakterisiert durch bipolare pigmentreiche Melanozyten, wobei zumeist mehr als nur ein Zelltyp gefunden werde, erklärte PD Dr. Katrin Kerl vom USZ. Da er dermal proliferiere, könne eine einfache ShaveBiopsie problematisch sein, weil unter Umständen die Läsion histologisch dann gar nicht gesehen werde. Der Naevus coeruleus ist hauptsächlich ein kosmetisches Problem, eine maligne Entartung ist sehr selten.
Naevus Spitz
Auch der Naevus Spitz, dessen stärker pigmentierte Variante als Naevus Reed bezeichnet wird, tritt bevorzugt bei Kindern und jungen Erwachsenen auf. Dieser Naevus ist bevorzugt im Gesicht und an den proximalen Anteilen der Extremitäten lokalisiert und bildet in relativ kurzer Zeit ein rötliches bis braunes, halbkugeliges, derbes und haarloses Knötchen, mit einem Durchmesser meist unter einem Zentimeter.
Obwohl Spitz-Naevi in der Regel gutartig sind, sollte wegen der schwierigen Differenzialdiagnose zum malignen Melanom jede derartige Läsion exzidiert und histologisch untersucht werden. Dabei wird eine spezielle Zellmorphologie in Form von Spindelzellen und Epitheloidzellen sichtbar.
Spitzoider Tumor
Der englische Ausdruck des spitzoiden Tumors, nämlich «Spitzoid tumors of uncertain malignant potential», kurz STUMP, sage eigentlich schon alles, so Flatz. Denn ein Teil dieser spitzoiden Läsionen führt in ein diagnostisches Dilemma, da die Histologie einerseits charakteristische Zeichen eines Naevus Spitz und andererseits diejenigen eines Melanoms zeigt (1). Aus diesem Grund könne die Histologie bisweilen keine klare Diagnose liefern, weshalb man auf molekularbiologische Methoden zurückgreifen solle, so der Ratschlag von Kerl. Allerdings sei beispielsweise auch der FISH-Test in vielen Fällen nicht sehr hilfreich, weshalb er in diesem Kontext eigentlich immer weniger verwendet werde. Der Nachweis spezifischer Mutationen würde daher eine grössere Aussagekraft besitzen. Für spitzoide Tumoren mit unsicherem malignem Potenzial steht ein anerkannter Algorithmus zur Verfügung (siehe Abbildung).
Dysplastischer Naevus (Naevus Clark)
Ist es nicht möglich, zwischen benignem gewöhnlichem Naevus und Melanom zu unterscheiden, wird auch der Begriff dysplastischer Naevus verwendet. Das sind pigmentierte melanozytäre Naevi, die sich bezüglich Symmetrie, Begrenzung, Farbe und Durchmesser von gewöhnlichen Naevi unterscheiden. Solche atypischen Naevi können zum Beispiel eine unregelmässig konfigurierte und verwaschene Begrenzung unterschiedlicher Farbtöne zeigen.
24 SZD 4/2017
KONGRESSBERICHT
Evaluation und Management von pädiatrischen spitzoiden Tumoren mit unsicherem malignem Potenzial
Verdacht auf atypischen Naevus Spitz?
Histopathologische Untersuchung
Kennzeichen, die für ein Melanom sprechen: Grösse über 1 cm Ulzeration fehlende Reifung
zytologische Atypien viele Mitosen
pagetoide Ausbreitung heterogene Organsiation wenige oder keine Kamino-Körperchen zunehmende Asymetrie Fehlen gut definierter Ränder signifikante Breslow-Tiefe
Kennzeichen, die für einen gutartigen Naevus sprechen: Ist genügend Gewebe für eine Evaluation verfügbar?
Nein Ja
Vollständige Reexzission und Neuuntersuchung
Keine weitere Aufarbeitung notwenig
Beratung mit erfahrenen Kollegen
Verbleibende Unsicherheit ¨ weitere Untersuchungen: FISH oder CGH
Keine chromosomale Aberation ODER kein isolierter Zugewinn an Chromosom 11p: Resultate sprechen für Gutartigkeit
Keine signifikanten Zweifel: favorisierte Diagnose akzeptieren (Naevus oder Melanom)
Multiple chromosomale Aberationen: Resultate sprechen für Melanom
Management wie Naevus: L nochmalige Exzision, falls inkomplett entfernt
L keine SLK-Biopsie
Verstärktes individualisiertes Management: L Exzision mit adäquaten Rändern zur lokalen Kontrolle
L SLK-Biopsie erwägen
CGH: comparitive genomic hybridization, FISH: fluorescent in situ hybridization, SLK: Sentinel-Lymphknoten
Histologisch kann ein dysplastischer Naevus aussehen wie ein Melanom, ist aber benigne, weshalb er auch als «Imitator» bezeichnet wird. So oder so: Ein dysplastischer Naevus sollte auf jeden Fall exzidiert werden. Die vielen melanozytären Zwischenstadien machen deutlich, dass sich das Spektrum zwischen benignen Naevi und malignen Melanomen in einem Kontinuum befindet. Prinzipiell sei es so: Je mehr genetische Mutationen sich in einer Läsion angesammelt
hätten, desto eher verschiebe sie sich in Richtung
Melanom (2).
L
Klaus Duffner
Referenzen: 1. Tom WL et al.: Pediatric «STUMP» lesions: evaluation and management of difficult
atypical Spitzoid lesions in children. J Am Acad Dermatol 2011; 64(3): 559–572. 2. Shain AH et al.: The Genetic Evolution of Melanoma from Precursor Lesions. N Engl
J Med 2015; 373: 1926–1936.
Quelle: Zürcher Dermatologische Fortbildungstage. Jahresthema Teil I: Seltene Hauttumoren und Hauttumorsyndrome, 14. Juni 2017 in Zürich
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