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KONGRESSBERICHT
Hedgehog-Hemmung beim fortgeschrittenen Basalzellkarzinom
Was leistet die molekular gezielte orale Therapie?
Mit einer Lebenszeitprävalenz von 30 Prozent ist das Basalzellkarzinom in der Schweiz der häufigste maligne Tumor. Was die orale Therapie mit einem Hedgehog-Signalweghemmer beim fortgeschrittenen Basalzellkarzinom und bei multiplen Basalzellkarzinomen im Rahmen von Genodermatosen leistet, legte Dr. Mirjam Nägeli, Dermatologische Klinik, Universitätsspital Zürich, an einer dermatoonkologischen Fortbildung des Hauttumorzentrums USZ dar.
Beim oberflächlichen Basalzellkarzinom reichen oft topische Therapien aus (z.B. Kryotherapie, photodynamische Therapie, Imiquimod, 5-Fluorouracil). Bei tieferer Ausdehnung des lokal infiltrierend und destruierend wachsenden Tumors ist die chirurgische Resektion die Therapie der ersten Wahl, während die Strahlentherapie bei über 60-Jährigen als Alternative in Betracht kommt (1). Unbehandelt dringt der Tumor immer weiter vor durch Muskeln, Nerven, Knorpel und Knochen. In 1 bis 10 Prozent der Fälle suchen Patienten den Arzt erst dann auf, wenn das Basalzellkarzinom bereits lokal fortgeschritten und eine chirurgische Therapie nicht mehr angebracht ist (2). Sehr selten sei die gefährliche metastasierende Form des Basalzellkarzinoms (weniger als 0,5% der Fälle) mit schlechter Prognose (mediane Überlebenszeit 8 bis 14 Monate, 5-Jahres-Überlebensrate 10%), berichtete die Referentin.
Oral behandeln, wo Chirurgie oder Strahlentherapie nicht in Betracht kommen
In der Regel sind Patienten mit fortgeschrittenem Basalzellkarzinom keineswegs verwahrlost. Dass sie erst so spät zum Arzt kämen, um ihren Hauttumor behandeln zu lassen, habe mit der fehlenden Schmerzhaftigkeit zu tun, so die Erfahrung von Nägeli. Die Patienten behandeln sich in Eigenregie mit Cremes und hoffen, dass die Abheilung beginnt, wenn sich jeweils wieder eine Kruste gebildet hat. Sie decken die betroffene Hautstelle ab und warten. Erst wenn sich immer mehr Sekret bildet und es zu bluten und zu stinken beginnt, gehen die Betroffenen zum Arzt. Der orale Hedgehog-Signalweghemmer Vismodegib (1 Kapsel zu 150 mg täglich) ist gemäss Arzneimittelinformation in der Schweiz zugelassen zur Behandlung erwachsener Patienten mit fortgeschrittenem Basalzellkarzinom, wenn eine chirurgische Behandlung oder eine Strahlentherapie nicht infrage kommt. In der Spezialitätenliste werden die Voraussetzungen für die Kostengutsprache von Erivedge® (Vismodegib) detailliert genannt (Limitatio):
1. metastasierende Basalzellkarzinome 2. lokal fortgeschrittene Basalzellkarzinome, bei denen
chirurgische Massnahmen oder Strahlentherapie nicht angemessen sind; 2a. Zustand nach operativer Entfernung von mehr als 5 Basalzellkarzinomen bei Genodermatosen mit Entwicklung multipler Basalzellkarzinome wie Basalzellnävussyndrom (Gorlin-Goltz-Syndrom) oder Xeroderma pigmentosum; 2b. Durchmesser, Rezidive, Lokalisation als Kriterien; 2c. dokumentierte Invasion in benachbarte Strukturen; 2d. vorbehandelte Basalzellkarzinome; 2e. kontraindizierte Strahlentherapie 3. fortgeschrittene Basalzellkarzinome bei Patienten mit internistischer Grunderkrankung, welche einer Operation oder Strahlentherapie entgegensteht.
In der Schweiz ist zudem Sonidegib (Odomzo®) als weiterer oraler Hedgehog-Signalweghemmer zugelassen, aber derzeit nicht erhältlich, so die Referentin. Die indische Firma Sun Pharma kündigte im Dezember 2016 an, dass sie das Medikament von Novartis kauft.
Nutzen oraler Hedgehog-Signalweghemmer in Studien belegt
In einer vor 5 Jahren publizierten internationalen Multizenterstudie (ERIVANCE BCC) stellten unabhängige Experten fest, dass Vismodegib bei 30 Prozent der 33 Patienten mit metastasiertem (mBCC) und bei 43 Prozent der 63 Patienten mit lokal fortgeschrittenem Basalzellkarzinom (laBCC) ein Ansprechen erreichte (3). Die beteiligten Studienärzte fanden objektive Ansprechraten von 45 Prozent (mBCC) und 60 Prozent (laBCC) (3). Zu dieser pivotalen Studie wurde kürzlich das abschliessende Update mit einer Beobachtungszeit von 39 Monaten publiziert (4). Die Studienärzte berichteten über objektive Ansprechraten von 48,5 Prozent in der mBCC-Gruppe (partielles Ansprechen) und von 60,3 Prozent in der laBCCGruppe (20 Patienten mit komplettem, 18 mit partiellem Ansprechen). Die mediane Dauer des Ansprechens betrug 14,8 Monate (mBCC) und 26,2 Monate
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(laBCC). Das mediane Gesamtüberleben bei Patienten mit mBCC lag bei 33,4 Monaten (4). Die 12-Monats-Analyse der BOLT-Studie, die zwei Dosierungen von Sonidegib (200 mg und 800 mg) testete, ergab mit der niedrigeren Dosis bei Patienten mit laBCC eine objektive Ansprechrate von 57,6 Prozent (5). Bei mehr als der Hälfte der 94 Patienten mit laBCC, die auf Sonidegib ansprachen, betrug die Ansprechdauer mehr als 6 Monate.
Take Home Messages
L Fortgeschrittene und metastasierte Basalzellkarzinome können mit einem oralen Inhibitor des Hedgehog-Signalwegs behandelt werden.
L Die massgeblichen Kriterien für die Kostengutsprache sind als Limitatio für Erivedge® (Vismodegib) in der Spezialitätenliste zu finden.
L Im Hinblick auf mögliche Nebenwirkungen und auf die Compliance ist es wichtig, die Patienten sorgfältig zu informieren und eng zu begleiten.
Sorgfältig über Nebenwirkungen aufklären
Bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem Basalzellkarzinom kann die Behandlung nach einiger Zeit wieder gestoppt werden. «Wir behandeln in der Regel bis 6 Monate nach der Abheilung», sagte die Referentin. Die Nebenwirkungen seien nicht besonders gefährlich, schränkten aber die Lebensqualität erheblich ein. Eine gute Aufklärung über Nebenwirkungen sei äusserst wichtig für eine gute Compliance der Patienten. Häufige Nebenwirkungen von Vismodegib sind Muskelkrämpfe, Haarausfall (auch von Wimpern und Augenbrauen), Geschmacksverminderung (Dysgeusie), Gewichtsverlust und Fatigue. Jüngere Patientinnen und Patienten müssen das teratogene Risiko von Vismodegib strikt beachten. Während der Behandlung und noch 24 Monate über das Therapieende hinaus müssen behandelte Frauen dafür sorgen, dass sie nicht schwanger werden können. Behandelte Männer müssen während der Behandlung und noch 2 Monate über das Therapieende hinaus immer Kondome mit Spermizid verwenden.
Gorlin-Goltz-Syndrom und Wirkmechanismus von Hedgehog-Signalweghemmern
Beim autosomal dominant vererbten Basalzellnävussyndrom (Gorlin-Goltz-Syndrom) bilden sich bereits im Kindesalter oder bei jungen Erwachsenen hauptsächlich in UV-exponierten Hautarealen multiple Basalzellkarzinome. Bei der genetischen Untersuchung sind in der Regel inaktivierende Mutationen von PTCH (patched) feststellbar. PTCH ist ein transmembranöser Rezeptor, der die Aufgabe hat, das transmembranöse Protein SMO (smoothened) zu hemmen. Wenn extrazelluläre Hedgehog-Liganden an den Rezeptor PTCH andocken, wird die durch PTCH sichergestellte Hemmung von SMO abgeschwächt und der Hedgehog-Signalweg dadurch aktiviert (2). Auch inaktivierende Mutationen von PTCH deblockieren den Hedgehog-Signalweg. Der Hedgehog-Signalweg sorgt während der embryonalen Entwicklung für die Steuerung von Zellproliferation und Zelldifferenzierung, aber in den meisten gesunden Zellen Erwachsener ist er blockiert und inaktiv. Wird er jedoch entblockiert, können ungehemmt von
SMO ausgehende intrazelluläre Signale weitergelei-
tet werden, wobei es zur Gentranskription und zur
Zellproliferation mit unkontrolliertem Tumorwachs-
tum kommt. Analog zum Gorlin-Goltz-Syndrom lie-
gen bei Basalzellkarzinomen, die nicht im Rahmen
von Genodermatosen auftreten, bei 70 bis 90 Pro-
zent sporadische Mutationen von PTCH vor (2). Bei
10 bis 20 Prozent sind sporadische Mutationen von
SMO zu finden (2). Die Hedgehog-Signalweghem-
mer Vismodegib und Sonidegib inaktivieren den pa-
thologisch entblockierten Signalweg, indem sie als
Inhibitoren gezielt an SMO binden (2).
Im Rahmen einer randomisierten, plazebokontrollier-
ten Doppelblindstudie erhielten 41 Patienten mit
Gorlin-Goltz-Syndrom täglich entweder 150 mg Vis-
modegib oder Plazebo (6). Die aktive Behandlung
erreichte eine deutliche Reduktion bestehender
Basalzellkarzinome und beugte der Bildung neuer
Basalzellkarzinome wirksam vor. Die Schlussresultate
dieser Studie wurden im Dezember 2016 publiziert
(Beobachtungszeit von 36 Monaten) (7). Die mittlere
Rate neu aufgetretener Basalzellkarzinome wurde im
Vergleich zu Plazebo (34 pro Patient und Jahr) mit
Vismodegib auf 2 pro Patient und Jahr reduziert (7).
Bei Patienten mit Gorlin-Goltz-Syndrom sollte die
Therapie mit dem oralen Hedgehog-Signalweghem-
mer in der Regel lebenslang weitergeführt werden.
Kürzlich konnte in der MIKIE-Studie gezeigt werden,
dass bei Patienten mit multiplen Basalzellkarzinomen
mit Vismodegib auch dann gute Resultate erreicht
werden können, wenn zwischendurch 2-monatige
Therapiepausen eingeschaltet werden (8). Die inter-
mittierende Behandlung mache die Therapie hin-
sichtlich der Lebensqualität verträglicher, so die Re-
ferentin. Wenn die Behandlung unterbrochen wird,
lassen Muskelkrämpfe rasch nach. Bis sich allerdings
die Geschmacksverminderung, die mit einer Verzö-
gerung von etwa einem Monat begonnen hat, nach
Unterbrechung der Therapie erholt hat, vergeht etwa
ein Monat.
L
Alfred Lienhard
Das Literaturverzeichnis ist online einsehbar unter: rosenfluh.ch/dermatologie-aesthetische-medizin-2017-04
Quelle: Fortbildung «Interdisziplinäre Probleme in der Dermatoonkologie», Hauttumorzentrum USZ, 18. Mai 2017 in Zürich.
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Referenzen: 1. Nägeli M et al.: Vismodegib (Erivedge®). Schweiz Med Forum 2014; 14: 284–286. 2. Sekulic A et al.: Hedgehog Pathway Inhibition. Cell 2016; 164: 831. 3. Sekulic A et al.: Efficacy and safety of vismodegib in advanced basal-cell carcinoma.
N Engl J Med 2012; 366: 2171–2179. 4. Sekulic A et al.: Long-term safety and efficacy of vismodegib in patients with
advanced basal cell carcinoma: final update of the pivotal ERIVANCE BCC study. BMC Cancer 2017; 17: 332. 5. Dummer R et al.: The 12-month analysis from basal cell carcinoma outcomes with LDE225 treatment (BOLT): A phase II, randomized, double-blind study of sonidegib in patients with advanced basal cell carcinoma. J Am Acad Dermatol 2016; 75: 113–125. 6. Tang JY et al.: Inhibiting the hedgehog pathway in patients with the basal-cell nevus syndrome. N Engl J Med 2012; 366: 2180–2188. 7. Tang JY et al.: Inhibition of the hedgehog pathway in patients with basal-cell nevus syndrome: final results from the multicentre, randomised, double-blind, placebocontrolled, phase 2 trial. Lancet Oncol 2016; 17: 1720–1731. 8. Dréno B et al.: Two intermittent vismodegib dosing regimens in patients with multiple basal-cell carcinomas (MIKIE): a randomised, regimen-controlled, doubleblind, phase 2 trial. Lancet Oncol 2017; 18: 404–412.
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