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KONGRESSBERICHT
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Moderne Tattooentfernung
Mythen und Fakten der Picosekundenlaser
Die Picosekundenlaser-Technologie zur Tattooentfernung wurde bei der Einführung enthusiastisch begrüsst. Doch nicht alle ihr zugesprochenen Vorteile haben sich in der Praxis bestätigt. Die Dermatologin Heike Heise aus Düsseldorf räumte mit manchen Mythen auf.
Heike Heise
Waren Tätowierungen noch vor einer Generation nur in bestimmten Berufsgruppen wie Seeleuten zu finden, hat die Mode der permanenten Körperbilder längst auch in bürgerlichen Kreisen Einzug gehalten. Heute ist beispielsweise in Grossbritannien jeder Dritte zwischen 16 und 44 Jahren tätowiert, wie Heike Heise (Düsseldorf) berichtet hat (1). Mit der Häufigkeit der Tätowierungen steigt allerdings auch die Zahl derer, die die «Jugendsünden» wieder loswerden wollen: Im Jahr 2015 wurden 39 Prozent mehr Tattoos entfernt als 2014 – und ein jährlicher Anstieg um 20 Prozent wird erwartet, so Heise. Die Gründe dafür sind vielfältig. Denn auch der dauerhafte Körperschmuck unterliegt der Mode, die sich ja bekanntlich ändert. Wenn sich die Lebenseinstellung von flippig zu seriös verschiebt, sind die Bilder womöglich der Karriere abträglich oder schlicht peinlich. Auch Veränderungen im Liebesleben können der Grund für eine Tattooentfernung sein. Wer will schon seiner neuen Liebe stets den Namen des Verflossenen vor Augen führen? Ein Permanent-Make-up ist ebenfalls eine Tätowierung – und sie kann missglücken. Dies kann das gesamte Erscheinungsbild stören und das Selbstbewusstsein sowie allgemeine Wohlbefinden von Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Auch hier
Prinzip: Unterschiedliche Pulsdauer wirkt besser bei unterschiedlichen Partikelgrössen
am Beispiel des ENLIGHTEN-Lasers
2 ns
750 ps
750 ps
Grosse «Pigmentbrocken» sprechen besser auf längere Pulsdauer an.
Mit jeder Behandlung werden die Brocken mehr zu «Bröckchen», dann sind kürzere Wellenlängen effektiver.
Tattoo Removal – a study of the mechanism an the optimal treatment strategy via computer simulations. Laser in Surgery and Medicine 2002; 30: 389–397
Abbildung: Durch Anpassung der Pulsdauer an die Partikelgrösse behandelt man schneller und effektiver.
muss «abgeschminkt» werden. Neben diesen Schmucktätowierungen stellen auch versehentliche Tätowierungen, die aufgrund einer Verletzung wie beispielsweise durch in die Haut eingedrungene Tinte, Asphalt oder Schwarzpulver entstehen können, für Betroffene ein erhebliches ästhetisches Problem dar.
Kürzere Impulse, bessere Pigmententfernung
War die Einführung der Laser schon ein Quantensprung bei der Tattooentfernung – standen davor doch nur «Übermalung» oder chirurgische Massnahmen zur Verfügung –, so liess sie dennoch zu wünschen übrig. Mit den Q-switch-Nanosekundenlasern waren trotz häufiger Sitzungen schwarze Tattoos meist nicht vollständig zu beseitigen. Selbst nach zehn Sitzungen war nur bei etwa 60 Prozent der Patienten die schwarze Farbe vollständig verschwunden (2). Zwar reicht dies oft Patienten, wenn sie ohnehin geplant haben, das Tattoo erneut übermalen, also ein Cover-up anfertigen zu lassen. Aber an gut sichtbaren Stellen wie auf Händen oder im Gesicht sollten hingegen «Jugendsünden» vollständig entfernt werden. Das sieht bei der Beseitigung von Permanent-Makeup ähnlich aus. Doch in der Regel geht es hier um exakte Konturen, die das Erscheinungsbild prägen. Ein verrutschter Lidstrich kann hier regelrecht entstellen. Die beim Permanent-Make-up verwendeten Pigmentfarben liessen sich bisher mit dem herkömmlichen Nanosekunden-Rubinlaser jedoch nur unzureichend entfernen. Unerwünschte Farbumschläge (z.B. von rot nach grün) oder auch ein Nachdunkeln («ink darkening») waren nicht selten. Besser funktionieren die neuen Picosekundenlaser. Sie sind bei der Beseitigung von Tattoos, PermanentMake-up und gutartigen Pigmentläsionen für viele Hauttypen geeignet, und es lässt sich damit ein grosses Farbspektrum entfernen – bei weniger Nebenwirkungen. Das Prinzip der Laser-Tattoo-Entfernung besteht darin, dass unterschiedliche Pulsdauern auf unterschiedliche Grössen der Farbpigmente wirken. Längere Pulse im Nanosekundenbereich «zerkleinern grosse Brocken», mit jeder Sitzung mit beispielsweise
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750 Picosekunden werden die Farbpartikel kleiner «geschossen», die dann besser abtransportiert und ausgeschieden werden können (3). Insgesamt haben sich bei den Picosekundenlasern kürzere Wellenlängen als effektiv erwiesen.
Falsche Erwartungen an die neue Technik
Die Picolaser sind zwar ein Fortschritt gegenüber der herkömmlichen Laserbehandlung zur Tattooentfernung, aber sie sind noch nicht das Optimum. Dennoch haben sich nicht zuletzt durch die sozialen Medien einige Missverständnisse und «Mythen» verbreitet, die zu überzogenen Erwartungshaltungen hinsichtlich des Erfolges einer solchen Picolaserbehandlung geführt haben. Damit wollte Heise aufräumen und stellte den Mythen die Fakten gegenüber.
Mythos 1: Mit dem Picosekundenlaser lassen sich alle Farben behandeln. Fakt: Es gab bisher keinen Picosekundenlaser, der über alle erforderlichen Wellenlängen verfügt. Das heisst: Das Entfernen aller Farben und Hauttöne mit einem Gerät ist derzeit noch nicht möglich. Um alle Farben einer Tätowierung entfernen zu können, müssen derzeit mindestens zwei Geräte eingesetzt werden. Beispielsweise der Nd:YAG-Laser (1064 nm und 532 nm) Enlighten, der alle Farben ausser Grün und Blau erfasst, kombiniert mit Alexandrit-Laser picosure, der mit 755 nm diese Lücke bei Grün und Blau schliesst. Damit werden die häufigsten Tattoofarben abgedeckt. Übrigens: 96 Prozent aller Tattoos enthalten schwarze und nur 23 Prozent rote Tinte.
Mythos 2: Auch der Picosekundenlaser hinterlässt Narben und Hypopigmentierungen. Fakt: Die Inzidenz von dauerhaften Hypopigmentierungen ist mit dem Picosekundenlaser – verglichen mit dem Nanosekundenlaser – deutlich niedriger, besonders bei den dunklen Hauttypen IV und V.
Mythos 3: Der Picolaser ist ein kalter Laser und daher weniger schmerzhaft. Fakt: Falsch! «Im Gegenteil, die Patienten tolerieren zwar die Behandlung, aber viele empfinden diese schmerzhafter als das Stechen des Tattoos selbst», so Heise. Die Dermatologin schlägt daher ein gutes Schmerzmanagement mit Lokalanästhesie (subkutan oder topisch mit Lidocaincremes), klassischen Schmerzmitteln und – ganz wichtig – Kühlung vor. Das Schmerzempfinden mag auch damit zusammenhängen, dass mit dem Picolaser bei der Wellenlänge 1064 nm mit höherer Energie auch tiefere Schichten in der Dermis erreicht werden. Dies ist hinsichtlich der Tatooentfernung durchaus wünschenswert, da vor allem bei Laientätowierungen sehr unterschiedliche Tiefen der Farbeinbringung erzielt werden.
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Mythos 4: Mit dem Picolaser benötigt man nur
ein Drittel der Sitzungen. Fakt: Auch dies ist falsch. Zwar seien klinisch weniger
Behandlungstermine als beim Nanosekundenlaser
Wellenlängen und Farbspektren
532 nm
755 nm
nötig, dennoch sei die Zahl der Sitzungen immer noch sehr variabel, so Heise. Die Anzahl der erforderlichen Sitzungen hängt stark von der Art des Tattoos, dem Alter sowie dem Hauttyp des Patienten ab. Für die Entfernung von Profitätowierungen sind aufgrund der höheren Pigmentdichte und Farbenvielfalt in der Regel mehr Sitzungen erforderlich als für einfarbige Laientätowierungen.
Weiterentwicklungen in Sachen Lasertattooentfernung
2 ns
532 nm Abbildung:
Recalcitrant Tatoo
1064 nm
ab
cd a = Pre Tx, b = immediately post 1 ruby TY, c = 6 wks post 3 ruby Txs, d = 6 wks post 1 enlighten Tx
Abbildung:
Tattoo Colors Frequency
100%
80%
60%
40%
20% 96% 23% 19%
9%
5%
5%
0%
SchwDaurnz/kel Rot Grün Gelb Weiss Hellblau
2% Blau
96 Prozent der Tätowierungen enthalten schwarze Tinte, 23 Prozent verwenden rote Tinte.
Abbildung: 1064 nm und 532 nm (ND:YAG) Wellenlänge deckt die häufigsten Tattoofarben ab.
Auch wenn der Picosekundenlaser einen deutlichen Fortschritt bei der Tattooentfernung bedeutet, lassen sich damit noch immer nicht alle Farben gleich gut entfernen. Vor allem Grün scheint mit dem Gerät Enlighten mit den Wellenlängen 532 und 1064 schwierig zu sein. Heise wünscht sich daher eine weitere Wellenlänge im Behandlungsspektrum. In Studien hat sich die Wellenlänge von 670 nm als effektiv besonders bei der Entfernung von grünen Pigmenten herausgestellt – bisher war Grün gerade bei Multicolor-Tattoos eine grosse Herausforderung, so Heise. Auch Blau lässt sich mit Pulsen der Wellenlänge 670 gut entfernen (4). Heise berichtete auch von einer weiteren Entwicklung, der MLA (microlens array). Dieses Zusatzsystem, das bereits in Asien weit verbreitet ist, ergänzt die herkömmlichen Linsen. Der fraktionierte Spot ermöglicht eine gleichmässige Verteilung der Energie auf der Haut ohne Hotspots. Dadurch lassen sich auch Pigmentstörungen bei empfindlichen Hauttypen verbessern und das Risiko für postinflammatorische Hyperpigmentierungen reduzieren. Zusätzlich werden diese fraktionierten Systeme für die Pikosekundenlaser auch für die Hautverjüngung, die sogenannte Skin Rejuvenation, angeboten. Durch die Anregung der Kollagenneusynthese soll eine Verbesserung der Hauttextur erzielt werden. Heise sprach auch über die Anschaffungskosten solcher modernen Lasersysteme. Mit einer Investition von mehr als 200 000 CHF (ohne Unterhalt, Wartung und Ersatzteile) kann dies ein wirtschaftliches Risiko für eine Einzelpraxis sein und bleibt zunächst eher spezialisierten Zentren oder Instituten überlassen. L
Angelika Ramm-Fischer
Referenzen: 1. www.dailymail.co.uk/news/article-2714837 2. Bencini PL et al.: Removal of tattoos by q-switched laser: variables influencing out-
come and sequelae in a large cohort of treated patients. Arch Dermatol 2012; 148(12): 1364–1369. 3. Ho D et al.: Laser-tattoo removal – a study of the mechanism and the optimal treatment strategy via computer simulations. Lasers Surg Med. 2002; 30(5): 389–397. 4. Bäumler W et al.: Q-switch laser and tattoo pigments: First results of the chemical and photophysical analysis of 41 compounds. Lasers in Surgery and Medicine 2000, 26(1): 13–21.
Quelle: Vortrag «Tattooentfernung – what matters?» von Dr. med. Heike Heise am Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für medizinische Laseranwendun-
gen (SGML), 19.1.2017 in Zürich.
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