Transkript
PsoriNet+ Kompetenznetz Psoriasis niedergelassener Dermatologen Schweiz
Nagelpsoriasis mit PDE4-Hemmer behandelt
Fallbericht
von Dr. Beat Keller
Anamnese
Die 48-jährige Patientin leidet seit 20 Jahren an einer Psoriasis vulgaris unguium, vor allem der Hände; das Integument blieb mit Ausnahme der okzipito-nuchalen Region im Sinne einer Sebo-Psoriasis bisher praktisch unbefallen. In ihrem Beruf als Physiotherapeutin ist die Nagelpsoriasis subjektiv nicht nur ästhetisch sehr störend, sondern teilweise auch funktionell einschränkend, was sich in einem erhöhten DLQI von 14 Punkten (> 10 Punkte: schwere Beeinträchtigung) widerspiegelt. Die Patientin ist Nichtraucherin und nimmt keine Medikamente ein. Hinweise für das Vorliegen einer gleichzeitigen Psoriasis-Arthritis (PsA) finden sich keine. Die bisherigen lokaltherapeutischen Therapieansätze umfassten starke topische Glukokortikoide (Dermovate®, Kenacort®) und Vitamin-DAnaloga (Daivonex®), 1993 wurde eine Radiotherapie ohne Erfolg durchgeführt. Nach abgeschlossener Familienplanung erfolgte im September 2015 ein Therapieversuch mit Acitretin 25 mg per os. Bereits innert 2 Monaten zeigte
sich bei gut verträglicher mukokutaner Xerose ein gutes Ansprechen auf die Nägel, die Therapie musste aber aufgrund eines Geschmacksverlustes als nicht sehr häufige Nebenwirkung sistiert werden, was nach Absetzen auch wieder vollständig regredient war. Nach einer längeren Asienreise stellte sich im August letzten Jahres die Frage nach dem weiteren Prozedere. Die Patientin wünschte weiterhin eine perorale Therapie. Andere Systemtherapien, wie zum Beispiel Methotrexat oder Biologika, deren gute Wirkung auch bei der Nagelpsoriasis in mittlerweile qualitativ hochwertigen Daten gezeigt werden konnte, kamen für die Patientin nicht infrage. Aus diesem Grund starteten wir nach bewilligter Kostengutsprache (off-label) im August 2016 einen Therapieversuch mit dem PDE4-Inhibitor Apremilast (Otezla®).
Nagelbefund
Vor Therapiebeginn mit Apremilast zeigte sich vor allem das Nagelbett befallen, mit typischen klinischen Zeichen einer Nagelpsoriasis, mit einer praktisch alle Fingernägel betreffenden distalen Onycholyse, Ölflecken und Tüpfelnägeln (Abbildung 1); am meisten betroffen war der Nagel des Dig. IV der linken Hand (Abbildung 2); der totale NAPSI-Score der Fingernägel betrug 20 Punkte.
Abbildung 1: Vor der Therapie
Abbildung 2: Vor der Therapie
Verlauf
Im August 2016 wurde die Monotherapie mit Apremilast mit der entsprechenden Starterpackung begonnen und von initial 2 × 10 mg per os auf 2 × 30 mg per os aufdosiert; diese Dosis wurde unverändert bis zum heutigen Datum über 4 Monate eingenommen. Die sonst unter diesem Medikament gemäss Zulassungsstudien ESTEEM 1 und 2 am häufigsten auftretenden Nebenwirkungen Diarrhö (17,8%), Nausea (16,6%) und Infektionen der oberen Atemwege (8,4%) oder andere Nebenwirkungen sind ausgeblieben. Bei gleichzeitiger Kreuzbandoperation links am 28. September 2016 wurde die Therapie unverändert weitergeführt; unmittelbar postoperativ zeigte sich anamnestisch
22 SZD 1/2017
PsoriNet+ Kompetenznetz Psoriasis niedergelassener Dermatologen Schweiz
eine Verschlechterung mit knapp 2 Monate anhaltender ausbleibender Wirkung an dem am meisten betroffenen Nagel des linksseitigen Ringfingers. Dennoch zeigt sich nun, 4 Monate nach Therapiebeginn, subjektiv und objektiv ein recht guter Therapierfolg mit Reduktion des NAPSI-Scores von initial
Abbildung 3: Nach 4 Monaten unter Apremilast
Abbildung 4: Nach 4 Monaten unter Apremilast 20 auf derzeit 14 Punkte, was einer Reduktion von 30 Prozent entspricht (Abbildung 3 und 4). Dieser Wert liegt somit leicht unter der publizierten
NAPSI-Score-Reduktion um die 40 Prozent von Acitretin, Methotrexat und Ciclosporin und recht deutlich unter der publizierten Reduktion bis zu 60 Prozent unter dem TNF-Blocker Infliximab. Allerdings sind bei diesem Vergleich der postoperative Rückfall bei unserer Patientin und die relativ kurze Behandlungsdauer von 4 Monaten zu erwähnen.
Take Home Message
Die Nagelpsoriasis ist das klinische Korrelat einer psoriatischen Entzündung des Nagelbettes und/oder der Nagelmatrix. Bei bis zu 70 Prozent der Patienten mit einer PsA findet sich auch eine Nagelpsoriasis, wobei die enge anatomische und pathophysiologische Verbindung zwischen der Enthese der Strecksehne und dem Nagelapparat als möglicher Grund angenommen wird. Eine mechanische Triggerung im Sinne eines Köbner-Phänomens kann auch bei der Nagelpsoriasis eine Rolle spielen. Selbst eine praktisch isolierte Nagelpsoriasis ist nicht nur aufgrund ästhetischer, sondern auch aufgrund funktioneller Einschränkung eine ernst zu nehmende Erkrankung, welche sich in einem hohen Leidensdruck der Patienten widerspiegeln kann. Gerade Personen mit viel sozialem Kontakt entwickeln nicht selten ein Schamgefühl, was sich negativ auf das Berufs- und Privatleben auswirken kann. Obwohl Apremilast nicht als First-Line-Therapie
bei einer isolierten Nagelpsoriasis gilt,
ist es eine therapeutische Alternative,
wenn die topischen Therapiemöglich-
keiten ausgeschöpft sind oder andere
Systemtherapien wie in diesem Fall
nicht infrage kommen. Da es sich bei
der Behandlung der Nagelpsoriasis um
eine Off-label-Behandlung handelt,
sollte vorgängig eine Kostengutspra-
che bei der Krankenkasse eingeholt
werden. Zu bedenken sind die Kosten
dieser Therapie, welche zwischen den-
jenigen einer Acitretintherapie und
einer solchen mit einem Biologikum
liegen.
L
Kontaktadresse: Dermapraxis Dr. med. Beat Keller Dermatologie und Venerologie FMH Lasermedizin FMCH/SGML Oberdorfstrasse 20 8820 Wädenswil Tel. 044-789 00 00 Fax 044-789 00 08 E-Mail: beat.keller@dermapraxis.ch
Informationen zu PsoriNet finden Sie im Internet unter www.psorinet.ch
SZD 1/2017
23