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BERICHT ZUM SCHWERPUNKT
Pflege und Behandlung von Wundrand und Wundumgebung
Die Umgebung chronischer Wunden nicht vernachlässigen!
Bei chronischen Wunden ist die Haut von Wundrand und Wundumgebung oft pathologisch verändert. Dadurch wird die Wundheilung behindert. Therapeutische Interventionen können bei solchen Störungen die Wundheilung unterstützen. Darüber berichtete Univ.-Doz. Dr. Robert Müllegger, Leiter der Dermatologischen Ambulanz, Landesklinikum Wiener Neustadt, Österreich, am Europäischen Wundkongress 2016 in Bremen.
Am Wundrand beginnt die Epithelialisierung durch rasche Teilung der Epidermiszellen mit Migration ins Wundgebiet (edge effect). Direkt angrenzend an den Wundrand befindet sich die sehr empfindliche Haut der Wundumgebung, die aus frisch gebildetem Epithel- und Narbengewebe besteht. Infektionen
Tabelle 1:
Störungen von Wundrand und Wundumgebung
L Mazeration: Aufweichung von Wundrand und Wundumgebung L Ekzematisation: irritativ-toxisch oder allergisch. Sensibilisierungen bei
80 Prozent der Patienten mit Ulcus cruris L Erosive Veränderungen L Ödeme L Xerose: manchmal mit Entzündung, bis hin zum Exsikkationsekzem L Hyperkeratosen L Narben, Atrophien L Nekrosereste: entstehen z.B. bei autolytischem Debridement und bleiben
liegen (nach Robert Müllegger)
Tabelle 2:
Klinische Beurteilung von Wundrand und Wundumgebung
Wundrand
Wundumgebung
Morphologie: flach, eben, steil, wulstig, erhaben, glatt, zerklüftet, eingerollt, unterminiert, Taschenbildung
Hautzustand: reizlos, geschmeidig, elastisch, straff, glatt, glänzend, trocken, rissig, schuppig, haarlos, hyperkeratotisch, geschwollen, feucht, mazeriert, atroph, pergamentartig
Beschaffenheit: ödematös, infiltriert, mazeriert, ausgetrocknet, rissig, pergamentartig, hyperkeratotisch
Sensorik: Druckempfindlichkeit, Juckreiz, Schmerzen, Sensibilitätsstörungen
Farbe: rosa, gerötet, livide, blass usw. Farbe: livide, bräunlich, gerötet (Begrenzung der Rötung), blass
Begleitphänomene: Varizen, Ödeme, Defekte, Blutungen, Infiltrate, Kontraktur, Blasenbildung, Überwärmung
(nach Robert Müllegger)
des Wundgrundes können auch die Hautflora der Wundumgebung stören. Umgekehrt können Keime aus der Wundumgebung in die Wunde gelangen und dort zu kritischer Kolonisation und Wundinfektion führen. Die Wundumgebung wird überdies mechanisch belastet, zum Beispiel durch Fixierung von Wundauflagen (Klebestreifen). Störungen von Wundrand und Wundumgebung (Tabelle 1) beeinträchtigen die reparativen Prozesse und verzögern die Wundheilung zum Teil stark.
Therapie von Wundrand und Wundumgebung beeinflusst den Wundbehandlungserfolg
Die klinische Beurteilung von Wundrand und Wundumgebung (Tabelle 2) gibt Aufschluss über Vitalität/Avitalität, Druck, Stauung, Entzündung, Infektion, Hautbarriere, Allergie, Trophik, Durchblutung und dermatologische Erkrankungen. Zu den allgemeinen, kausalen Therapiemassnahmen von Wundrand und Wundumgebung gehören die Kompressionstherapie bei venösen oder lymphologischen Problemen, die Druckentlastung bei Druckgeschwüren oder neuropathischen Läsionen, die Immunsuppression bei Autoimmunerkrankungen und spezifische Therapien bei seltenen dermatologischen Wundätiologien. Bei den lokalen Therapiemassnahmen spielt das Wundexsudat eine wichtige Rolle. Das Exsudat chronischer Wunden enthält ein aggressives Gemisch von proinflammatorischen Zytokinen, Matrixmetalloproteinasen, Leukozyten, Bakterien und Zelltrümmern, das den Rand und die Umgebung der Wunden irritativ schädigt, wenn es zur Überschwemmung aus der Wunde kommt. Permanente Befeuchtung von Wundrand und Wundumgebung provoziert Quellung, Mazeration und komplexe Schäden. Mazerierte Haut ist ein Nährboden für Bakterien und Pilze, begünstigt allergische Sensibilisierungen, erhöht die Verletzlichkeit und erschwert die Verwendung von Wundauflagen und Verbänden. Es muss Verbands-
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material mit adäquatem Absorptionsvermögen ausgewählt werden, damit das Exsudat aufgenommen wird und Quellungseffekte in der Umgebung verhindert werden. Es muss auch auf die richtige Frequenz der Verbandswechsel geachtet werden (nicht zu selten, nicht zu häufig). Ideale Verbandsysteme gleichen potenziell schädigende Milieueinflüsse am Wundrand und in der Wundumgebung aus, ohne selbst Schädigungen hervorzurufen (z.B. mechanische Schädigungen mit Abtragung oberflächlicher Hautschichten durch klebende Verbandstoffe oder anhaftende, ausgetrocknete, primär nicht klebende Verbandstoffe; irritativ-toxische Effekte von Klebebestandteilen, Konservierungsmitteln usw.; allergische Wirkungen bei Typ-IV-Kontaktsensibilisierung gegen Bestandteile von Salbengrundlagen, Arzneimitteln, Konservierungsmitteln usw.). Zur Prophylaxe können in der Wundumgebung indifferente Externa mit einem Zusatz von Feuchthaltefaktoren (z.B. Urea, Glycerin, Ceramide, Aloe vera) verwendet werden. Die Präparategrundlagen sollen phasengerecht ausgewählt werden. Sehr fettige Darreichungsformen (z.B. Fettsalben wie Vaseline) sind im Bereich von Wunden nicht geeignet, weil die Fettokklusion entzündungsfördernd wirkt. Andererseits können zu wenig reichhaltige Cremen (Öl-in-WasserEmulsionen) manchmal nicht genügend vor irritierenden Substanzen schützen. Deshalb empfahl der Referent zur Prophylaxe oder Therapie von Wundrand und Wundumgebung weiche oder superweiche zinkhaltige Pasten (Feststoffe plus Fett) mit geringem Zinkoxidanteil und cremiger Konsistenz (z.B. ZCR®ZincCream). Die dünn (ca. 1 mm) aufgetragene Zinkpaste bildet einen Hautschutzfilm, der bis zu 72 Stunden anhält. Die Paste wirkt auch pflegend, kühlend, antiphlogistisch und abtrocknend. Nach 1 bis 3 Tagen wird die Paste mit einer ölgetränkten Gaze ohne Druck mit kreisenden Bewegungen wieder vorsichtig entfernt. Auch Acrylat-Hautschutzpräparate eignen sich sehr gut zur Prophylaxe irritativ-mazerativer Schädigungen von Wundrand und Wundumgebung durch aggressive Wundexsudate. Basierend auf einem Acrylatpolymer bilden sie eine Flüssigkeitsbarriere über der Haut. Nach dem Auftragen mittels Lolly oder Spray verdunstet das Lösungsmittel schnell (in weniger als 60 Sekunden), und es bleibt ein dünner, transparenter Acrylatfilm, ähnlich einer dünnen Folie, zurück. Acrylat-Hautschutzpräparate (z.B. Cavilon™ Hautschutzprodukte oder Cutimed® Protect) sind gut verträglich mit sehr geringem irritativem und allergischem Potenzial. Die Schutzwirkung dauert bis zu 72 bis 96 Stunden, je nach Exsudatmenge und Verbandswechselfrequenz. Danach müssen die Präparate nicht entfernt werden, weil das Acrylat durch hauteigenes Fett aufgelöst wird. Als Zusatzvorteil erwähnte der Referent, dass Acrylat-Hautschutzpräpa-
Tabelle 3:
Obsolete oder schädliche Massnahmen am Wundrand und in der Wundumgebung
L Abdichtende Pasten (z.B. harte Zinkpasten) – Hautbeobachtung wird verhindert – Sekrete und Bakterien können unter die Paste gelangen und Entzündungen provozieren
L Salben – Schlechte Beurteilbarkeit des Wundrandes – Entfernung angetrockneter Salbenreste ist schwierig – Gefahr der Vermehrung von Keimen unter der Salbe – Fettokklusion mit Entzündungsförderung und Mazeration
L Medizinische Farbstoffe (z.B. Castellanirot, Brillantgrün, Pyoktanin, Gentianaviolett) – Einfärbung verunmöglicht die Hautbeobachtung – Gerbung und Austrocknung der Haut – Oft sind organische oder anorganische Schwermetallverbindungen enthalten – Beeinträchtigung der Wundheilung durch zytotoxische Wirkungen
L Puder – Starke Austrocknung – Hautreizung durch Reibung – Fremdkörperreaktionen
L Alkohollösungen (z.B. Franzbranntwein) – Austrocknung – Irritation
L Massagen betroffener Hautstellen – Risiko von Schädigungen kleinster Gefässe
L Rasur von Haaren in der Umgebung von Wunden – Mikroverletzungen der Haut – Eintrittspforte für Keime – Statt Rasur störende Haare mit Schere kürzen oder trimmen
(nach Robert Müllegger)
rate einen guten Untergrund für klebende Verbände bilden. Hydrofaserverbände (z.B. Aquacel®) bestehen aus makromolekularer Natrium-Carboxymethylzellulose. Wundexsudat wird in vertikaler Richtung aufgenommen, und es wird verhindert, dass Exsudat über den Wundrand hinaus weitergeleitet wird. Diese Verbände können flächig über Wundgrund, Wundrand und Wundumgebung appliziert werden oder streifenförmig nur am Wundrand (Window-Technik). Hydrofaserverbände erzielen eine eindrückliche Entquellung des Wundrandes. Sie eignen sich zum prophylaktischen oder therapeutischen Einsatz und können auch mit weicher Zinkpaste kombiniert werden. Topische Glukokortikosteroide sind indiziert bei floriden Ekzemen unterschiedlicher Genese und – unterstützend zur systemischen Therapie – bei autoimmunologischen Prozessen. Um eine gute Wirkung bei geringem Nebenwirkungspotenzial zu erreichen, sollen Kortikosteroide «hart» – also Wirkstoffe mit ausreichender Potenz (Klasse 2 oder 3) – und kurzzeitig eingesetzt werden. Es gilt zu beachten, dass die Wirkung topischer Kortikosteroide bei semiokklusiver
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Abdeckung (z.B. unter Wundauflagen) stark erhöht wird. Aber auch die Nebenwirkungen werden verstärkt (z.B. Atrophierisiko, Beeinträchtigung regenerativer Prozesse durch die antiproliferative Kortikosteroidwirkung).
Hautpflege der Wundumgebung
Hauptziel der Pflege ist der Schutz des natürlichen Hydrolipidmantels der Haut. Zur schonenden, nicht zu häufigen Hautreinigung empfahl der Referent körperwarmes Wasser möglichst ohne Zusätze. Wenn erforderlich, können hautneutrale bis leicht saure Syndets verwendet werden. Damit der Säureschutzmantel und der Hydrolipidfilm nicht angegriffen
werden, dürfen keine alkalischen Seifen verwendet
werden. Zum Hautschutz eignen sich Cremen (Was-
ser-in-Öl-Emulsionen), insbesondere bei trockener
Haut oder Altershaut. Sie können als Feuchthaltefak-
toren Urea, Glycerin, Ceramide oder Aloe vera ent-
halten. Der Referent empfahl auch Dexpanthenol-
präparate, welche die Haut feucht halten und
juckreizstillend, antientzündlich und wundheilungs-
fördernd wirken. Eine Zusammenstellung ungeeig-
neter, obsoleter oder schädlicher Massnahmen am
Wundrand und in der Wundumgebung ist in Tabelle 3
zu finden.
L
Alfred Lienhard
Veranstaltungen der Schweizerischen Gesellschaft für medizinische Laseranwendungen (SGML)
Die SGML bietet das ganze Jahr hindurch verschiedene Veranstaltungen an, welche von Tageskursen über Workshops bis zu einem jährlichen Kongress reichen. Diese Kurse sind für SGML-Mitglieder vergünstigt zugänglich, jedoch können auch Nichtmitglieder gerne an unseren Veranstaltungen teilnehmen. Im Folgenden möchten wir Ihnen unsere kommenden Veranstaltungen kurz vorstellen:
Laserbasiskurs Der Laserbasiskurs (LBK) ist ein achtstündiger Lasersachkundekurs, welcher sämtliche Inhalte eines Laserschutzkurses vermittelt wie die sichere Anwendung von Lasern, unbeabsichtigte Wirkungen, Schutz von Personen im Laserbereich sowie die richtige Wahl von Lasertyp und Parameter. Im 1 1/2-stündigen Teil von Frau Dr. Rümmelein erfahren Sie etwas über die Möglichkeiten, Grenzen und Nebenwirkungen von Laserbehandlungen an der Haut anhand vieler klinischer Beispiele. Der LBK findet zweimal jährlich statt, nächster Termin im Jahr 2017.
Laseraufbaukurs Der Laseraufbaukurs (LAK) soll erfahrenen Anwendern als Refresher dienen, kann aber auch für Anfänger ein interessanter Einstieg sein. Die Behandlung rechtlicher Themen sowie ein ausführlicher Erfahrungsaustausch machen den Anwender auf spannende und aktuelle Probleme aufmerksam. Als Referenten konnten wir Herrn Thomas Eberli gewinnen, welcher jahrzehntelange Erfahrung mit dem Vertrieb und der Anwendungsschulung von Lasern hat, sowie Herrn Prof. Tomas Poledna, welcher Spezialist für öffentliches Haftungsrecht und Gesundheitsrecht ist. Der LAK findet zweimal jährlich statt, das nächste Mal am 20. Oktober 2016.
Experten-Workshops Experten-Workshops sind Fortbildungen zu einzelnen Themenbereichen, welche aufgrund der Initiative einzelner SGML-Mitglieder veranstaltet werden.
Die Smartaging Swiss Academy bietet Workshops an, welche sich an Ärzte und deren medizinische Laserassistenten richten. Unter dem Titel «Lasersysteme im Vergleich» finden im Herbst zwei Anlässe statt: 15. September 2016 «Gefässlaser» und 11. Oktober 2016 «Laserepilation». Die Teaching-Tage in Venedig vom 7. bis 9. Oktober 2016 bieten einen Überblick über medizinische und ästhetische Laserindikationen. Weitere Informationen und Anmeldung unter: www.smartaging-swiss.academy
Herr Dr. med. D. Holtz (Leiter Experten-Workshops) bietet den Workshop «Praxis der endovenösen Laserablation von Stammvarizen» an, welcher einen theoretischen Abriss der Methode und eine Livedemonstration von A bis Z beinhaltet. Nähere Informationen zum Kurs sind demnächst auf unserer Website www.sgml.ch zu finden.
SGML17-Kongress Der jährliche Laserkongress der SGML wird jeweils im Januar abgehalten und auch Anfang nächsten Jahres wieder durchgeführt. Am SGML17-Kongress werden zahlreiche Vorträge renommierter nationaler und internationaler Referenten sowie verschiedene Workshops stattfinden, dazu nimmt eine grosse Auswahl an Ausstellerfirmen teil. Auf unserer Website finden Sie viele Informationen zum SGML17-Kongress, wie zum Beispiel das Programm, die Inhalte der Workshops, die Ausstellerfirmen und die Angaben zur Vergabe von Credits.
Die Anmeldung für beide Kurse erfolgt online auf unserer Website www.sgml.ch, beide Kurse sind von der Laserkommission FMCH anerkannt, und es werden 6 Credits vergeben.
Wenn Sie Fragen zu einer unserer Veranstaltungen haben, dann zögern Sie nicht, sich unter info@sgml.ch oder 079 269 61 57 zu melden. Wir würden uns freuen, Sie an einer unserer Veranstaltungen begrüssen zu dürfen.
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