Transkript
BERICHT ZUM SCHWERPUNKT
Die Sonne und ihre Folgen
Ein unverändert heisses Thema
Die Bedeutung eines adäquaten Sonnenschutzes im Hinblick auf dermatoonkologische Erkrankungen sollte inzwischen selbstverständlich sein. Aktuelle, am Jahrestreffen 2016 der American Academy of Dermatology (AAD) als Late Breaker vorgestellte Studien zeigen jedoch, dass bezüglich Sonnenschutz noch viel verbessert werden muss.
SUSANNE KAMMERER
«Unabhängig davon, ob es um die Prävention dermatoonkologischer Erkrankungen geht oder um die Verhütung von Alterserscheinungen an der Haut, ist ein adäquater Sonnenschutz Conditio sine qua non», erklärte Dr. Henry W. Lim, New Center One, Detroit, USA. Grundsätzlich sei die Wirksamkeit topischer Zubereitungen limitiert: Sie würden meist zu dünn aufgetragen, zudem werde oft versäumt, das Eincremen zu wiederholen. Daher wurden immer wieder Anstrengungen unternommen, Wirkstoffe für einen oralen Sonnenschutz zu finden.
Sonnenschutz zum Schlucken
Bisherige Versuche bestanden in der oralen Verabreichung von Antioxidanzien, Vitamin C und Vitamin E, Fischölen und Polyphenolen aus Früchten und Gemüsen. Vielversprechend sind bisherige Versuche mit einem Farnextrakt des aus Zentralamerika stammenden Farns Polypodium leucotomes. Klei-
Plazebo
Veränderung seit Baseline
Nicotinamid
Monate
Abbildung: Reduktion der Anzahl aktinischer Keratosen bei Nicotinamidein-
nahme
(Quelle: Che AC et al. N Engl J Med 2015; 373: 1618)
nere Studien zeigten, dass die Einnahme des Farnextrakts sowohl gegen eine UV-B- als auch gegen eine PUVA-induzierte Fototoxizität schützt. Durch die Einnahme des Extrakts kann ein Lichtschutzfaktor von 3 bis 8 erreicht werden. Auch die Einnahme von Nicotinamid hat sich als nützlich erwiesen. In einer Dosis von 500 mg zweimal täglich blockiert es die Hemmwirkung der UV-Strahlung auf die ATP-Produktion, minimiert die UV-bedingte Immunsuppression, fördert die DNA-Reparatur und reduziert dadurch aktinische Keratosen und hellen Hautkrebs (Abbildung). Die Befürchtung, ein zu konsequent betriebener Sonnenschutz könne die Vitamin-D-Versorgung beeinträchtigen, sei unbegründet, so Dr. Lim. Zwar können Sonnenschutzmittel unter sehr streng kontrollierten Bedingungen die Produktion von Vitamin D signifikant reduzieren, aber ein normaler Gebrauch führt nicht zu einem Vitamin-D-Mangel.
Selbst junge Medizinstudenten sind nachlässig
Gerade Medizinstudenten, so wäre zu vermuten, sind sich der Gefahr durch UV-Strahlen bewusst – dies besonders in Australien, einem Land, in dem seit Jahrzehnten in zahlreichen Kampagnen für einen effizienten Sonnenschutz geworben wird. «Viele australische Medizinstudenten im Alter zwischen 18 und 35 Jahren sonnen sich jedoch immer noch oder haben Sonnenbrände», erklärte Prof. Dr. Saxon D. Smith, Universität Sydney, Australien, bei der Präsentation seiner Studiendaten. An der Studie nahmen australische Medizinstudenten teil, die sich über einen Link in einen Onlinefragebogen einwählen konnten. Insgesamt konnten die Antworten von 1390 Teilnehmern ausgewertet werden. 65 Prozent waren weiblich, 97 Prozent in der Altersgruppe von 18 bis 35 (Generation Y). 89 Prozent waren Australier, die übrigen 11 Prozent internationale Studenten. 65 Prozent der Teilnehmer gaben an, im vergangenen Jahr mindestens einen Sonnenbrand gehabt zu haben.
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Die Sonne und ihre Folgen
49 Prozent von ihnen erzählten, dass dies im Urlaub passiert sei. 28 Prozent gaben zu, sich aktiv zu sonnen, obwohl 95 Prozent das erhöhte Risiko für Hautkrebs kannten. Sonnenschutzmittel war die beliebteste Möglichkeit, sich vor UV-Strahlen zu schützen. Doch 71 Prozent verwendeten weniger als die empfohlene Menge, und weniger als ein Fünftel der Studenten cremte sich alle zwei Stunden erneut ein. Zudem benutzten viele Studenten Sonnenschutzmittel nach dem Verfallsdatum oder solche, die durch Überwärmung geschädigt waren. «Durch dieses Verhalten wird der tatsächliche Sonnenschutz dramatisch verschlechtert», erklärte Prof. Smith. Für ihn zeigte die Untersuchung, dass künftige Kampagnen zum Sonnenschutz speziell die junge Generation Y ansprechen müssen, am besten in ihrer Sprache, da die bestehenden Kampagnen selbst bei diesen hochgebildeten jungen Leuten kaum effizient gewesen sind.
Mangelnde dermatologische Betreuung nach HSCT
Die hämatopoetische Stammzelltransplantation (HSCT) kann vielen Kindern mit schweren Erkrankungen das
Leben retten, allerdings weisen die kleinen Patienten danach ein deutlich erhöhtes Hautkrebsrisiko auf. In einer Untersuchung gingen Forscher der Frage nach, wie Kinder nach HSCT betreut werden, besonders im Hinblick auf dermatologische Folgeerkrankungen. Dazu verglich man 85 Kinder nach HSCT mit 85 Kontrollen im selben Alter, Geschlecht und Hauttyp (nach Fitzpatrick). Im Vergleich zu den Kontrollen wiesen die HSCT-Patienten signifikant häufiger Nävi und dysplastische Nävi auf, sowohl auf sonnenexponierter als auch auf nicht sonnenexponierter Haut. Ein heller Hauttyp, ein onkologischer Grund für eine HSCT, eine Chemotherapie vor der Transplantation und die Ganzkörperbestrahlung im Rahmen der Konditionierung vor der Transplantation sowie die Anzahl der Sonnenbrände nach der HSCT waren alles Risikofaktoren für zahlreiche Nävi. 41,2 Prozent der HSCT-Patienten wiesen bereits mindestens eine Präkanzerose der Haut (aktinische Keratose oder Porokeratose), eine kanzeröse Läsion (Basaliom oder Plattenepithelkarzinom) oder eine Läsion, die mit einem erhöhten Risiko für ein malignes Melanom assoziiert ist (dysplastischer Nävus), auf. «Für uns war besonders erschreckend, dass die Eltern nicht über die Bedeu-
Die Sonne und ihre Folgen
Take Home Messages
L Sonnenschutz ist die wichtigste Massnahme zur Vermeidung von Hautkrebs und von vorzeitigen Alterungsvorgängen an der Haut.
L Topischer Sonnenschutz ist zwar effektiv, muss jedoch alle 2 Stunden und in ausreichender Menge aufgetragen werden.
L Es gibt erste erfolgreiche Konzepte für einen oralen Sonnenschutz, zum Beispiel mit einem Extrakt aus Polypodium leucotomes oder mit Nicotinamid.
L Obwohl die Bedeutung von Sonnenschutz bekannt ist, sind selbst Medizinstudenten nachlässig und geben an, sich aktiv zu sonnen.
L Risikogruppen wie Kinder nach HSCT werden derzeit im Hinblick auf dermatoonkologische Erkrankungen nur unzureichend betreut und geschützt.
tung des Sonnenschutzes aufgeklärt wurden», erklärte Dr. Johanna Sheu, Massachusetts General Hospital for Children, Boston, USA. 40 Prozent der Kinder wiesen nach der HSCT mindestens einen Sonnenbrand auf. Nur 15 Prozent der Kinder wurden täglich mit einem Sonnenschutzmittel behandelt. 75 Prozent der Patienten, die Voriconazol (potenziell fototoxisch) einnahmen, konnten sich nicht daran erinnern, über Sonnenschutz aufgeklärt worden zu sein. 53 Prozent der Patienten beziehungsweise deren Eltern gaben an, dass sie nicht darüber informiert wurden, dass ein Sonnenbrand eine Transplantat-gegen-Wirt-Reaktion (Graft-versus-Host-Disease) auslösen kann. Weniger als 20 Prozent der Betroffenen wurden von einem Dermatologen betreut. Die Untersuchung zeigt, dass Kinder nach HSCT ein deutlich erhöhtes Hautkrebsrisiko aufweisen, jedoch kaum dermatologisch betreut werden. Die Autoren empfehlen daher eine enge dermatologische Nachbeobachtung von Kindern nach HSCT.
Alzheimer-Patienten: Weniger Melanome durch geringere UV-Exposition?
Dr. Erin M. Ibler, St Luke’s-Roosevelt Hospital Center,
New York, USA, stellte seine Auswertung einer gros-
sen Datenbank (4,4 Millionen Patienten) vor, in der
ein möglicher Zusammenhang zwischen dem Auftre-
ten von weissem und schwarzem Hautkrebs und Mor-
bus Alzheimer untersucht wurde. Insgesamt konnten
die Daten von 91 738 Personen im Alter von über
60 Jahren in der Analyse ausgewertet werden. 1275
wiesen ein malignes Melanom (MM) auf, 7 dieser Pa-
tienten hatten auch Morbus Alzheimer. 2458 hatten
ein Basalzellkarzinom, 23 wiesen gleichzeitig eine
Alzheimer-Demenz auf. 1027 waren an einem Platten-
epithelkarzinom erkrankt, davon wiesen 8 zusätzlich
einen Morbus Alzheimer auf. Nachdem bekannte
Einflussfaktoren berücksichtigt worden waren (Alter,
Geschlecht, Diabetes, kardiale Erkrankungen, peri-
phere vaskuläre Erkrankungen), bestand eine signifi-
kante inverse Beziehung zwischen einem malignen
Melanom und Morbus Alzheimer. Alzheimer-Patien-
ten hatten ein um 57 Prozent geringeres Risiko, an
einem Melanom zu erkranken (p = 0,02). Zwischen
nicht melanozytärem Hautkrebs und Alzheimer gab
es im Gegensatz zu früheren Studien keinen Zusam-
menhang. Nach Ausführung von Dr. Ibler läge eine
mögliche Erklärung darin, dass körperliche Aktivität
erwiesenermassen neuroprotektiv wirkt, jedoch
durch die erhöhte UV-Exposition zu einem erhöhten
Melanomrisiko führt.
L
Susanne Kammerer
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