Transkript
FORTBILDUNG
Kutane Nebenwirkungen von Biologika
Nach einem Vortrag der Autorin an den Zürcher Dermatologischen Fortbildungstagen 2015
Zu Nebenwirkungen von Biologika kommt es einerseits aufgrund der Immunogenität dieser Medikamente und andererseits aufgrund ihrer biologischen Funktionen.
MARGUERITE KRASOVEC RAHMANN
Marguerite Krasovec Rahmann
Zu den immunologischen Nebenwirkungen zählen die anaphylaktische Reaktion und Lokalreaktionen an der Einstichstelle. Die anaphylaktische Reaktion ist selten, ausser bei Infliximab. Lokalreaktionen kommen bei Etanercept in 37 Prozent und bei Adalimumab in 20 Prozent der Fälle vor. Üblicherweise klingen sie mit der Zeit ab. In Tabelle 1 sind Nebenwirkungen zusammengestellt, die auf die biologischen Funktionen der Medikamente zurückzuführen sind.
Herpes zoster kommt 2,1-mal häufiger bei Patienten über 60 Jahre vor (Abbildung 1). Die Verläufe sind schwerer, multidermatomal und klinisch manchmal atypisch. Die Gefahr, dass eine Komplikation auftritt (z.B. persistierende postherpetische Neuralgie, Enzephalopathie, Pneumonie), ist erhöht.
Infektiöse Nebenwirkungen
Infektionen stellen – wenn auch banale Infekte wie virale Warzen, Mollusca contagiosa und Impetigo mitgezählt werden – die häufigsten Nebenwirkungen von Biologika dar. Schwere infektiöse Nebenwirkungen sind zum Beispiel Erysipele, Herpes zoster, Tuberkulose, Histoplasmose, Nokardiose und Infektionen mit atypischen Mykobakterien. Die Infektionen treten häufiger unter Infliximab, dann unter Etanercept und schliesslich Adalimumab auf. Sie entstehen vermehrt bei höheren Medikamentendosen, in den ersten 200 Therapietagen, bei älteren Patienten und bei Patienten mit begleitender Immunsuppression (z.B. Behandlung mit systemischen Kortikosteroiden), bei Malnutrition, bei Komorbidität wie Diabetes mellitus und bei Alkoholabusus.
Tabelle 1:
Nebenwirkungen aufgrund der biologischen Funktionen
von Biologika
L Immunsuppression mit Infektionen
L Immundeviation. Betroffen sind insbesondere das Hautorgan und das zentrale Nervensystem. Notabene: bei einem Organismus mit vorbestehender Dysbalance im Immunsystem
L MACE: Myokardinfarkt, Apoplexie, Tod kardiovakulären Ursprungs
Abbildung 1: Herpes zoster
Nebenwirkungen durch Immundeviation
Es gibt zahlreiche Nebenwirkungen auf die Haut, welche auf einer Immundeviation beruhen. Offenbar ist die Haut ein Prädilektionsorgan beziehungsweise ein Haupttarget für Nebenwirkungen von Biologika. Diese Reaktionen treten häufiger im ersten Jahr auf, vor allem unter Infliximab, dann unter Etanercept und vorwiegend bei Patienten mit rheumatoider Arthritis.
Paradoxe Hautreaktionen
Diese treten unter TNF-alpha-Antagonisten in 1,5 bis 5 Prozent der Fälle auf und bilden die häufigste Gruppe der durch Immundeviation verursachten Nebenwirkungen. TNF-alpha (Tumor-Nekrose-Faktor-
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alpha) ist eines der wichtigsten proinflammatorischen Zytokine, das bei chronischen Entzündungen in grossen Mengen vorkommt. Es spielt eine zentrale Rolle bei der Entstehung und der Aufrechterhaltung chronisch entzündlicher Autoimmunkrankheiten wie Psoriasis, rheumatoider Arthritis, ankylosierender Spondylitis, Morbus Crohn und Colitis ulcerosa. Im Vergleich zu den berichteten schwerwiegenden Infektionen kommen paradoxe Hautreaktionen unter TNF-alpha-Antagonisten 10- bis 40-mal seltener vor. Betroffen sind vorwiegend Patienten mit rheumatoider Arthritis. Als paradoxe Hautreaktion bezeichnet man das Neuauftreten (ca. 80% der Fälle) nach 2 bis 6 Monaten oder die Exazerbation (ca. 20% der Fälle) einer psoriasiformen Erscheinung. Es kann sich um eine normal aussehende Psoriasis en plaques (48 bis 57%), um eine etwas atypische Psoriasis, um eine Psoriasis palmoplantaris (29 bis 45%), um eine pustulöse Psoriasis palmoplantaris (Abbildung 2), um eine Psoriasis capillitii oder um eine Psoriasis inversa handeln. Die beiden letztgenannten Formen kommen häufiger vor (in 42 bzw. 31% der Fälle). Die Pathogenese beruht auf der erhöhten Sekretion von Interferon alpha durch plasmazytoide dendritische Zellen, auf der Immunmodulation durch Interferon alpha und auf der erhöhten Expression von IL-23 und IL-22. Die psoriasiforme Eruption scheint ein Klasseneffekt der TNF-alpha-Inhibitoren zu sein und tritt häufiger unter Infliximab als unter Adalimumab oder Etanercept auf.
Abbildung 2: Pustulosis palmoplantaris
handelt es sich um einen systemischen LE, in 45 Prozent der Fälle um einen kutanen LE (Abbildung 3), selten um einen subakut kutanen Lupus erythematodes (SCLE). Die diagnostischen Kriterien sind die gleichen wie beim idiopathischen LE. Beim durch TNF-alpha-Inhibitoren induzierten systemischen LE finden sich keine Anti-Histon-Antikörper, welche sonst charakteristisch für einen medikamenteninduzierten
Dermatitisähnliche Reaktionen und Lupus-like-Syndrom
Zu den Dermatitis-like-Reaktionen zählen eine dyshidrosiforme Dermatitis oder ein Atopic-Dermatitislike-Exanthem beziehungsweise eine Exazerbation einer bekannten atopischen Dermatitis. Die Latenz beträgt Tage bis Jahre. Bis zu 60 Prozent der Patienten können unter TNFalpha-Inhibitoren antinukleäre Antikörper (ANA) entwickeln. Es werden auch anti-DNS-SS (Doppelstrang) produziert. Neben der Tatsache, dass das Vorhandensein von ANA mit einem Verlust der Wirksamkeit der TNF-alpha-Inhibitor-Therapie assoziiert ist, kann es zum Auftreten eines Lupus erythematodes nach 1 bis 6 Monaten kommen. Es handelt sich dabei um eine seltene Nebenwirkung (1%) von TNF-alpha-Inhibitoren ab dem ersten Monat bis zum vierten Jahr der Therapie. Die ANA-Induktion kommt vermehrt bei Infliximab, dann unter Adalimumab und Etanercept vor und betrifft vor allem Frauen ab dem 50. Lebensjahr. Das Vorkommen korreliert mit der Anwendung der Therapie: Nach Absetzen des TNFalpha-Inhibitors kommt es zu einer Abheilung des Lupus erythematodes (LE), bei Wiederaufnahme der Therapie zu einem Rezidiv. In 55 Prozent der Fälle
Abbildung 3: Lupus erythematodes discoides
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L Psoriasis der Kopfhaut im Rahmen der paradoxen Psoriasis.
L Psoriatische Alopezie. Der Haarausfall kann in 20 Prozent der Fälle als zikatrisierende Alopezie verlaufen. Das Leiden kommt häufiger unter Adalimumab und Infliximab vor und wird unter Etanercept nicht beobachtet.
L Alopecia areata. L «Anti-TNF-alpha-therapy related alopecia.» Es
handelt sich um eine neue Entität, wobei sowohl klinisch als auch histologisch eine Kombination von psoriatischer Alopezie und Alopecia areata besteht. Zudem findet sich eine psoriasiforme Reaktion am restlichen Integument. Differenzialdiagnostisch ist an eine Tinea capitis oder eine Pityriasis amiantacea zu denken.
Abbildung 4: Lichenoide Reaktion unter Adalimumab
Tabelle 2:
Kutane Nebenwirkungen von Ustekinumab
L Psoriasis pustulosa L Alopecia areata L Disseminiertes Exanthem L Kutane Infarkte
L Cellulitis L Carcinoma spinocellulare L Exfoliative Dermatitis
Lupus sind. Das Auftreten eines systemischen LE erfordert das Sistieren der TNF-alpha-Inhibitor-Therapie.
Lichenoide Reaktionen, Alopezie, Hauttumorrisiko
Lichen planus und lichenoide Reaktionen (Abbildung 4) stellen bekannte, aber seltene Nebenwirkungen dar. Sie beruhen auf einer Störung der delikaten Immunbalance, denn die Hemmung vom TNF-alpha erlaubt eine Hochregulierung von Interferon alpha, das seinerseits eine zytotoxische Reaktion induziert, welche bei Lichen planus vorkommt. In der Literatur finden sich Berichte über einen erosiven Lichen planus der Mund- und Genitalschleimhaut oder über einen Lichen planopilaris durch Infliximab. Infliximab kann ein diffuses Telogeneffluvium verursachen. Folgende Kopfhautprobleme können durch TNF-alpha-Inhibitoren entstehen:
Aufgrund der erwähnten gezielten Immunsuppression scheint unter TNF-alpha-Inhibitoren das Risiko von Hautneoplasien – insbesondere von nicht melanozytären Hauttumoren (Basalzellkarzinom, Spinaliom) – erhöht zu sein (unter Etanercept und Adalimumab, aber nicht unter Infliximab). Zu bemerken ist, dass diese Patienten aufgrund ihrer Grundkrankheit oder der Vortherapie bereits Risikopatienten sind. Das Risiko, ein malignes Melanom zu entwickeln, ist nicht abschliessend geklärt. Es empfiehlt sich, die Haut und die Schleimhäute der Patienten regelmässig zu untersuchen.
Nebenwirkungen von Ustekinumab
Die Nebenwirkungen von Ustekinumab sind insge-
samt selten. Zu den allgemeinen Nebenwirkungen
zählen: Infektionen der oberen Atemwege, Naso-
pharyngitis, Kopfschmerzen, Arthralgien, infektiöse
Pneumonien und eosinophile Pneumonie (cave: Hus-
ten bei Patienten unter Ustekinumab). Die kutanen
Nebenwirkungen sind in Tabelle 2 gelistet.
L
Kontaktadresse: Dr. med. Marguerite Krasovec A. Rahmann FMH Dermatologie und Venerologie Uitikonerstrasse 9 8952 Schlieren Tel. 044-730 40 00 Fax 044-730 40 03 E-Mail: dr-krasovec@bluewin.ch
Interessenkonflikte: keine
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