Transkript
BERICHT ZUM SCHWERPUNKT
Kinder und Jugendliche mit Psoriasis
Update zu Psoriasisformen, Komorbiditäten und Behandlungsmöglichkeiten
Die Psoriasis macht sich bei einem Viertel bis einem Drittel der Patienten schon im Kindesalter bemerkbar. Bei Kindern und Jugendlichen sind die psychologischen Auswirkungen der Psoriasis sehr stark, weil das Aussehen in diesen Lebensabschnitten für das Selbstwertgefühl und für die sozialen Beziehungen besonders wichtig ist. Übergewicht und das metabolische Syndrom spielen als Komorbiditäten der Psoriasis bereits im Kindesalter eine erhebliche Rolle. Obschon das Spektrum der Behandlungsmöglichkeiten immer breiter wird, fehlen für die pädiatrische Psoriasis immer noch internationale Behandlungsrichtlinien. Über aktuelle Aspekte der pädiatrischen Psoriasis sprach Prof. Dr. Peter Itin, Chefarzt Dermatologie, Universitätsspital Basel, am Annual Swiss Psoriasis Day 2015.
Die Befragung von erwachsenen Psoriasispatienten hat ergeben, dass 27 Prozent bereits vor dem 16. Lebensjahr Krankheitszeichen bemerkt haben. In Deutschland wurde festgestellt, dass die pädiatrische Psoriasisprävalenz ab Geburt bis zum 18. Geburtstag fast linear zunimmt (1). In den ersten beiden Lebensjahren macht sich die Erkrankung oft anogenital und inguinal als «Windelpsoriasis» bemerkbar. Bei älteren Kindern ist die chronische Plaquepsoriasis die häufigste Form, wobei sich Plaques in allen Hautarealen des Körpers entwickeln können, auch im Gesicht. Bei Kindern mit Psoriasis sei die Familienanamnese häufig positiv, die Erkrankung oft relativ schwer und die behaarte Kopfhaut oft sehr stark betroffen, berichtete der Referent. Bis 40 Prozent der Kinder mit Psoriasis weisen einen Nagelbefall auf mit Tüpfelung, Längsriffelung, Ölflecken, Verfärbungen und Onycholyse (1). Oft beginnt die Erkrankung bei Kindern akut als Psoriasis guttata (tropfenförmige erythematosquamöse Papeln am Stamm etwa 2 Wochen nach einem febrilen, von betahämolytischen Streptokokken ausgelösten Racheninfekt). Ähnlichkeiten von Antigenen der Streptokokken und der Keratinozyten werden für die Triggerung durch Streptokokkeninfektionen verantwortlich gemacht (2). Nach Abheilung dieser selbstlimitierenden akuten Erkrankungsform innerhalb von 3 bis 4 Monaten erkrankt ein Drittel der betroffenen Kinder später im Leben an einer chronischen Plaquepsoriasis (1, 2).
Adipositas und metabolisches Syndrom als Komorbiditäten
Die Adipositas und das metabolische Syndrom sind Komorbiditäten, die bereits im Kindesalter vorkom-
men und in der Praxis beachtet werden sollten. Der Referent empfahl, bei Kindern mit Psoriasis den BMI zu berechnen und ein metabolisches Syndrom auch durch Laboruntersuchungen zu erfassen (Triglyzeride, HDL-Cholesterin, Nüchternblutzucker). Im Vergleich zu Kontrollkindern sind Kinder mit Psoriasis häufiger adipös (BMI auf der 85. Perzentile oder höher), und ihr Bauchumfang ist ebenfalls häufiger erhöht (Hinweis auf zentrale Adipositas mit metabolischem Risiko) (3). Einerseits kann die Psoriasis zu Übergewicht und Adipositas beitragen, weil zum Beispiel betroffene Kinder wegen sichtbarer Hautveränderungen und wegen des durch Schwitzen verstärkten Pruritus sportliche Aktivitäten meiden (1). Andererseits kann Adipositas zu systemischer Entzündung führen und zur Psoriasisentwicklung prädisponieren. Eine Studie wies nach, dass Kinder sehr oft schon mindestens 2 Jahre vor der Psoriasiserkrankung übergewichtig oder adipös waren (1, 3). In kleinen Studien wiesen Kinder mit Psoriasis häufiger ein metabolisches Syndrom auf als Kontrollkinder. Bis anhin hat noch keine Publikation den Nachweis erbracht, dass sich Gewichtsreduktion bei Kindern günstig auf die Psoriasis auswirken kann (1,3).
Topische und systemische Psoriasistherapie im Kindes- und Jugendalter
Mehrheitlich sind topische Psoriasistherapien, die bei Kindern den Vorzug erhalten sollten, ausreichend wirksam. Fototherapie mit nbUVB wird besonders bei Psoriasis guttata empfohlen. Topische VitaminD3-Analoga (Calcipotriol, Calcitriol) haben sich bei Kindern mit Psoriasis als wirksam und gut verträglich erwiesen (1). Nicht empfohlen werden Vitamin-D3-
SZD 1/2016
21
Kinder und Jugendliche mit Psoriasis
Analoga bei Kindern unter 2 Jahren (1). Ein bei Kindern mit Psoriasis häufig verwendetes topisches Kortikosteroid sei Mometason (Elocom® Salbe, Monovo® Salbe), so der Referent. Topische Calcineurininhibitoren verwende er nicht oft. Tacrolimus 0,1% hat sich in Studien zur Behandlung von Kindern mit Psoriasis im Gesicht und in intertriginösen Hautarealen als wirksam und gut verträglich erwiesen (1). Im Kindesalter fehlen Guidelines zur Auswahl einer systemischen Therapie, die erforderlich wird, wenn eine mittelschwere bis schwere Psoriasis auf topische Behandlungen ungenügend angesprochen hat (1). Nur wenige Studien mit kleinen Fallzahlen wurden zu systemischen Psoriasistherapien im Kindes- und Jugendalter publiziert. Methotrexat (oral oder subkutan) kann verwendet werden, doch besteht derzeit keine Einigkeit über Dosierung und Behandlungsdauer (1). Die Wirksamkeit von Ciclosporin bei pädiatrischer Psoriasis ist unklar (1). Es gibt nur wenige Daten zum Einsatz von Fumarsäureestern bei Kindern. Wenn Methotrexat unwirksam oder kontraindiziert ist, können Fumarsäureester in Betracht gezogen werden (1). Bei pustulöser Psoriasis werden Retinoide bevorzugt, so der Referent.
Biologika für die pädiatrische Psoriasistherapie
Auch bei der Therapie mit Biologika kann man sich im Kindesalter nicht auf internationale Guidelines stützen. Das bei Kindern und Jugendlichen mit Psoriasis am besten dokumentierte Biologikum ist Etanercept (Enbrel®). In der Schweiz ist dieses Biologikum zur Behandlung einer chronischen schweren Plaquepsoriasis bei Kindern ab 6 Jahren und bei Jugendlichen zugelassen, wenn das Ansprechen auf eine andere systemische Therapie oder auf Lichttherapie unzureichend war oder bei Unverträglichkeit (4). In einer klinischen Studie wird aktuell die Wirksamkeit und die Langzeitsicherheit von Etanercept bei der Behandlung der pädiatrischen Psoriasis evaluiert (1). Wahrscheinlich werden auch Adalimumab (Humira®) und Ustekinumab (Stelara®) in naher Zukunft eine grössere Rolle bei der Therapie der Psoriasis im Kindesalter spielen. In einer randomisierten, multizentrischen Doppelblindstudie wurde die Wirksamkeit von Adalimumab und von Methotrexat bei 4- bis 17-jährigen Kindern mit chronischer Plaquepsoriasis verglichen, die Resultate wurden aber noch nicht publiziert (1). Kürzlich wurden die Ergebnisse einer randomisierten, plazebokontrollierten Doppelblindstudie (CADMUS-Studie) veröffentlicht, in der Ustekinumab bei Jugendlichen mit mittelschwerer bis schwerer Plaquepsoriasis (Alter 12 bis 17 Jahre) getestet wurde (5). Zu Beginn und nach 4 Wochen erhielten 73 Jugendliche subkutane Injektionen von Ustekinumab in Standarddosierung oder in halber
Standarddosierung, und 37 Jugendliche erhielten Plazeboinjektionen. In Woche 12 und anschliessend alle 12 Wochen wurden die Ustekinumabinjektionen fortgesetzt, und die Patienten der ursprünglichen Plazebogruppe erhielten nun ebenfalls Veruminjektionen. Die Standarddosierung entsprach der bei Erwachsenen empfohlenen, gewichtsadaptierten Dosierung und betrug 0,75 mg/kg bei einem Körpergewicht unter 60 kg beziehungsweise 45 mg bei einem Körpergewicht zwischen 60 und 100 kg beziehungsweise 90 mg bei einem Körpergewicht über 100 kg. In der Gruppe mit halber Standarddosierung wurden Injektionen mit 0,375 mg/kg (bei Körpergewicht bis 60 kg) beziehungsweise 22,5 mg (bei Körpergewicht von 60 bis 100 kg) beziehungsweise 45 mg (bei Körpergewicht über 100 kg) verwendet. Der Referent berichtete, dass die Wirkung der aktiven Therapie nach 12 Wochen sehr gut gewesen sei mit einem PASI75-Ansprechen von etwa 80 Prozent mit beiden Ustekinumabdosierungen (80,6% mit der Standarddosierung, 78,4% mit der halben Standarddosierung und 10,8% mit Plazebo). Ein PASI90Ansprechen wurde innerhalb von 12 Wochen bei 61,1 Prozent (Standarddosierung) beziehungsweise 54,1 Prozent (halbe Standarddosierung) beziehungsweise 5,4 Prozent (Plazebo) erreicht. Anscheinend handle es sich um eine sichere Therapie bei Jugendlichen mit Psoriasis, sagte der Referent, denn relevante Nebenwirkungen seien nicht entstanden. Die unerwünschten Ereignisse wurden in der Studie während insgesamt 60 Wochen überwacht (5). L
Alfred Lienhard
Referenzen:
1. Bronckers IM et al.: Psoriasis in children and adolescents: Diagnosis, management and comorbidities. Pediatr Drugs 2015; 17: 373–384.
2. Boehncke WH et al.: Psoriasis. Lancet 2015; 386: 983–994.
3. Silverberg NB: Update on pediatric psoriasis. Cutis 2015; 95: 147–152.
4. Arzneimittelinformation Enbrel® (Etanercept), www.swissmedic info.ch, Stand der Information August 2015.
5. Landells I et al.: Ustekinumab in adolescent patients age 12 to 17 years with moderate-to-severe plaque psoriasis: Results of the randomized phase 3 CADMUS study. J Am Acad Dermatol 2015; 73: 594–603. Sponsered by Janssen Research & Development.
22 SZD 1/2016