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FORTBILDUNG ZUM SCHWERPUNKT
Varizentherapie mit Laserverfahren und Radiofrequenzobliteration
Indikationen, Resultate,Vorteile und Risiken
Als Bone und Navarro 2001 erstmals klinische Ergebnisse der endovenösen Lasertherapie bei Varikosis vorstellten, ahnten wohl nur wenige Dermatologen, Angiologen und Gefässchirurgen, dass dies der Beginn einer rasanten Entwicklung war, welche die Therapieoptionen der Stammvarikosis von Vena saphena magna und Vena saphena parva veränderte (1). Heute gelten endoluminale Therapieverfahren wie die Lasertherapie und die Radiofrequenzobliteration zum gängigen Armamentarium des therapeutisch tätigen modernen Phlebologen.
CHRISTIAN SCHMIDT
Christian Schmidt
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In den USA und in England werden beide Verfahren aufgrund der bisher vorliegenden Studienergebnisse bereits als «treatment of first choice» zur Behandlung der Stammveneninsuffizienz in den Leitlinien der jeweiligen Fachgesellschaften angegeben (2, 3). Hierbei könnten allerdings auch zusätzliche Faktoren wie zum Beispiel ökonomische Aspekte und die Vergütungspolitik verschiedener Verfahren eine Rolle gespielt haben. In diesem Artikel werden beide Verfahren vorgestellt und die Indikationen, klinischen Resultate, Vorteile und Risiken beschrieben.
Varikose, chronische venöse Insuffizienz und Behandlungsformen
Die primäre Varikosis als Hauptursache der chronischen venösen Insuffizienz (CVI) der Beinvenen ist eine häufige Erkrankung mit einer Prävalenz von 20 bis 30 Prozent in der erwachsenen Bevölkerung westlicher Industriestaaten. Als wesentliche Risikofaktoren gelten zunehmendes Alter, weibliches Geschlecht, eine positive Familienanamnese und Schwangerschaften. Pathophysiologisch besteht eine Veränderung der Venenwand durch die Aktivierung von Matrix-Metalloproteinasen, die möglicherweise durch einen erhöhten venösen Füllungsdruck zustande kommt. Dieser kann durch typische Realisationsfaktoren wie Adipositas, langes Stehen oder Sitzen bedingt sein. Als Folge oder als zusätzlicher primärer Faktor entstehen strukturelle Veränderungen der Venenklappen. Durch deren Insuffizienz kann es zur ambulatorischen venösen Hypertension kommen mit den bekannten Komplikationen wie Hyperpigmentierungen, erhöhte Empfindlichkeit der
Haut für Infektionen, Dermatoliposklerose, oberflächliche oder tiefe Venenthrombosen, Lungenarterienembolien, postthrombotisches Syndrom sowie Ulcus cruris venosum. Die chronischen Venenerkrankungen werden heute meist nach der CEAP-Einteilung klassifiziert, und die Refluxstrecke der Stammvenen wird nach Hach angegeben. Die Behandlung der Varikosis lässt sich unterteilen in konservative Massnahmen (z.B. Kompressionstherapie, Lymphdrainage, adjuvante medikamentöse Therapie) und invasive Massnahmen (klassische Magnacrossektomie kombiniert mit dem Stripping der Vena saphena magna). Dieses invasive Verfahren wird üblicherweise durch die Seitenastphlebektomie mit Miniinzisionen mit der Häkchenmethode nach Oesch oder Varady ergänzt. Den Grundstein des operativen Verfahrens legten Trendelenburg 1891 (Durchtrennung der Vena saphena magna (VSM) in der Mitte des Oberschenkels), Babcock 1907 (Entfernung der VSM mittels Sonde) und Navaro und Moro 1910 (Magnacrossektomie). In modifizierter Form werden so auch heute noch die meisten Patienten mit einer therapiebedürftigen Varikose mit guten Ergebnissen behandelt. Dem Trend zu immer geringerer Invasivität folgend – zum Beispiel in der Kardiologie oder der Angiologie mit modernen Kathetertechniken –, läuteten Bone und Navarro 2001 mit der Vorstellung der endovenösen Lasertherapie eine neue Ära in der Phlebologie ein (1). In der Folge wurden als positiver Effekt neue grundlagenwissenschaftliche Erkenntnisse erarbeitet und in den vergangenen 15 Jahren verschiedene neue Verfahren zur Ausschaltung der Varikose eingeführt. 1998 wurde in Deutschland die Radiofrequenzobliteration
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(RFO, z.B. VNUS Closure™, Closure Fast™, Venefit™, RFITT™) zur Beseitigung des Refluxes im oberflächlichen Venensystem zugelassen, ein Jahr später folgte die endovenöse Lasertherapie (ELT, z.B. Biolitec™). 2004 wurde die Schaumsklerotherapie «wiederentdeckt» und 2009 die Ablation mittels Heissdampf eingeführt. 2011 wurde die mechanochemische Venenablation mittels einer rotierenden Device unter kontinuierlicher Flüssigsklerosierung (Clarivein™) vorgestellt, und 2012 wurde ein Cyanoacrylat-Kleber (VenaSeal™) zur Behandlung der Stamm- und Seitenastvarikosis zugelassen. Von diesen vielen verschiedenen Verfahren sind die beiden Verfahren der «thermischen Obliteration» – die ELT und die RFO – am besten untersucht. Im Folgenden werden sie näher beschrieben.
Endovenöse Lasertherapie (ELT): Indikationen und Kontraindikationen
Die erstmalig 1999 in spanischer Sprache und 2001 auf Englisch (1) publizierte thermische Therapieform der Stamm- und Seitenastvarikose wurde in den letzten Jahren intensiv untersucht und mit anderen endovenösen Verfahren und auch mit der klassischen «offenen» Operation verglichen. Daraus resultierten zahlreiche Studien inklusive Serien mit über 500 Behandlungen, randomisierte, kontrollierte Studien und Metaanalysen mit Nachbeobachtungszeiten von mehr als 5 Jahren. Sie bilden die Basis für die Therapieempfehlungen in den USA und in England (2, 3). Indikationen sind: Stamm- und Seitenastvarikose der Vena saphena magna (VSM) und der Vena saphena parva (VSP), idealerweise unter 1 bis 1,5 cm Durchmesser mit möglichst geradlinigem Verlauf. Anwendungen bei Perforansinsuffizienzen sowie bei venösen Malformationen sind beschrieben. Absolute Kontraindikationen sind: akute tiefe Bein- und Beckenvenenthrombose, akut aszendierende oberflächliche Venenthrombose (im Gegensatz zu Magnacrossektomie und Magnastripping), pAVK ab Stadium III nach Fontaine/Ratschow.
ELT: Methode und Technik
Unter Ultraschallkontrolle wird die VSM üblicherweise infragenikulär oder die VSP im distalen Unterschenkeldrittel punktiert oder über eine Miniinzision freigelegt (Abbildung 1). Nach Einführung eines Führungsdrahtes und Wechsel auf eine Schleuse in Seldinger-Technik erfolgt die Platzierung der Lasersonde ultraschallkontrolliert in einem ausreichenden Sicherheitsabstand (1 bis 2 cm) vor der Einmündung in die tiefe Vene (Abbildung 2). Dabei dient die Vena epigastrica superficialis nahe der Magnacrosse als Orientierungspunkt. Nach Applikation der Tumeszenzlokalanästhesie (schützt das perivasale Gewebe
Abbildung 1: Endovenöse Lasertherapie (ELT): Punktion unter Ultraschallkontrolle.
Abbildung 2: ELT: Führungsdraht und Schleuse.
vor Hitzeschäden und verbessert den Kontakt der Venenwand mit der Laserfaser) und nach nochmaliger Lagekontrolle der Sondenspitze mit Ultraschall erfolgt die Energieabgabe kontinuierlich oder im Impulsbetrieb unter langsamem Rückzug der Sonde. Dabei wird die Vene auf ihrer ganzen Länge obliteriert. Es muss darauf geachtet werden, dass die verwendete Schleuse eine Länge von bis zu 15 cm besitzt. Entweder wird diese daher im Verlauf zurückgezogen, oder die Energieapplikation wird vor der Schleuse beendet. Die Energieapplikation muss am Punktionsort früh genug beendet werden, um Hautverbrennungen beziehungsweise Nekrosen zu vermeiden. Die Laserfasern der 1. Generation mit einfachen axial abstrahlenden Glasfasern (bare fibres) mit Diodenlasern der Wellenlängen 810 nm, 940 nm und 980 nm bewirken eine Energieabsorption durch das Hämoglobin der Erythrozyten und führen über eine Dampfblasenbildung zur Ausbildung eines Thrombus mit sekundärer thermischer Gefässwandschädigung.
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Tierexperimentell wurden an der Sondenspitze bis zu 700 °C gemessen. Im späteren Verlauf folgt eine Schrumpfung der Vene und schliesslich ein fibrotischer Umbau beziehungsweise Abbau. Die ab 2005 eingeführten Laserfasern der 2. Generation mit grösserer Wellenlänge (1320 nm Nd:YAG und 1470 nm Diodenlaser) führen bei einem Absorptionsmaximum in wasserhaltigem Gewebe (Zellen der Venenwand) zu einer direkteren Gefässwandschädigung. Zudem wurde 2008 eine Änderung der Abstrahlungsgeometrie vorgenommen und das Laserlicht mit einer Radialfaser in einem Winkel von 90° ringförmig auf die Venenwand gerichtet. Bei gleichen Energiedosen werden damit signifikant geringere Schmerzen als mit den axialen Laserfasern der 1. Generation beschrieben. Es wird angenommen, dass es durch die gleichmässigere Energieabgabe weniger zu Gefässperforationen mit Hämatombildung kommt. Mittlerweile sind auch «2-Ringfasern» erhältlich. Dabei hängt die Effektivität des Venenverschlusses von der applizierten Energie und dem Venendurchmesser ab. Zu dokumentieren ist für jede endoluminale Lasertherapie die lineare Energiedichte (LEED). Bei einem durchschnittlichen Venendurchmesser von 7 mm werden zwischen 60 und 80 J/cm empfohlen. Bei den neuen Radialfasern kann dieser Parameter auch tiefer gewählt werden. Zudem sollten der Durchmesser und die Länge des behandelten Venenabschnittes, die Gesamtenergie (J) und die Pulsdauer (s) angegeben werden.
ELT: Resultate, Vorteile und Risiken
Die ELT ist eine effektive Methode zur Behandlung der Stammvarikosis mit Verschlussraten von 80 bis 95 Prozent nach 3 bis 5 Jahren. In einem 2014 von Nesbitt et al. publizierten Update des Cochrane-Reviews von 2011 wurden nunmehr 13 Studien (3081 Patienten) berücksichtigt. Diese Publikation fand beim Vergleich der konventionellen operativen Therapie (Magnacrossektomie und Magnastripping) mit der endoluminalen Lasertherapie keinen Unterschied in der Rate der sonografisch detektierbaren oder klinisch symptomatischen inguinalen Crossenrezidive bei vergleichbaren Langzeitresultaten (4). In der Literatur wird die Rate an klinischen Rezidiven 2 bis 5 Jahre nach Lasertherapie mit 16 bis 47 Prozent und nach Magnacrossektomie mit 23 bis 55 Prozent angegeben. Sowohl die klassische Operation als auch die Lasertherapie sind nach 5 Jahren effektiv in der Reduktion der CVI, die in den meisten Studien mit dem Venous Clinical Severity Score (VCSS) gemessen wird. Die Häufigkeit von Komplikationen scheint mit dem endovenösen Verfahren geringer zu sein, insbesondere treten postoperative Hämatome, Schmerzen und Infektionen seltener auf. Das wiederum führt zu einer schnelleren Rekonvaleszenz
nach der Intervention mit einer um 4,25 Tage rascheren Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit. Die krankheitsbedingte Einschränkung der Lebensqualität ist postinterventionell durch beide Verfahren gleichermassen aufgehoben. Das kosmetische Resultat wird von den Patienten nach endovenösen Verfahren als besser eingeschätzt. Verglichen mit der Radiofrequenzobliteration zeigen frühe Studien mit der Laserfaser der 1. Generation höhere Komplikationsraten (Hämatome, Schmerzen, Hyperpigmentierungen, interventionell verursachte Phlebitiden). Die neueren radiären Laserfasern mit grösseren Wellenlängen von 1470 nm scheinen sich jedoch diesbezüglich günstig auszuwirken. Generelle Vorteile der endoluminalen Verfahren sind: minimale (Zugangs-)Invasivität mit besseren kosmetischen Resultaten, geringere Hämatom- und Schmerzentwicklung, raschere Mobilisierbarkeit und Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess. Langfristige Untersuchungen zur Rezidivhäufigkeit fehlen allerdings noch, zumal bei den endoluminalen Therapien ja formal keine Crossektomie mit Entfernung beziehungsweise Unterbindung sämtlicher Seitenäste bei einem geforderten Sicherheitsabstand von 1 cm durchgeführt wird, wie das bei der offenen Chirurgie seit Jahren als State oft the art praktiziert wird. Zu erwähnen sind schliesslich seltene, aber für den Patienten wie für den Behandler unangenehme technische Komplikationen wie Schleusenperforationen, Sondenbrüche und Dislokationen oder auch die interventionell provozierte tiefe Beinvenenthrombose (endothermal heat induced thrombosis = EHIT), die in bis zu 5,1 Prozent der Fälle beschrieben wird. Weiter sind Hyperpigmentierungen, Strangbildung der obliterierten Vene am Oberschenkel und eine Nervenschädigung des N. saphenus oder N. suralis mit entsprechenden Hypästhesien zu nennen.
Radiofrequenzobliteration (RFO)
Die RFO wurde als erstes endoluminales Therapieverfahren bereits 1998 in Deutschland zugelassen und geht auf erste klinische Anwendungen von Szankay 1984 zurück. Die elektrische Obliteration der erkrankten Vene geschieht über diathermischen Hochfrequenzstrom, wobei die endoluminale Sonde als Arbeitselektrode dient und eine breite neutrale Platte den Stromkreis schliesst. Primärer Ort der gewünschten Schädigung ist dabei das Gefässendothel. 1998 wurde das Verfahren VNUS Closure™ eingeführt, dabei wurde die Venenwand auf 85 °C erhitzt und der Katheter langsam kontinuierlich zurückgezogen. 2007 wurde dieses Verfahren durch eine schnellere, aber rein thermische Methode mit einer Temperatur von 120 °C und einer segmentalen Obliteration auf jeweils 7 cm ersetzt (Closure Fast™, Venefit™). Die höhere Temperatur und die segmen-
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tale Ablation führten zu einer besseren Verschlussrate, die nun über 90 Prozent nach 5 Jahren beträgt (zuvor etwa 75 Prozent nach 2 Jahren) (5). Als «echtes» Radiofrequenzverfahren erzielt die bipolare radiofrequenzinduzierte Thermotherapie (RFITT™) eine Temperatur von 60 °C bis 100 °C an der Venenwand, wobei die Kontrolle der Rückzugsgeschwindigkeit und der Energieabgabe rückgekoppelt akustisch gesteuert wird. Dabei werden ähnlich gute Resultate mit einem Gefässverschluss von über 95 Prozent nach 1 Jahr bei einer Leistung von 18 bis 20 Watt und einem langsamen Rückzug unter 1,5 cm/s berichtet. Indikationen, Kontraindikationen und Technik sind sehr ähnlich wie bei der endovenösen Lasertherapie, wobei besondere Vorsichtsmassnahmen bei Patienten mit Herzschrittmachern und Defibrillatoren nach Rücksprache mit dem behandelnden Kardiologen und dem Gerätehersteller erfolgen sollten. Die perioperative Komplikationsrate der Radiofrequenzobliteration ist insgesamt sehr niedrig und vergleichbar mit der Komplikationsrate nach endoluminaler Lasertherapie mit radiären Fasern. Da bei ähnlichen Verschlussraten wie bei der Lasertherapie auch bei diesem Verfahren die positiven Effekte der minimalinvasiven endovenösen Therapie mit geringeren Schmerzen, weniger Hämatomen und Infekten bei schnellerer Rekonvaleszenz und Rückkehr zur Arbeit sowie bei besserem kosmetischem Resultat beschrieben wurden, erfolgte auch für die Radiofrequenzobliteration eine Empfehlung der US-amerikanischen und der britischen Fachgesellschaften zur First-line-Behandlung vor Magnacrossektomie und Stripping (2, 3).
Zusammenfassung
Die endovenöse Lasertherapie und die Radiofre-
quenzobliteration stellen wertvolle Instrumente zur
Behandlung der Stamm- und Seitenastvarikose und
in Zukunft möglicherweise auch der Perforansvari-
kose dar. Der therapeutisch tätige Phlebologe sollte
jedoch über die Kenntnisse und Fähigkeiten aller
Verfahren – inklusive anderer endoluminaler Verfah-
ren, der Schaumsklerotherapie und auch der konven-
tionellen Magnacrossektomie und Stripping – verfü-
gen, um seinen Patienten individuell bestmöglich
beraten und therapieren zu können.
L
Kontaktadresse: Dr. med. Christian Schmidt PhD Venenklinik Bellevue Kreuzlingen Brückenstrasse 9, 8280 Kreuzlingen E-mail: c.schmidt@venenklinik.ch
Interessenkonflikte: keine
Referenzen:
1. Navarro L et al.: Endovenous laser: a new minimally invasive method of treatment for varicose veins – preliminary observations using an 810 nm diode laser. Dermatol Surg 2001; 27(2): 117–122.
2. Gloviczki P et al.: The care of patients with varicose veins and associated chronic venous diseases: clinical practice guidelines of the Society for Vascular Surgery and the American Venous Forum. J Vasc Surg 2011; 53 (5 Suppl): 2S–48S.
3. Marsden G et al.: Guideline Development G. Diagnosis and management of varicose veins in the legs: summary of NICE guidance. BMJ 2013; 347: f4279.
4. Nesbitt C et al.: Endovenous ablation (radiofrequency and laser) and foam sclerotherapy versus open surgery for great saphenous vein varices. Cochrane Database Syst Rev 2014; 7: CD005624.
5. Proebstle TM et al.: Five-year results from the prospective European multicentre cohort study on radiofrequency segmental thermal ablation for incompetent great saphenous veins. Br J Surg 2015; 102(3): 212–218.
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