Transkript
BERICHT
Topische Behandlung des Rosazeaerythems
Erste Erfahrungen mit einer neuen Therapieoption
Das störende persistierende zentrofaziale Rosazeaerythem kann durch Brimonidingel rasch und für die Dauer eines ganzen 12-Stunden-Tages zum Verschwinden gebracht werden. PD Dr. Curdin Conrad, Service de dermatologie et vénérologie, CHUV, Lausanne, bezeichnete das innovative Gel als sehr nützliche Therapieoption, wenn gut geeignete Patientinnen und Patienten mit Rosazea dafür ausgewählt werden. Der Lausanner Rosazeaexperte sprach über seine ersten Erfahrungen mit dem Brimonidingel an einem Satellitensymposium der Firma Galderma-Spirig, das im Rahmen der Rencontres Romands de Dermatologie et Vénérologie in Genf stattfand.
Brimonidin 3,3 mg/g Gel (Mirvaso®) ist als rezeptpflichtiges Präparat (Liste B) seit Januar 2015 in der Schweiz erhältlich und seit dem 1. Mai 2015 kassenzulässig. Die Aufnahme in die Spezialitätenliste des BAG wurde an die Auflage geknüpft, dass die Erstverschreibung nur durch Fachärzte für Dermatologie erfolgen darf. Damit soll sichergestellt werden, dass nur Patienten, bei denen die Diagnose Rosazea kompetent gestellt wurde, das Präparat erhalten.
Wirksamkeit und Verträglichkeit in Studien
Der hochselektive alpha-2-adrenergische Rezeptoragonist Brimonidin bewirkt nach topischer Anwendung eine potente Vasokonstriktion der bei Rosazea abnorm dilatierten kleinen Blutgefässe der Gesichtshaut. In zwei zulassungsrelevanten, randomisierten, vehikelkontrollierten Doppelblindstudien konnte der
rasch (schon innerhalb von 30 Minuten) einsetzende, während 12 Stunden ausgeprägte Behandlungserfolg des aktiven Gels nachgewiesen werden (1). Während der kontinuierlichen Behandlung an 29 Tagen wurde keine Abnahme des Ansprechens festgestellt (keine Tachyphylaxie). Das einmal täglich dünn auf das ganze Gesicht aufgetragene aktive Gel erwies sich als gut verträglich. In einer offenen Langzeitstudie wurden Wirksamkeit und Sicherheit des Brimonidingels bei kontinuierlicher, einmal täglicher Anwendung während 12 Monaten untersucht (2). Auch bei Langzeitverwendung büsste das Gel bei guter Verträglichkeit seine rasch einsetzende Wirksamkeit nicht ein. Nebenwirkungen kamen nach Ablauf von 3 Monaten deutlich seltener vor. Im Rahmen dieser Langzeitstudie konnten die Patienten zusätzlich zum Brimonidingel auch Medikamente zur Behandlung entzündlicher Rosazeapapeln und -pusteln verwenden. Dabei nahm das Risiko von Nebenwirkungen nicht zu.
(alle Fotos: © Galderma Spirig)
Abbildung 1: Rosazeaerythem (Ausgangsbefund)
Abbildung 2: 30 Minuten nach Applikation von Brimonidingel
Abbildung 3: Rosazeaerythem (Ausgangsbefund)
Abbildung 4: 30 Minuten nach Applikation von Brimonidingel
22 SZD 3/2015
Topische Behandlung des Rosazeaerythems
Tipps für die Praxis
Das durch eine vaskuläre Dysregulation hervorgerufene Rosazeaerythem spricht auf Brimonidingel an, jedoch nicht das auf einer Entzündung beruhende periläsionale Erythem bei Papeln und Pusteln. Solche entzündliche Läsionen, die zuvor durch das Rosazeaerythem verdeckt waren, können nach Anwendung von Brimonidingel verstärkt sichtbar werden. Bei ausgeprägten entzündlichen Läsionen empfiehlt sich eine antiinflammatorische topische Therapie im Vorfeld. Bei kaum sichtbaren entzündlichen Läsionen kann auch in Kombination mit der Brimonidingeltherapie antiinflammatorisch behandelt werden. Dr. Conrad empfahl bei der kombinierten Therapie, das Brimonidingel morgens und topisches Metronidazol (z.B. Nidazea®, Perilox®, Rosalox®, Rosex®) abends zu verwenden. Es ist wichtig, den Patienten dieses Therapieschema zu erklären, damit sie nicht unmittelbar vor dem Brimonidingel Metronidazol auftragen, wodurch die Wirksamkeit der Brimonidinbehandlung stark beeinträchtigt würde. Der Referent machte darauf aufmerksam, dass der Flush bei Rosazea erfahrungsgemäss durch Brimonidingel nicht gemildert wird. Weil Teleangiektasien keine glatte Muskulatur mit alpha-2-adrenergischen Rezeptoren besitzen, können sie nicht auf Brimonidin mit Vasokonstriktion reagieren. Manchmal kommen Teleangiektasien erst nach dem Auftragen von Brimonidingel deutlich zum Vorschein. Sie können dann gezielt mit Laser oder IPL (Intense Pulsed Light) behandelt werden. Abhängig vom Hauttyp besteht das Risiko, dass die Haut allzu bleich wird («Kadaverfarbe»), wenn etwas zu viel Brimonidingel appliziert wurde. Um die geeignete Menge herauszufinden, empfiehlt es sich, dass die Patienten ihre ersten Therapieerfahrungen am Wochenende unter Ausschluss der Öffentlichkeit sammeln. Besonders bei Männern sollte eindringlich darauf hingewiesen werden, dass Brimonidingel gleichmässig in dünner Schicht überall auf die Gesichtshaut (ausser auf Augenlider und Lippen) aufgetragen werden soll. Männer nehmen es oft nicht so genau mit der korrekten Applikation, sodass gerötete Flecken zurückbleiben oder allzu bleiche Stellen entstehen können. Bei der Instruktion der Patienten sollte auch das korrekte Öffnen der Tube zur Sprache kommen. Das Öffnen der Tube ist aufgrund des kindersicheren Verschlusses nicht ganz banal und kann selbst Dermatologen in Verlegenheit bringen, wie Dr. Conrad in einer Live-Demonstration am Beispiel von zwei freiwilligen Kollegen demonstrierte. Wichtig ist zudem der Hinweis, dass es sich beim Brimonidingel nicht um ein kuratives Medikament handelt. Alle auslösenden Faktoren der Rosazea müssen also auch weiterhin gemieden werden (z.B. UV-Exposition an
der Sonne, Hitze, stark gewürzte Speisen, Rotwein). Sonnenschutzpräparate und hydrierende Hautpflegemittel sollen weiterhin verwendet werden, aber nicht vor dem Auftragen des Brimonidingels, sondern erst danach, wenn der dünne Film des gleichmässig verteilten Gels trocken ist.
Nebenwirkungen und «Rebound»
Die am häufigsten – typischerweise in den ersten
2 Wochen – vorkommenden Nebenwirkungen sind
Erythem, Flush, Juckreiz und Brennen der Haut. In
der Regel sind diese unerwünschten Wirkungen
leicht bis mässig ausgeprägt und machen keinen
Therapiestopp erforderlich. Es wird berichtet, dass
gelegentlich (bei etwa 1% der Patienten) eine all-
ergische Kontaktdermatitis vorkomme, typischer-
weise nach 3- bis 4-monatiger Therapie. Dr. Conrad
hat diese Nebenwirkung von Brimonidingel selbst
noch nie beobachtet. In solchen Fällen soll die Bri-
monidinbehandlung gestoppt und eine topische
Kortikosteroidtherapie durchgeführt werden. Nöti-
genfalls kann eine Epikutantestung erfolgen.
In einer aktuellen Publikation wird berichtet, dass ein
beträchtlicher Anteil der in der Praxis mit Brimonidin-
gel behandelten Patienten (10 bis 20%) über eine
Verschlechterung des Erythems berichtet (3). Dieses
Phänomen, das als «Rebound» bezeichnet wurde, ist
eigentlich kein Reboundphänomen, da es sich um
eine das Ausgangsniveau übersteigende Erythem-
verschlechterung handelt, die nicht nach, sondern
noch während der Therapie auftritt. Es kommt vor,
dass 3 bis 6 Stunden nach initialer Besserung – also
während des Tages, wenn der Patient mit einer guten
Wirkung des Gels rechnet – ein problematisches
«paradoxes Erythem» auftritt. Ausser dieser Form
von Pseudorebound gibt es auch eine Form mit ver-
stärktem Erythemrezidiv («exaggerated recurrence
of erythema») 10 bis 12 Stunden nach der Gel-
applikation, also im letzten Abschnitt der Brimonidin-
wirkung. Diese Form von verstärkter Rötung ist für
Patienten weniger problematisch, da sie am Abend
auftritt.
L
Alfred Lienhard
Referenzen:
1. Fowler J et al. Efficacy and safety of once-daily topical brimonidine tartrate gel 0.5% for the treatment of moderate to severe facial erythema of rosacea: Results of two randomized, doubleblind, vehicle-controlled pivotal studies. J Drugs Dermatol 2013; 12: 650–656.
2. Moore A et al. Long-term safety and efficacy of once-daily topical brimonidine tartrate gel 0.5% for the treatment of moderate to severe facial erythema of rosacea: Results of a 1-year openlabel study. J Drugs Dermatol 2014; 13: 56–61.
3. Tanghetti EA et al. Optimizing the use of topical brimonidine in rosacea management: Panel recommendations. J Drugs Dermatol 2015; 14: 33–40.
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