Transkript
FORTBILDUNG ZUM SCHWERPUNKT
Langfristige Erfolge mit Hedgehog-Blockade
Management-Tipps von Down Under
Mit der Einführung des ersten Hedgehog-Signalweg-Inhibitors Vismodegib wurde eine neue Option für Patienten mit inoperablem oder metastasiertem Basalzellkarzinom verfügbar. Doch obwohl bei über 80 Prozent der Betroffenen eine Erkrankungskontrolle für mindestens neun Monate erreicht werden konnte, war die subjektive Akzeptanz vor allem aufgrund der unerwünschten Ereignisse gering (1). In einem aktuellen Übersichtsartikel fasst der australische Dermatologe Prof. Peter Foley, Universität von Melbourne, die aktuelle Studienlage zusammen und gibt Tipps für den praktischen Einsatz sowie zum Management der unerwünschten Effekte (2).
Australien ist das Land mit der weltweit höchsten Inzidenz an Basalzellkarzinomen (BCC), mit einer Rate von 884 Fällen auf 100 000 Einwohner. Sie machen etwa 80 Prozent der Fälle von hellem Hautkrebs (NMSC: non-melanoma skin cancer) aus. In Australien stieg in den letzten Jahren die Zahl der NMSCBehandlungen allein im Zeitraum von 1997 bis 2010 um 86 Prozent. Wenn auch Metastasierungen sehr selten sind und bei einer rechtzeitigen Diagnose und Behandlung über 95 Prozent der Betroffenen geheilt werden können, so bleibt doch immer noch eine erhebliche Morbidität. Insbesondere bei Patienten, die sich erst in einem sehr späten Krankheitsstadium vorstellten, könne die Therapie sehr schwierig werden, schreibt Foley (2). Die Therapieoptionen beim BCC sind vielfältig. Faktoren, die bei der Therapieentscheidung berücksichtigt werden sollten, sind Tumorgrösse und -lokalisation, histologischer Subtyp, aber auch Alter, Gesundheitszustand und Wünsche des Patienten, mögliche Komplikationen und die zu erwartenden ästhetischen Ergebnisse. Als Goldstandard gilt immer noch die Chirurgie mit histologischer Kontrolle. Zu den konservativen Optionen zählen die photodynamische Therapie und topische Applikationen wie Imiquimod oder 5-Fluorouracil. Ein genereller Nachteil des konservativen Vorgehens ist die fehlende Möglichkeit einer histologischen Validierung und das damit verbundene höhere Rezidivrisiko. Trotzdem können diese Verfahren bei älteren Patienten mit multiplen Komorbiditäten oder auch bei jenen mit inoperablen Tumoren die bessere Wahl sein, gibt Foley zu bedenken. Die Radiotherapie bleibt häufig beschränkt auf postoperative Rezidive oder wenn eine komplette Resektion schwierig erscheint. Weitere Indikationen für eine Radiotherapie sind höheres Alter, Situationen, bei denen die Chirurgie zu grösseren Funktionsverlusten führen würde, Patienten mit Kontraindikationen gegen die Chirurgie oder
Anästhesie oder auch solche mit Gerinnungsproblemen. Bei Patienten mit genetischen Störungen, wie zum Beispiel beim Gorlin-Syndrom, kann die wiederholte Chirurgie an die Grenzen des Machbaren stossen, während gleichzeitig die Strahlentherapie wegen des erhöhten Risikos weiterer BCC kontraindiziert sein kann (2). Für das metastasierte BCC ist die Therapie weniger gut definiert. Neben Chirurgie und Strahlentherapie wurden hier in der Vergangenheit verschiedene Chemotherapeutika wie zum Beispiel Doxorubicin, Paclitaxel und Cisplatin/Carboplatin eingesetzt (2).
Vismodegib – der erste Hemmstoff des Hedgehog-Signalwegs
Das bessere Verständnis der molekularen Pathomechanismen hat zu einem neuen, zielgerichteten Ansatz in der Behandlung geführt. Es wurde deutlich, dass die Krebsentstehung durch Aberrationen in Signalwegen, die am Wachstum und an der Vermehrung von Zellen mitwirken, gefördert wird. Hierzu gehört auch der Hedgehog-Signalweg, der gerade beim BCC eine zentrale Bedeutung besitzt. Mutationen im Bereich dieses Signalwegs, die zu einer verstärkten Aktivierung führen, sind bei der überwiegenden Mehrzahl der BCC wie auch beim GorlinSyndrom nachweisbar. Die gezielte Suche nach Inhibitoren dieses Signalwegs führte zur Entdeckung von Vismodegib. Es blockiert die Wirkung von SMO (smoothened homolog), einem Transmembranprotein mit Schlüsselfunktion im Hedgehog-Signalweg (2). In den ersten klinischen Studien der Phase I und II bestätigte sich die Wirksamkeit von Vismodegib bei Patienten mit fortgeschrittenem BCC sowie bei Medulloblastomen. Bei den Patienten mit fortgeschrittenem BCC lag die Ansprechrate bei 58 Prozent (19 von 33) (2). In der Folge dieser ermutigenden Daten wurde die Phase-II-Studie ERIVANCE durch-
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geführt. In dieser offenen, einarmigen, multizentrischen Zwei-Kohorten-Studie wurden insgesamt 104 Patienten, davon 71 mit lokal fortgeschrittenem und 33 mit metastasiertem BCC, einmal täglich mit einer Kapsel 150 mg Vismodegib, die oral verabreicht wurde, behandelt (3). 43 Prozent der Patienten mit lokal fortgeschrittenem und 30 Prozent mit metastasiertem BCC wiesen ein durch einen unabhängigen Reviewer bestätigtes Ansprechen (ORR: Objective Response Rate) auf. (1, 3). Auf dem letztjährigen amerikanischen Krebskongress (ASCO 2014) wurden die 30-Monats-Daten von ERIVANCE präsentiert (4). Die objektive Ansprechrate lag für Patienten mit lokal fortgeschrittenem BCC bei 60,3 Prozent und bei Patienten mit metastasiertem BCC bei 48,5 Prozent. Aufgrund der hohen Anzahl von Patienten mit verlängertem Ansprechen verbesserte sich mit dem längeren Follow-up die mediane Ansprechdauer substanziell im Vergleich zu früheren Auswertungen und erreichte bei den Patienten mit lokal fortgeschrittenem BCC nunmehr 26,2 Monate und bei denjenigen mit metastasiertem BCC 14,8 Monate. Das mediane Gesamtüberleben lag bei Patienten mit metastasiertem BCC bei 33,4 Monaten, bei denjenigen mit lokal fortgeschrittenem BCC war dieser Wert noch nicht erreicht, denn es waren zu diesem Auswertungszeitpunkt immer noch mehr als die Hälfte der Behandelten am Leben (4). Trotz dieser Ergebnisse kam es häufig zu Therapieabbrüchen. So hatte bereits bei der primären Auswertung der ERIVANCE-Studie die Hälfte der Patienten die Therapie wieder beendet. Bei den Patienten mit lokal fortgeschrittenem BCC war es bei 25 Prozent die Entscheidung des Patienten (2, 4).
Optimierung durch gutes Nebenwirkungsmanagement
Die häufigsten berichteten Nebenwirkungen waren Muskelspasmen, Alopezie und Dysgeusie (Geschmacksstörung) sowie Gewichtsverlust und Müdigkeit (2, 3). 57 Prozent der Patienten hatten nur Nebenwirkungen der Schweregrade 1 und 2, während 25 Prozent der Patienten höhergradige Nebenwirkungen berichteten. Es traten sieben Todesfälle auf, wobei bei keinem ein Zusammenhang mit der Vismodegibtherapie vermutet wurde (2, 3). Ein Grossteil dieser Nebenwirkungen stehe in direktem Zusammenhang mit der Hemmung des Hedgehog-Signalwegs, betont Foley (2). Denn dieser ist auch am Haarwachstum sowie an Geruchs-, Magen- und Muskelfunktionen beteiligt. Da man das weiss, kann man die Patienten darauf vorbereiten und ihnen Tipps zur Vorbeugung und zum Management der unerwünschten Effekte geben. Das Management basiert dabei vor allem auf der Erkenntnis, dass Kalzium eine wichtige Rolle bei der Funktion des
Hedgehog-Signalwegs spielt und dieser Signalweg seinerseits die Funktion von Kalziumkanälen beeinflusst. Lokale Veränderungen der Kalziumhomöostase könnten daher, wie bereits vor mehreren Jahren postuliert wurde, auch die durch Hedgehog-Hemmer hervorgerufenen Nebenwirkungen erklären (5). Foley verweist in diesem Zusammenhang auf eine kleinere Studie, in der 22 Patienten mit fortgeschrittenem BCC mit Vismodegib behandelt wurden (6). Jeder Patient, der eine Nebenwirkung entwickelte, wurde angewiesen, entsprechend dem theoretischen Mechanismus, über den die Hedgehog-SignalwegHemmung an diesem Symptom beteiligt ist, gegensteuernd darauf zu reagieren. So sollten die Patienten im Falle einer Alopezie ein zinkhaltiges Shampoo und/oder einen Minoxidilschaum zur Stabilisierung des Kalziumflusses, der durch Vismodegib unterbrochen wird, verwenden. Bei Dysgeusie wurden entsprechend Zinkpastillen zur Linderung der Kalziumakkumulation in den Geschmacksknospen eingesetzt. Zur Förderung der geblockten olfaktorischen Funktionen konsumierten die Patienten koffeinhaltige Getränke. Zur Verhinderung von Nausea, bei der die blockierte Säureproduktion im Magen als Ursache vermutet wird, tranken sie saure Flüssigkeiten mit jeder Mahlzeit. Zur Linderung der Muskelkrämpfe wurden kalziumkanalblockierende Substanzen, Magnesium und eine gute Hydration eingesetzt. Mit diesen Empfehlungen waren alle Patienten in der Lage, die Nebenwirkungen in einem tolerablen Bereich zu halten, und kein Patient brach die Therapie wegen Nebenwirkungen ab (6).
Fazit
Die Entdeckung des Hedgehog-Signalweges, seiner
zentralen Bedeutung in der Pathogenese des Basal-
zellkarzinoms sowie die Entwicklung von Substanzen
zur Hemmung dieses Signalweges sind als ein wesent-
licher Durchbruch in der Behandlung des fortgeschrit-
tenen BCC zu betrachten, so Foley: «Die Effektivität
von Vismodegib beim lokal fortgeschrittenen und
metastasierten BCC ist ermutigend. Kliniker, die
diese Substanz verschreiben, sollten die Patienten
über die einfachen Interventionen aufklären, die
gegen die häufigsten Nebenwirkungen eingesetzt
werden können. So kann die Compliance gefördert
und die Chancen der Patienten auf ein zufriedenstel-
lendes Ergebnis können erhöht werden.» Es sind, so
Foley abschliessend, weitere Substanzen mit ähnli-
chem Wirkprinzip in Sicht; diese werden vermutlich
die Therapieoptionen für Patienten mit fortgeschrit-
tenem BCC noch erweitern.
L
Adela Žatecky Das Literaturverzeichnis ist in der Onlineversion einsehbar.
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Referenzen: 1. Grabbe S et al.: Neue Entwicklungen in der Therapie von Basal-
zellkarzinomen. Arzneimitteltherapie 2013; 31: 261–266. 2. Foley P: Current landscape for treatment of advanced basal cell
carcinoma. Australasian Journal of Dermatology 2015; 56 (Suppl. 1): 1–7. 3. Sekulic A et al: Efficacy and safety of vismodegib in advanced basal-cell carcinoma. N Engl J Med 2012; 366: 2171–2179. 4. Sekulic A et al.: Long-term safety and efficacy of vismodegib in patients with advanced basal cell carcinoma: Final update (30month) of the pivotal ERIVANCE BCC study. J Clin Oncol 2014; 32:5s (Suppl; Abstr 9013). 5. Solomon A et al.: Calcium Dependence of the SHH Pathway and Theoretical Implications in Oral Treatment of Locally Advanced or Metastatic Basal Cell Carcinomas. Cutaeous Oncology Today 2011; Dec.: 9–13. 6. Solomon JA et al.: Successful control of adverse events associated with vismodegib treatment of advanced basal cell carcinoma by recognition of hedgehog pathway activity in normal adult tissue [abstract]. J Invest Dermatol 2013; 133: S185. (Posterpräsentation beim 2013 International Investigative Dermatology Meeting 2013 in Edinburgh).
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