Transkript
BERICHT
Atopisches Ekzem bei Kindern
Update zur Therapie mit Externa
Zur Behandlung des atopischen Ekzems im Kindesalter gehören die Hautreinigung, die rückfettende Hautpflege, die antientzündliche Therapie mit einem topischen Kortikosteroid und nach der Akutphase, besonders im Gesicht, die Erhaltungstherapie mit einem Calcineurininhibitor. Ein schriftlicher Behandlungsplan, aus dem klar ersichtlich ist, welche Präparate «Kortison» enthalten, stellt eine wichtige Hilfe für die Eltern dar. Über Externabehandlungen bei Kindern mit atopischem Ekzem sprach Dr. Lisa Weibel, Leitende Ärztin Kinderdermatologie, Universitätskinderspital Zürich, an der Fortbildung «Atopisches Ekzem 2015» der Dermatologischen Klinik des Universitätsspitals Zürich.
Für eine erfolgreiche Therapie des atopischen Ekzems ist es sehr wichtig, dass sich Ärzte um ein adäquates Krankheitsverständnis der Eltern bemühen. Da die Eltern sehr oft überzeugt sind, ihr Kind habe eine Allergie, müssen sie in ihrem Krankheitsverständnis häufig weg von der Allergie und hin zur Hautbarrierestörung gelenkt werden. Nahrungsmittelallergien spielen beim atopischen Ekzem weit seltener eine Rolle, als von vielen Eltern vermutet wird. Unnötige Diäten sollten bei Kindern vermieden werden, betonte die Referentin. Falsch sei die Ansicht, das atopische Ekzem müsse nicht so ernst genommen werden, weil es «nur die Haut» betreffe und «von selbst» wieder abheile. Dr. Weibel sprach sich entschieden für eine frühzeitig einsetzende, proaktive Hauttherapie aus, die helfen könne, die Prognose zu verbessern und eine Chronifizierung des Ekzems zu verhindern.
Hautreinigung und rückfettende Hautpflege
Die Referentin bezeichnete die weitverbreitete Ansicht, zu viel Wasser schade beim Baden und Duschen der trockenen Haut, als Mythos. Sie empfahl bei jungen Kindern jeden Abend für 5 bis 10 Minuten ein lauwarmes Bad mit einem Ölzusatz (z.B. Antidry Mandelölbad). Das Baden reinigt die Haut von ungünstigen Mikroben und von Salbenrückständen, entfernt Krusten, hydriert die Haut und verbessert die Resorption der Epidermis für 10 bis 15 Minuten nach dem Bad, sodass die Haut aufnahmefähiger wird für Emollienzien und Topika. Das regelmässige abendliche Bad erleichtert zudem – gewissermassen als lustiges Ritual – das Einschlafen nach dem Baden und Eincremen. Um der Neigung zu bakteriellen Superinfektionen entgegenzuwirken, kann alle 2 Wochen ein Bad mit antiseptisch wirk-
samem, stark verdünntem Javelwasser zubereitet werden. Wie Studien aus den USA gezeigt haben, wirken sich solche Bäder günstig auf das atopische Ekzem aus. Geeignet ist das bei Coop erhältliche Javelwasser (2,5% Natriumhypochlorid) in einer ungefährlichen Verdünnung von 100 ml des Produktes pro halbe Badewanne bzw. 200 ml pro 100 l Wasser. Empfehlenswert ist auch die Verwendung einer hautfreundlichen, antiseptischen, triclosanhaltigen Waschlotion (z.B. Procutol®). Zur Hautpflege mit Emollienzien empfahl Dr. Weibel, den ganzen Körper 1- bis 2-mal täglich gründlich einzucremen (z.B. mit Dexeryl® Creme oder Lipikar AP+ Balsam), vorzugsweise unmittelbar nach dem Baden oder Duschen (innerhalb von 10 Minuten). Bei Säuglingen und Kleinkindern kann Urea in Emollienzien auf der Haut ein vorübergehendes Brennen auslösen. Deshalb ist es in der Regel besser, bei kleinen Kindern auf Harnstoffzusätze zu verzichten, ebenso auf Duftstoffe und Naturkosmetika (wegen der Hautbarriereproblematik).
Topische Therapie
Kortisongegner seien durchaus nicht immer «unverbesserlich», so die Referentin. In der Praxis sei es unumgänglich, das «Kortisongespräch» mit den Eltern persönlich zu führen. Die Information durch den Arzt, dem die Eltern vertrauen, sei viel wichtiger als die unpersönliche Lektüre von Studienergebnissen. Im Gespräch sollte den Eltern erklärt werden, dass topische Kortikosteroide seit über 50 Jahren in der Therapie des atopischen Ekzems etabliert sind und dass ihre Sicherheit durch sehr umfangreiche Erfahrungen gut bekannt ist. Es gilt auch, die verschiedenen Stärkeklassen topischer Kortikosteroide zu erläutern und darauf hinzuweisen, dass zwischen Steroiden in Salbenform und systemischen Steroiden in Form von
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Atopisches Ekzem bei Kindern
Kasten:
Langzeitstudie bei Säuglingen und Kleinkindern mit atopischem Ekzem
Pimecrolimus bietet sich als sichere Alternative zu topischen Steroiden an In «Pediatrics» wurden kürzlich die Ergebnisse der bereits an Kongressen vorgestellten Petite-Studie in ausführlicher Form publiziert (1). Die Petite-Study ist – um dies gleich vorweg klarzustellen – keineswegs eine kleine Studie, sondern die bislang grösste Interventionsstudie bei Säuglingen und Kleinkindern mit leichtem bis mittelschwerem atopischem Ekzem, die auch die bisher längste Behandlungsdauer (5 Jahre) untersuchte. Vor dem Hintergrund, dass Bedenken gegenüber topischen Kortikosteroiden die Compliance bei bis zu einem Drittel der Patienten und ihren Eltern empfindlich stören, zeigte die Studie, dass sich der topische Calcineurininhibitor Pimecrolimus als sichere und wirksame steroidfreie Therapiealternative eignet*. In die multizentrische, randomisierte Open-Label-Studie, die aus ethischen Gründen keinen Plazeboarm aufwies, wurden Säuglinge im Alter zwischen 3 und 12 Monaten aufgenommen. Das Studiendesign war auf den Praxisalltag zugeschnitten. 1213 Säuglinge wurden bis zur kompletten Abheilung des atopischen Ekzems mit einem topischen Kortikosteroid der Stärkeklasse I oder II und 1205 Säuglinge mit Pimecrolimus-1%-Creme behandelt. Jeweils bei ersten Zeichen eines erneuten Ekzemschubs wurden die topischen Medikamente im Lauf von 5 Jahren wieder verwendet. Wenn eine Exazerbation ungenügend auf Pimecrolimus ansprach, konnte auf ein topisches Kortikosteroid gewechselt werden. Hier eine Zusammenfassung der Studienresultate: L Nach 3 Wochen war das atopische Ekzem in beiden Behandlungs-
gruppen bei mehr als der Hälfte der Säuglinge völlig oder fast ganz abgeheilt.
L Nach 5-jähriger Behandlung «nach Bedarf» wiesen 88,7 Prozent in
der Pimecrolimusgruppe und 92,3 Prozent in der Gruppe mit dem
topischen Kortikosteroid höchstens noch minimale Krankheitszei-
chen auf. Diese Resultate lassen sich sowohl mit einer zunehmend
besseren Wirkung der Therapie als auch mit dem natürlichen Krank-
heitsverlauf (Abnahme der Krankheitsintensität mit zunehmendem
Alter) erklären.
L Die Behandlung mit Pimecrolimus wirkte sich steroidsparend aus. Im
Verlauf von 5 Jahren benötigten Kinder der Pimecrolimusgruppe
(Verwendung von Pimecrolimus im Median an 224,5 Tagen) nur an
7 Tagen ein topisches Kortikosteroid (in der Vergleichsgruppe im
Median an 178 Tagen).
L In beiden Behandlungsgruppen ergaben sich keine Sicherheits-
bedenken.
L In beiden Behandlungsgruppen war kein negativer Einfluss auf die
Reifung des Immunsystems feststellbar.
AL L
Referenz: 1. Sigurgeirsson B et al.: Safety and efficacy of pimecrolimus in atopic dermatitis: a 5-year randomized trial. Pediatrics 2015; 135: 597–606.
*) Aktuelle, von Swissmedic registrierte Indikation von Elidel® 1%: Bei leichter bis mittelschwerer atopischer Dermatitis ab einem Alter von 2 Jahren als Second-line-Therapie (Kurzzeittherapie oder intermittierende Langzeittherapie), wenn die herkömmliche Behandlung mit Emollienzien plus topischem Kortikosteroid nicht angewendet werden kann.
Tabletten oder Spritzen grosse Unterschiede hinsichtlich systemischer Wirkungen bestehen. Auf die Wichtigkeit der Intervalltherapie sollte hingewiesen werden, damit die Behandlung bei gebessertem Ekzem nicht abrupt gestoppt wird, sondern bei einer Reduktion der Anwendungstage weitergeführt und schliesslich langsam ausgeschlichen wird. Dadurch kann ein Rebound mit Wiederaufflackern des Ekzems vermieden werden. Zudem sollte besprochen werden, dass eine proaktive Therapie mit diesen antientzündlichen Externa die Prognose verbessert und die Chronifizierung des Ekzems verhindert. Die Verlaufskontrolle sollte bald erfolgen, bei einem akuten Ekzem nach 6 Wochen oder schon früher. Kortikosteroidsalben seien erfahrungsgemäss etwas besser geeignet als Cremes, weil sie weniger brennen und besser haften würden, so die Referentin. Eine 1-mal tägliche Behandlung (am besten abends nach dem Bad) ist aufgrund der Depotbildung topischer Steroide im Stratum corneum ausreichend. Die Potenz des Präparates sollte unter Berücksichtigung des Ekzemschweregrades und des Alters des Kindes so gewählt werden, dass die Behandlung das Ekzem innerhalb von 5 Tagen mehrheitlich oder vollständig zur Abheilung bringt. Das Therapieschema folgt nicht dem Prinzip «stop and wait», sondern sieht ein
fixes Intervall vor. Bei einem akuten Ekzem wird in der Regel nach 5 Therapietagen eine Pause von 2 Tagen eingelegt und nach 2-wöchiger Behandlung eine fixe Intervalltherapie angeschlossen (2 bis 3 aufeinanderfolgende Therapietage mit topischem Kortikosteroid, danach 4 bis 5 Tage nur Basistherapie mit Reinigung und Emollienzien). «Keine Angst vor der Verschreibung von topischen Calcineurininhibitoren im Kindesalter» – Tacrolimus (Protopic® 0,03% und 0,1% Salbe) und Pimecrolimus (Elidel® 1% Creme) verbessern die Behandlung des atopischen Ekzems bei Kindern erheblich, wobei die Verträglichkeit und die Sicherheit gut sind, wie die Referentin berichtete. Sie benutzt diese Medikamente vor allem, um Kortikosteroide zu sparen in Arealen mit dünnerer Haut (z.B. im Gesicht, in intertriginösen Arealen, anogenital), aber bisher weniger für grossflächige Anwendungen und nicht in der akuten Phase. Vorzüglich geeignet sind topische Calcineurininhibitoren zur Erhaltungstherapie im Gesicht. Dass die Verträglichkeit und die Sicherheit der topischen Calcineurininhibitoren im Kindesalter gut sind (z.B. kein Malignomrisiko), wurde auch durch die Ergebnisse der Petite-Studie bestätigt (Kasten). L
Alfred Lienhard
18 SZD 3/2015