Transkript
SELBSTBEHANDLUNG
Ameisensäure zur Warzenbehandlung
Auf korrekte Dosierung und Anwendung achten
Vulgäre Warzen beanspruchen als häufiges, banales Problem viel Zeit in der Dermatologieund in der Hausarztpraxis. Jetzt steht für Kinder und Erwachsene ein neues Mittel zur Selbstbehandlung von Hand-, Fuss- und Körperwarzen (ausser im Gesicht und im Genitalbereich) zur Verfügung. Es handelt sich um eine Ameisensäurelösung, die nach dem Auftragen sofort in die Warze eindringt und zur Austrocknung und Abstossung der Warze beiträgt.
Das neue Warzenmittel EndWarts® ist in der Schweiz in Apotheken und Drogerien erhältlich (nicht kassenpflichtig). Es handelt sich dabei nicht um ein Arzneimittel, sondern um ein Medizinprodukt (mit CE-Kennzeichnung der Konformitätsbewertung), das von Meda Pharma vertrieben wird. Das Produkt enthält Ameisensäure und wird mit einem Wattestäbchen regelmässig 1-mal wöchentlich durch 2- bis 3-maliges Betupfen der Warze aufgetragen, bis die Warze verschwunden ist. In klinischen Studien war zuvor eine Punktionstechnik verwendet worden, um eine Ameisensäurelösung in den hyperkeratotischen Anteil der Warzen zu platzieren, ohne dabei die Dermis zu erreichen und ohne eine Blutung auszulösen. Beispielsweise wurde vor 4 Jahren eine randomisierte, plazebokontrollierte, klinische Doppelblindstudie veröffentlicht, die eine Ameisensäurelösung (85% in destilliertem Wasser) bei 34 Patienten mit vulgären Warzen im Halbseitenvergleich testete (1). Jeden 2. Tag wurde die aktive Lösung auf der einen Körperseite und destilliertes Wasser als Plazebo auf der andern Körperseite mittels Punktionstechnik appliziert. Auf der Körperseite mit Ameisensäurebehandlung kam es bei 91 Prozent der Patienten zur vollständigen Abheilung der Warzen, auf der Plazeboseite (destilliertes Wasser) dagegen nur in 10 Prozent. Der Halbseitenvergleich belegt die Wirksamkeit der Ameisensäurelösung, wobei es sich wahrscheinlich um einen toxischen Effekt handelt. Bei einem immunologischen Effekt wäre dagegen zu erwarten, dass
die Warzen auch auf der Gegenseite spontan verschwinden würden.
Ein krasser Fallbericht aus Genf Bei der Warzenbehandlung mit Ameisensäure muss die Gebrauchsanweisung sehr genau beachtet werden, weil durch falsche Anwendung und Überdosierung Hautschäden provoziert werden können. Darauf wird in der Gebrauchsanweisung von EndWarts®, einer ätzenden Lösung mit stark reizendem Geruch, eindringlich hingewiesen. Bei Kindern unter 4 Jahren wird empfohlen, statt jede Woche nur jede zweite oder dritte Woche zu behandeln. Ein eindrücklicher Fallbericht aus dem Universitätsspital Genf zeigte kürzlich die potenziellen Gefahren bei falscher und überdosierter Anwendung von Warzenmitteln auf Basis von Ameisensäure drastisch auf (2). Vom Dermatologen erhielt ein gesunder 58-jähriger Mann den Rat, eine seit 8 Monaten auf der volaren Seite des linken Mittelfingers sichtbare Warze in Eigenregie mit einer rezeptfrei erhältlichen, auch bei Kindern anwendbaren Warzensalbe auf Ameisensäurebasis zu behandeln. Ohne die Gebrauchsanweisung durchzulesen, wollte der Mann die lästige Warze möglichst rasch loswerden. Er trug das Präparat auf die Warze auf, bedeckte sie mit einem okklusiven Verband und legte sich schlafen. Als ihn nach 6 Stunden Schmerzen in der linken Hand weckten, entfernte er den Okklusivverband und die Warzensalbe. Am Morgen bemerkte er dann nach dem Aufstehen eine schmerzlose Hautschädigung. Als er 2 Tage später in der Notfallstation
des Universitätsspitals Genf erschien,
wies die Haut über der volaren Seite der
Grundphalanx des linken Mittelfingers
eine trockene Nekrose von 1,8 cm Durch-
messer mit peripherer Entzündung, aber
ohne Infektzeichen auf. Die Nekrose ent-
sprach einer chemischen Verbrennung
dritten Grades. Auf der ulnaren Seite der
Fingerspitze war die 2-Punkte-Diskrimi-
nation schwer gestört (über 14 mm, nor-
malerweise 2 mm).
Unter Lokalanästhesie musste die Haut
in ganzer Dicke zusammen mit etwas
subkutanem Gewebe exzidiert werden.
Weil die Wundheilung danach nicht nor-
mal verlief und eine Flexionskontraktur
von 20° im proximalen Interphalangeal-
gelenk aufgetreten war, wurde ein zwei-
tes Débridement des Subkutangewebes
durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass der
ulnare kollaterale Fingernerv geschädigt
war. Nach 6 Monaten war die Sensibilität
immer noch gestört, und der Patient
klagte über neuropathische Schmerzen.
Der Wundverschluss benötigte 58 Tage.
Die lokale Selbstbehandlung von War-
zen mit rezeptfrei erhältlichen Produkten
sei nicht ganz risikolos, schreiben die
Genfer Autoren (2). Ärzte, Apotheker
und Drogisten sollten nicht versäumen,
darauf aufmerksam zu machen.
L
Alfred Lienhard
Referenzen: 1. Faghihi G et al. A double-blind, randomized trial
of local formic acid puncture technique in the treatment of common warts. Skinmed 2010; 8: 70–71. 2. Balagué N et al. Third degree formic acid chemical burn in the treatment of a hand wart: a case report and review of the literature. SpringerPlus 2014; 3: 408.
32 SZD 3/2015