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BERICHT
Neutrophile Dermatosen
Wenn histologisch neutrophile Granulozyten im Entzündungsinfiltrat vorherrschen
Vom 8. bis zum 12. Oktober 2014 fand in Amsterdam der 23. EADV-Kongress (European Academy for Dermatology and Venereology) statt. Das diesjährige Kongressmotto lautete «Building Bridges». Brücken gibt es in Amsterdam in der Tat sehr viele, ihre Zahl dürfte diejenige der Pariser Brücken noch übertreffen. «Building Bridges» – so versteht sich auch die EADV, die eine paneuropäische Vereinigung von Dermato-Venerologen aus verschiedenen Ländern und Sprachregionen darstellt. Unter den 11 300 Teilnehmern – was eine Rekordbeteiligung bedeutete – befanden sich neben Europäern auch zahlreiche Dermatologen aus dem aussereuropäischen Raum, zum Beispiel aus Lateinamerika und aus arabischen Ländern. Am Ende der Tagung wurde Prof. Dr. Luca Borradori, Bern, zum President-elect der EADV ernannt – für uns Schweizer ein zusätzlicher Grund, die EADV durch unsere Teilnahme an den Kongressen zu unterstützen. Der folgende Bericht fasst einen Workshop über neutrophile Dermatosen zusammen, der im Rahmen des 23. EADV-Kongresses stattfand.
MARGUERITE KRASOVEC RAHMANN
Marguerite Krasovec Rahmann
Am Workshop WS23, der unter dem Titel «The spectrum of neutrophilic diseases» am 10. Oktober 2014 stattfand, referierte A. Ormerod, Aberdeen, UK, über «Unifying concepts in the neutrophilic dermatoses». Neutrophile Dermatosen bilden eine heterogene Gruppe von dermatologischen Erkrankungen, die histologisch durch das Vorherrschen von neutrophilen Granulozyten im Entzündungsinfiltrat charakterisiert sind. Zu den neutrophilen Dermatosen gehören: L Pyoderma gangrenosum L Sweet-Syndrom L neutrophile Dermatose der Handrücken
L subkorneale Pustulose Sneddon-Wilkinson L amikrobielle Pustulose der Falten L Pyodermatitis-Pyostomatitis vegetans L Bowel-associated dermatitis-arthritis syndrome
Einige neutrophile Dermatosen wurden der Gruppe der autoinflammatorischen Syndrome zugeteilt, bei denen Interleukin 1 (IL-1) und Tumor-Nekrose-Faktor alpha (TNF-α) eine wesentliche immunpathogenetische Rolle spielen. Diese Erkenntnisse haben die Therapien mit Biologika gefördert. Obwohl die systemischen Glukokortikoide weiterhin die Hauptstütze in der Behandlung bleiben, werden in gewissen Fällen IL-1-Inhibitoren oder TNF-α-Inhibitoren eingesetzt.
Unter dem Motto «Building Bridges» fand der 23. EADV-Kongress im Kongress-
zentrum Amsterdam RAI statt.
(Foto: Dr. Marguerite Krasovec Rahmann)
Pyoderma gangrenosum
Über Pyoderma gangrenosum (PG) sprachen A. Marzano, Mailand, Italien, sowie F. Powell, Dublin, Irland, und S. Eming, Köln, Deutschland. Die letztgenannte Referentin schlug einen nützlichen Therapiealgorithmus vor. PG zeigt chronisch wiederkehrende, schmerzhafte, polyzyklische Ulzera, häufig assoziiert mit Systemerkrankungen. Es wird unterschieden zwischen dem lokalisierten PG (1 bis 3 Läsionen) und dem multiläsionalen PG (mehr als 3 Läsionen). Beim lokalisierten PG kann eine topische Therapie eingesetzt werden (z.B. potente Kortikosteroide, Tacrolimus und spezifische Wundverbände). Empfohlen werden Kompression und sanfte Fibrinentfernung.
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Neutrophile Dermatosen
Silberhaltige, antiseptische oder antibiotische Verbände sind nicht notwendig. Für das multiläsionale PG wird eine systemische Therapie benötigt: L Induktionstherapie: Kortikosteroide
1 bis 2 mg/kg KG oder Cyclosporin A und systemische Kortikoide oder Cyclosporin A 4 mg/kg KG. L Erhaltungstherapie: Azathioprin, Immunglobuline, TNF-Inhibitoren.
Abbildung 2: Subkorneale Pustulose Sneddon-Wilkinson
(Foto: Dermatologische Klinik USZ)
Einige Fälle von PG können spontan abheilen. Pyoderma gangrenosum ist bei 50 Prozent mit anderen Krankheiten assoziiert. Anti-TNF-α ist eine gute Behandlung von PG im Rahmen von entzündlichen Darmerkrankungen oder rheumatoider Arthritis.
Subkorneale Pustulose Sneddon-Wilkinson
Anders als das Sweet-Syndrom gehört diese Erkrankung zu den epidermalen neutrophilen Dermatosen. Meist tritt sie um das 40. Lebensjahr auf. Sie kommt 4-mal häufiger bei Frauen vor. Es finden sich charakteristische schlaffe, sterile, hypopyonartige Pusteln, umsäumt von einem roten Hof, bevorzugt am Stamm und in den Intertrigines. Die Pusteln platzen rasch und hinterlassen Erosionen. Histologisch besteht eine subkorneal gelegene Pustelbildung mit neutrophilen Granulozyten. Die Ätiopathogenese ist ungeklärt, es bestehen Assoziationen zu entzündlichen Krankkeiten wie Morbus Crohn, rheumatoider Arthritis, monoklonalen Gammopathien und multiplem Myelom. Die Therapie besteht aus Dapson.
Sweet-Syndrom (akute febrile neutrophile Dermatose)
Das Sweet-Syndrom ist definiert durch die Trias von akut auftretenden Hautveränderungen, Fieber und Neutrophilie (> 70%). Die Effloreszenzen sind schmerzhafte erythematöse Papeln, Plaques und Knoten an den Prädilektionsstellen (oberer Rumpf und Streckseiten der Extremitäten). Histologisch findet sich ein Infiltrat aus neutrophilen Granulozyten ohne leukozytoklastische Vaskulitis in der Dermis. Es werden 3 Formen des Sweet-Syndroms unterschieden: das klassische (idopathische), das malignomassoziierte und das medikamentenassoziierte SweetSyndrom. Die klassiche Form tritt meist im Alter von 30 bis 60 Jahren auf (häufiger bei Frauen) und ist mit Infekten, chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen oder Impfungen vergesellschaftet. Das malignomassoziierte Sweet-Syndrom kommt bei hämatologischen Neoplasien vor (vor allem bei der myeloischen Leukämie). Zu den Medikamenten, die ein SweetSyndrom auslösen können, gehören: GSF (Granulozyten-Kolonie-stimulierender Faktor) und GMCSF, Minocyclin, Trimethoprim-Sulfamethoxazol, Imatinib und Retinoide. Das rasche Ansprechen auf systemische Kortikosteroide zählt zu den diagnostischen Kriterien des Syndroms. Der Interleukin-1-RezeptorInhibitor Anakinra ist eine therapeutische Alternative für das therapieresistente Sweet-Syndrom.
Bowel-associated dermatitis-arthritis syndrome
Zur Erkrankung kommt es unter anderem bei jejunoilealem Bypass oder blinden Darmschlingen, wo Stase und bakterielle Proliferation zur Immunkomplexbildung führen. Es handelt sich um eine akute Erkrankung mit Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes, Polyarthralgien und Pusteln auf erythematösem Boden. Die Hautveränderungen, die histologisch einer pustulösen Vaskulitis entsprechen, werden als Reaktion auf immunologische Vorgänge erklärt. Die operative Korrektur führt zur Heilung. L
Korrespondenzadresse: Dr. Marguerite Krasovec A. Rahmann Derma Limmattal Uitikonerstrasse 9, 8952 Schlieren Tel. 044 730 40 00, Fax 044 730 40 03 E-Mail: dr-krasovec@bluewin.ch
Interessenkonflikte: keine
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