Transkript
FORTBILDUNG ZUM SCHWERPUNKT
Aktinische Keratosen
Aktuelle Übersicht über die Therapiemöglichkeiten
Heute sind viele Möglichkeiten zur Behandlung aktinischer Keratosen verfügbar, sowohl für die Therapie von Einzelläsionen als auch für die Behandlung bei Feldkanzerisierung. Trotz Therapie können aktinische Keratosen rezidivieren oder sich neu bilden. Patienten mit aktinischen Keratosen werden in der dermatologischen Praxis als chronische Patienten eingestuft und üblicherweise zweimal pro Jahr kontrolliert. Häufig kommen Rotationen oder Kombinationen der im Artikel besprochenen therapeutischen Möglichkeiten zum Einsatz.
MARGUERITE KRASOVEC RAHMANN
Marguerite Krasovec Rahmann
Aus der Epidermis können folgende epitheliale Tumoren entstehen: aktinische Keratose, Basalzellkarzinom, Morbus Bowen, Bowen-Karzinom und Plattenepithelkarzinom (Carcinoma spinocellulare). Die aktinische Keratose (AK) ist eine Frühform des Plattenepithelkarzinoms und wird als Carcinoma in situ betrachtet. AK treten in chronisch lichtexponierter Haut bei älteren Patienten mit einem hellen Hauttyp auf. Sie sind Marker für einen kumulativen UV-Hautschaden, welcher die DNA betrifft. In Europa werden AK bei 15 Prozent der Männer und 6 Prozent der Frauen festgestellt. Die Prävalenz bei den 60- bis 70-Jährigen beträgt 11 Prozent. Von den über 70-Jährigen weisen 34 Prozent der Männer und 18 Prozent der Frauen AK auf.
Aktinische Keratosen können sich spontan zurückbilden, insbesondere bei konsequentem UV-Schutz. Dennoch gehen zirka 6 bis 10 Prozent der AK in ein Plattenepithelkarzinom über. Patienten mit mehr als 10 AK haben ein Risiko von 14 Prozent, ein Plattenepithelkarzinom zu entwickeln. Immunsupprimierte Organtransplantierte haben 200-mal mehr AK als die normale Bevölkerung, und es besteht eine höhere Progressionsrate in invasive Plattenepithelkarzinome. Klinisch zeigen sich die AK in verschiedenen Formen: rauer hautfarbener Fleck, geröteter Fleck mit rauer Oberfläche, palpable rötliche bis rötlich-braune Läsion, zum Teil mit hyperkeratotischer Oberfläche. Der Begriff Feldkanzerisierung bezeichnet einen Herd mit multiplen AK unterschiedlicher Stadien (Abbildung 1). Aufgrund der allgemeinen Zunahme von Hautkrebs und dessen Vorstufen und wegen der verlängerten Lebenserwartung unserer Bevölkerung werden AK in der dermatologischen Praxis immer häufiger diagnostiziert.
Abbildung 1: Feldkanzerisierung
Kryotherapie aktinischer Keratosen
Am häufigsten kommt das Sprayverfahren durch offene Sonden von flüssigem Stickstoff (Verdampfungstemperatur -195 °C) zum Einsatz. Wichtig ist schnelles Einfrieren, gefolgt von langsamem Auftauen mit Wiederholung des Gefrier-Auftau-Zyklus. Feingeweblich bilden sich extra- und intrazelluläre Eiskristalle, die die Zellen zerstören. Zudem führt eine Störung der Mikrozirkulation sekundär zur Gewebeanoxie der Tumorzellen bei Erhaltung der interstitiellen Bindegewebsstrukturen. Melanozyten sind gegenüber Kryotherapie sensibler als Keratinozyten, und Letztere sind sensibler als Fibroblasten.
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Abbildung 2: Hyperkeratotische aktinische Keratose an der Hand
Die Kryotherapie ist geeignet zur Behandlung von einzelnen AK. Nach Therapie kommt es zu einer Exsudation, eventuell mit Blasen- und Krustenbildung. Wegen der erwähnten Melanozytensensibilität können postinflammatorische Hypopigmentierungen zurückbleiben, vor allem bei dunkleren Hauttypen oder gebräunter Haut. Kontraindikationen der Kryotherapie sind: Kryoproteinämie, Kälteurtikaria und Stellen mit oberflächlich liegenden Nerven (z.B. N. ulnaris am Ellenbogen, Nerven an den Fingerseiten). Die Nähe zu Knorpel oder Knochen ist in der Regel unproblematisch. Die Vorteile der Kryotherapie sind: einfach durchführbar, günstig im Preis, wiederholbar, einsetzbar auch bei antikoagulierten Patienten, Patienten mit Herzschrittmacher, betagten Patienten oder im Altersheim, wo eine sofortige effektive Behandlung notwendig ist.
Therapie mit 5-Fluorouracil
5-Fluorouracil (5-FU) ist ein Pyrimidinanalogon, welches die Synthese der Pyrimidinnukleotide der DNA hemmt. In der Dermatologie handelt es sich um eine lokale Chemotherapie der AK. Auf dem Markt befindet sich seit längerem eine 5%-Salbe von 5-FU (Efudix® Salbe). Neuer auf dem Markt ist eine 0,5%Lösung (Actikerall®). Die Therapie mit Efudix® Salbe ist relativ günstig. Therapiebezogen kommen Hautentzündungen, Erytheme, Krusten und allenfalls Erosionen und Ulzerationen vor. Da die Sonnen- und UV-Strahlen die Hautirritation erhöhen, ist ein Sonnenschutz notwendig. Eine Allergie auf Methylhydroxybenzoat, Propylhydroxybenzoat und Propylenglykol, welche in der Salbe enthalten sind, stellt eine Kontraindikation dar. Bei 5-FU, besonders bei Efudix®, ist bei Patienten mit einem Polymorphismus der DPD (DihydropyrimidinDehydrogenase) Vorsicht geboten. Davon sind 5 bis
10 Prozent der Bevölkerung betroffen. Das Enzym DPD spielt eine wichtige Rolle in der Degradation von Fluorouracil. Es droht eine spektakuläre Erhöhung der Plasmakonzentration von FU mit toxischer Agranulozytose, vor allem bei grossflächiger Anwendung. Bei Auftreten einer systemischen Toxizität sollte ein Defizit von DPD in Erwägung gezogen werden bzw. vorher serologisch bestimmt werden. Die Lokaltherapie darf nicht gleichzeitig mit einer Systemtherapie mit antiviralen Nukleosiden, welche die DPD irreversibel hemmen (z.B. Brivudin, Sorivudin), stattfinden. Der zeitliche Abstand muss 4 Wochen betragen. Actikerall® enthält 0,5% 5-FU und 10% Salicylsäure in einer Lösung. Salicylsäure wirkt keratolytisch, weshalb hyperkeratotische AK damit gut behandelbar sind (Abbildung 2). Actikerall® wird als Lack auf bis zu 10 Läsionen aufgetragen (auf maximal 25 cm2). Die Behandlung (einmal pro Tag über 6 bis 12 Wochen) wird in der Regel gut toleriert. Ein Patient von uns fand, dass die Therapie auf der Kopfhaut, wo noch einige Haare sprossten, schlecht praktikabel sei. Beschriebene Nebenwirkungen von Actikerall® sind Kopfschmerzen, trockene oder juckende Augen und vermehrte Tränenflüssigkeit. Die Lösung enthält zusätzlich Dimethylsulfoxide, Methacrylat und Methylmethacrylat. Dadurch können Kontaktallergien ausgelöst werden. Die Patienten sollten informiert werden, dass bei Kontakt mit Actikerall® eine Verfärbung von Textilien und Acrylflächen (z.B. Badewanne) erfolgen kann.
Therapie mit Imiquimod
Imiquimod gehört zur Gruppe der «immune response modifiers». Es induziert nach Rezeptorbindung an die Toll-like-Rezeptoren 7 und 8 gewisse Zytokine, welche die zelluläre Immunität (Th1) steigern und antivirale und antitumorale Eigenschaften besitzen. Imiquimod ist als 5%-Creme erhältlich (Aldara™ 5% Creme). Die Behandlung erfolgt dreimal pro Woche während 4 Wochen. Im Rahmen der induzierten Immunreaktion kann es zu lokalen und systemischen Reaktionen kommen. Die lokalen Nebeneffekte sind Rötung, Krusten, Nässen oder Erosionen, welche sich jedoch nach Absetzen rasch zurückbilden. Wegen dieser Reaktionen empfehlen wir eine erste Kontrolle nach 3 Wochen, um Patienten über die normale, teilweise starke Reaktion zu beruhigen. Die systemischen Reaktionen sind grippale Nebenwirkungen und Gelenk-, Muskel- oder Kopfschmerzen.
Therapie mit Diclofenac-Hyaluronsäure
Das Präparat Solaraze® 3% Gel enthält Diclofenac 3% in Hyaluronsäure 2,5%. Hyaluronsäure verbessert die
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Penetration und Bioverfügbarkeit. Die Wirkung des Präparates beruht auf einer Hemmung des Arachidonsäurezyklus durch Inhibition der Enzyme Cyclooxygenase I und II (COX I und II) mit nachfolgender Hemmung der Zellteilung und Angiogenese. Die Therapie besteht aus 2 Applikationen pro Tag über 3 Monate. Die Behandlung wird üblicherweise gut toleriert. Als unangenehme Nebeneffekte kommen Juckreiz, trockene Haut und Schuppung vor. Bevor das Präparat angewendet wird, müssen Patienten bezüglich Allergien auf Diclofenac und auf andere nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) befragt werden, da sonst eine Kontaktallergie auf Solaraze® Gel droht. Die Nebenwirkungen von eingenommener Acetylsalicylsäure und NSAR können durch Solaraze® Gel erhöht werden. Das Gel enthält zudem Benzylalkohol und Polyethylenglykol, was bei Kontaktallergikern berücksichtigt werden sollte.
Abbildung 3: Teleangiektatische aktinische Keratose an der Augenbraue
Therapie mit Ingenolmebutat
Picato® Gel enthält Ingenolmebutat, das zur Gruppe der Diterpene gehört. Es wird isoliert aus dem Pflanzensaft der Gartenwolfsmilch. Ingenolmebutat besitzt einen dualen Wirkmechanismus mit einer direkten zytotoxischen Wirkung und einer spezifischen Neutrophilen-mediierten, Antikörper-abhängigen zellulären Zytotoxizität und in der Folge neutrophiler Zerstörung durch ROS (reaktive Oxygenspezies). Im Gesicht und auf der Kopfhaut wird Picato® Gel 150 µg/g über 3 Tage, am Stamm oder an den Extremitäten Picato® Gel 500 µg/g über 2 Tage angewendet. Das Produkt muss kühl gelagert werden. Die Kürze der Therapie stellt einen Vorteil dar. Die erste Behandlung kann zum Beispiel durch den Arzt in der Praxis stattfinden, was die Compliance erhöht. Die Nebenwirkungen bestehen in lokalen Hautreizungen wie Ödem, Erythem, Krusten oder Pusteln, vor allem am 4. Tag.
Photodynamische Therapie
Die photodynamische Therapie (PDT) ist zugelassen zur Erstlinienbehandlung von AK, Morbus Bowen und oberflächlichen Basalzellkarzinomen. Die Anwendung von Rotlicht im Wellenlängenbereich von 600 bis 750 nm ist Standard. Es erfolgt eine Anregung der Protoporphyrine, die aus 5-Aminolävulinsäure (ALA) bzw. ihrem Methylesther (MAL) in der Zelle gebildet werden. Läsionen an den Extremitäten sprechen schlechter an als solche auf der Kopfhaut und im Gesicht. Die Therapie ist sehr wirksam und erzielt bessere vollständige klinische Abheilraten im Vergleich zur Kryotherapie. Während der Bestrahlung treten lokale Schmerzen auf. Kommerziell erhältlich sind Metvix® Creme (Methylaminolevulinat) und neu ein 5-ALA-Pflaster (Alacare®
Pflaster). Metvix® Creme wird 1 mm dick auf die Stel-
len appliziert, welche danach während 3 Stunden ok-
klusiv bedeckt bleiben. Das Pflaster ist zugelassen für
die Behandlung von leichten AK im Gesicht und auf
der Kopfhaut mit einem Durchmesser von maximal
1,8 cm. Die Praxis zeigt, dass es sich dabei um eine
relativ kleine Grösse handelt. Bis zu 6 Pflaster können
pro PDT-Sitzung auf 6 verschiedenen Läsionen ange-
wendet werden. Die Einwirkzeit beträgt 4 Stunden.
Auch schwierige Stellen wie Ohr und Nase können
mit dem Pflaster behandelt werden.
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Korrespondenzanschrift: Dr. med. Marguerite Krasovec Rahmann Derma Limmattal Lilie Zentrum Uitikonerstrasse 9, 8952 Schlieren Tel. 044 730 40 00, Fax 044 730 40 03 E-Mail: dr-krasovec@bluewin.ch
Interessenkonflikte: keine
Der Artikel beruht auf einem Vortrag der Autorin an der pharmActuel-Fortbildung vom 20. März 2014 in Zürich.
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