Transkript
FORTBILDUNG
Aktuelle Therapie der allergischen Rhinitis
Auf dem Weg zur optimalen Symptomkontrolle
Weil der Schweregrad der Beschwerden von Ärzten oft zu gering eingeschätzt wird, fühlen sich manche Patienten mit allergischer Rhinokonjunktivitis nicht verstanden und ziehen es vor, sich auf eigene Faust selbst zu therapieren. Die allergische Rhinitis ist aber keine Bagatellerkrankung. Sie beeinträchtigt nicht nur erheblich die Lebensqualität, sondern ist auch mit beträchtlicher Komorbidität verbunden (z.B. Asthma, Nahrungsmittelallergien, atopisches Ekzem, Sinusitis). Es lohnt sich, der Behandlung der allergischen Rhinitis vermehrt Beachtung zu schenken und dabei effiziente Medikamente einzusetzen.
Bei der allergischen Rhinitis bewirkt eine durch Allergenexposition hervorgerufene IgE-vermittelte Entzündung an der Nasenschleimhaut Überempfindlichkeitssymptome wie Niesen, Juckreiz, klare Sekretion, nasale Obstruktion und oft zusätzlich Husten, Halsschmerzen und Augensymptome. Während früher die Unterscheidung einer saisonalen (z.B. durch Pollen ausgelösten), einer perennialen (z.B. durch Hausstaubmilben verursachten) und einer berufsbedingten Form im Vordergrund stand, wird aktuell eine Einteilung bevorzugt, die sich an der Dauer der Symptomatik orientiert (intermittierend = weniger als 4 Tage pro Woche oder weniger als 4 Wochen; persistierend = mehr als 4 Tage pro Woche oder mehr als 4 Wochen) und die zudem den Schweregrad der Symptome berücksichtigt (leicht, mässig bis schwer). Zur symptomatischen Behandlung reiche eine Monotherapie bei den meisten Patienten nicht aus, und für die praktizierten Kombinationstherapien fehlten in der Regel wissenschaftliche Belege zur Wirksamkeit und zur Sicherheit, schreibt Prof. Dr. Claus Bachert, Klinikchef des Fachbereichs Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Universität Gent, Belgien, in einer aktuellen Fortbildungsübersicht, herausgegeben von CME medipoint, Nürnberg, mit Unterstützung von MEDA Pharma.
Kausale Behandlung durch Allergenvermeidung und Immuntherapie
Neben der konsequenten Meidung auslösender Allergene, die oft nicht praktikabel ist, steht als kausale Therapie nur noch die spezifische Immuntherapie (SIT) zur Verfügung. Zahlreiche kontrollierte Studien belegen die Wirksamkeit untersuchter Präparate zur subkutanen Immuntherapie (SCIT) und zur sublingualen Immuntherapie (SLIT) der allergischen Rhinokonjunktivitis bei Pollen- und Hausstaubmilbenallergie. Bei anderen Allergenen wie Tierepithelien oder Schimmelpilzsporen seien dagegen bisher erst wenige, teilweise methodisch ungenügende Studien mit widersprüchlichen Ergebnissen verfügbar. Das Sicherheitsprofil der SLIT bezüglich anaphylaktischer Reaktionen sei besser im Vergleich zur SCIT, so Prof. Bachert. Zwar treten bei der SLIT dosisabhängige, lokale Symptome im Mund- und Rachenraum häufig auf, aber systemische Reaktionen kommen nur selten vor.
Symptomatische Behandlung mit Antihistaminika oder Glukokortikoiden
Durch moderne orale H1-Antihistaminika werden nasale und nicht nasale Symptome wie Halsschmerzen oder geschwollene Lider sowohl bei intermittierender als auch bei persistierender allergischer Rhinitis gut und rasch gebessert. Als Nasenspray eignen sich H1-Antihistaminika für Erwachsene und Kinder mit intermittierender saisonaler allergischer Rhinitis. Bei persistierender allergischer Rhinitis seien dagegen zu wenig Daten vorhanden, um nasale H1-Antihistaminika als Mittel erster Wahl zu empfehlen, so der Experte. Die Wirkung von Nasensprays mit H1-Antihistaminika tritt rasch, innerhalb von 15 Minuten, ein. Die Nasensprays sind zweimal täglich anzuwenden. Weil H1-Antihistaminika die nasale Obstruktion oft nicht lindern, wird derzeit getestet, ob H3-Antihistaminika diesbezüglich nützlich sein könnten. Glukokortikoidnasensprays gelten als die wirksamste Monotherapie der allergischen Rhinitis. Bei Erwachsenen und bei Kindern sind sie sowohl bei intermittierender als auch bei persistierender allergischer Rhinitis bezüglich Wirksamkeit den oralen und nasalen H1-Antihistaminika überlegen. Weil topische Glukokortikoide aber bei der Besserung der allergischen Augensym-
24 SZD Nr. 5•2013
Aktuelle Therapie der allergischen Rhinitis
ptome den oralen H1-Antihistaminika unterlegen sind, kann die Kombination eines Glukokortikoidnasensprays mit einem oralen H1-Antihistaminikum bei allergischer Rhinokonjunktivitis sinnvoll sein. Glukokortikoidnasensprays werden hauptsächlich bei persistierender allergischer Rhinitis mit mässig bis schwer ausgeprägten Symptomen, darunter nasaler Obstruktion, empfohlen. Als Nachteil von Glukokortikoidnasensprays ist das langsame Erreichen der vollen Wirkung zu nennen. Zwar ist nach Stunden bis einem Tag mit dem Beginn der Wirkung zu rechnen, aber der maximale Effekt wird erst nach wenigen Wochen erreicht. Wenn die Symptome unter Kontrolle sind, ist eine Dosisreduktion frühestens nach 3 Monaten angebracht, so Prof. Bachert. Auch bei Langzeitanwendung sei keine Nasenschleimhautatrophie oder Störung der mukoziliären Clearance zu erwarten. Das Risiko systemischer Nebenwirkungen sei sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern sehr gering. Der Arzt sollte die richtige Handhabung des Sprays erklären, damit die Spraylösung die Nasenschleimhaut optimal benetzen kann (siehe Kasten).
Richtige Anwendung kortikosteroidhaltiger Nasensprays
• Behälter gut schütteln • Kopf nicht nach hinten neigen, sondern nach unten
blicken • Für das linke Nasenloch die rechte Hand benutzen:
Düse einführen und Sprühstoss nicht gegen das Nasenseptum, sondern gegen die Nasenaussenwand richten • 1-mal oder 2-mal in verschiedene Richtungen sprühen • Handwechsel und Wiederholung beim anderen Nasenloch • Das applizierte Medikament nicht in der Nase hochziehen
Symptomatische Therapie mit Cromonen, Leukotrienantagonisten und Sympathomimetika
Die zur Gruppe der Cromone zählenden, topisch eingesetzten Wirkstoffe Cromoglicinsäure (4-mal täglich) und Nedocromil (2-mal täglich) sind sehr gut verträglich, aber weniger wirksam als orale und topische Antihistaminika oder als topische Glukokortikoide. Cromone bewirken eine Mastzellstabilisation mit verminderter Mediatorfreisetzung aus aktivierten Mastzellen und werden beispielsweise in der Schwangerschaft eingesetzt. Leukotriene sind an allergischen Entzündungen beteiligt und spielen bei der allergischen Rhinitis besonders für die Sekretion und die Obstruktion eine Rolle. Es gebe bei Vorschulkindern auch mit persistierender allergischer Rhinitis Belege für die Wirksamkeit und die Sicherheit von Leukotrienantagonisten (z.B. Montelukast), die einmal täglich peroral eingesetzt werden, so der Experte. Bei Erwachsenen mit persistierender
allergischer Rhinitis rät er dagegen von der Anwendung dieser Medikamente ab, da bei hohen Kosten nur eine begrenzte Wirksamkeit zu erwarten sei. Mit Alpha-Sympathomimetika kann das Abschwellen der Nasenschleimhaut über adrenerge Rezeptoren erreicht werden. Wenn Erwachsene mit allergischer Rhinitis über starke Verstopfung der Nase klagen, können topisch anwendbare Alpha-Sympathomimetika wie Xylometazolin oder Oxymetazolin 2- bis 3-mal täglich während maximal 5 Tagen zusätzlich zur antiallergischen Therapie verwendet werden. Diese sehr schnell wirksamen Medikamente, die praktisch keine systemischen Nebenwirkungen haben, können aber bei längerer Anwendung Reboundeffekte auslösen, die zur Dosissteigerung und schliesslich zur Rhinitis medicamentosa führen. Orale Dekongestiva (z.B. das Sympathomimetikum Pseudoephedrin) eignen sich aufgrund von unerwünschten Wirkungen und zu wenig stark ausgeprägten erwünschten Effekten nicht zur Standardtherapie der allergischen Rhinitis.
Innovative Kombinationstherapie in Sprayform
Neuerdings steht ein Kombinationspräparat des Gluko-
kortikoids Fluticasonpropionat und des H1-Antihist-
aminikums Azelastin in einer speziellen Formulierung
als Nasenspray Dymista® zur Verfügung. Sowohl nasale
Symptome (verstopfte oder laufende Nase, Juckreiz in
der Nase, Niesen) als auch Augensymptome (Juckreiz,
Tränenfluss, Rötung) werden durch diesen Nasenspray
erheblich stärker und rascher gebessert als durch her-
kömmliche Nasensprays, welche die beiden Wirkstoffe
einzeln enthalten. Die neuartige Formulierung bewirke
ein grösseres Sprayvolumen, kleinere Tröpfchen, ein
anderes Sprühmuster, eine grössere Kontaktfläche und
eine verlängerte Kontaktdauer an der Schleimhaut, er-
klärt der Experte. Ein vergleichbarer Effekt könne nicht
durch zwei nacheinander applizierte Sprühstösse aus
zwei Nasensprays erreicht werden.
Dass der Dymista®-Nasenspray zusammen mit den
Nasensymptomen auch die Augensymptome bessert,
beruht wahrscheinlich auf einem naso-okulären Reflex.
In einer Studie konnte mittels Allergenprovokation in
der einen Nasenhälfte gezeigt werden, dass am Provo-
kationsort Histamin ausgeschüttet wird, was wahr-
scheinlich einen naso-nasalen Reflex zur kontralatera-
len Nasenhälfte und einen naso-okulären Reflex zu den
Augen auslöst. Wenn vor der Allergenprovokation auf
der Provokationsseite ein Antihistaminikum in Form
eines Nasensprays verwendet wurde, kam es zu einer
Abschwächung dieser Reflexe (1).
G
Alfred Lienhard
1. Baroody FM et al. Nasal ocular reflexes and eye symptoms in patients with allergic rhinitis. Ann Allergy Asthma Immunol 2008; 100: 194–199.
26 SZD Nr. 5•2013