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HIGHLIGHT
Hautinfektionen bei Diabetes mellitus
Aktuelles zur Klinik, Diagnostik und Therapie
Für eine generell erhöhte Infektionsanfälligkeit bei Patienten mit Diabetes mellitus gibt es keine gute Evidenz. Es konnte aber gezeigt werden, dass 20 bis 50 Prozent der Diabetiker zumindest eine oder mehrere für diese Stoffwechselerkrankung typische Hautinfektionen aufweisen. Infektionen durch Dermatophyten, Candida albicans, Staphylococcus aureus oder Corynebakterien sind insbesondere bei Diabetikern mit suboptimal eingestellter Stoffwechsellage nicht zu vernachlässigen, da sie als Eintrittspforte dienen können, wobei es zu bakteriellen Superinfektionen mit gravierenden Folgen kommen kann.
VON SABINE FIECHTER UND PETER ITIN
Pathogenese des erhöhten Hautinfektionsrisikos bei Patienten mit Diabetes mellitus
Einerseits korreliert die Inzidenz von Hautinfektionen mit dem Glukosegehalt im Blut und somit mit dem Glukosegehalt in der Epidermis, andererseits nimmt man an, dass auch eine Störung der zellvermittelten Immunität, insbesondere bei ketoazidotischer Stoffwechsellage, eine Rolle spielt. Vermutlich werden die Chemotaxis, die Phagozytose und die bakterizide Wirkung der Leukozyten verringert. Auch wird eine Verminderung der Funktion und der Antigenantwort der kutanen
Risikofaktoren für eine erhöhte Hautinfektionsanfälligkeit bei Patienten mit Diabetes mellitus
• Suboptimal eingestellte diabetische Stoffwechsellage • Alterierte zelluläre Immunität • Mikro-/Makroangiopathie • Periphere Neuropathie • Adipositas • Wundheilungsstörung
Tabelle 1:
Hautinfektionen bei Patienten mit Diabetes mellitus
1. Infektionen durch Candida albicans (häufig) • Perlèche • Vulvitis/Balanitis • Paronychie • Intertrigo 2. Infektionen durch Dermatophyten (häufig) • Onychomykose • Tinea pedis • Tinea corporis 3. Bakterielle Infektionen (häufig) • Erythrasma (Corynebacterium minutissimum) • Hämolysierende Streptokokken • Staphylococcus aureus 4. Seltene Infektionen • Mucormycosis (z.B. Rhizophorus nigricans) • Gasgangrän durch Clostridien und andere Erreger • Maligne Otitis externa (Pseudomonas aeruginosa)
T-Zellen diskutiert. Hautinfektionen sind bei gut eingestelltem Diabetes mellitus nicht häufiger als bei Gesunden. Ausserdem sind mehrheitlich Typ-2-Diabetiker betroffen.
Infektionen mit Candida albicans
Insbesondere Infektionen durch den Hefepilz Candida albicans, wie beispielsweise die akute pseudomembranöse Candidose (Mundsoor) (Abbildung 1) mit der typischen
Abbildungen 1 und 2: Infektionen durch Candida albicans
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Hautinfektionen bei Diabetes mellitus
Klinik von zuerst stippchenförmigen, später konfluierenden, weissen, abstreifbaren Belägen, unter denen sich eine hochrote, leicht blutende Schleimhaut befindet, oder auch der anogenitale Befall mit den klassischen Satellitenläsionen (Abbildung 2), können ein früher Hinweis für einen noch nicht diagnostizierten Diabetes mellitus sein. Dieser muss dann aktiv gesucht werden. Vor allem Patienten mit schlecht eingestellter diabetischer Stoffwechsellage sowie ältere Personen sind betroffen. Bei Kindern ist der Angulus infectiosus (Perlèche) ein klassisches Zeichen des Diabetes.
Tabelle 2:
Therapieempfehlungen bei Befall mit Candida albicans
Candida-Stomatitis Fluconazol p.o. 200 mg/Tag für 1–7 Tage
Candida-Vulvovaginitis Fluconazol p.o. 150 mg als Einmaldosis
Bei der Candida-Vulvovaginitis führt eine kombinierte Therapie mit Clotrimazol-haltigen Vaginaltabletten sowie Applikation einer Clotrimazol-haltigen Vaginalcreme zu gleichwertigen Erfolgen (z.B. Gyno-Canesten® Kombipack für 3 Tage).
Infektionen durch Dermatophyten
Die in der Praxis am häufigsten gesehenen Infektionen durch Dermatophyten sind die Onychomykose (Abbildung 3) sowie die interdigitale Tinea pedis (Abbildung 4), welche durch Mazeration und groblamelläre Schuppung am häufigsten in den besonders engen 3. und 4. Zehenzwischenräumen zu finden ist. Auch bei typischer Klinik der Onychomykose (subunguale Hyperkeratose, distale Onycholyse, Gelbverfärbung der Nagelplatte, Nageldystrophie und je nach Form weissliche Maculae der Nagelplatte) ist ein Erregernachweis mittels Direktpräparat notwendig. Insbesondere bei Therapieversagen sollte eine Pilzkultur zwecks erregerspezifischer Therapie durchgeführt werden.
Abbildungen 3 und 4: Infektionen durch Dermatophyten
Die erwähnten Infektionen sind bei Diabetikern therapiebedürftig, da sie bei nicht optimaler Behandlung als Eintrittspforte für gravierende bakterielle Superinfektionen dienen können, was eventuell zu einer Osteomyelitis und im Verlauf zu einer Amputation führen könnte. Aus dermatologischer, angiologischer und endokrinologischer Sicht ergibt sich demnach die Empfehlung, wenn immer möglich eine kurative Therapie anzustreben.
Therapieempfehlungen: Bei der interdigitalen Mykose ist in aller Regel eine topische Behandlung mit Azol-, Allylamin-, Hydroxypyridon- oder Morpholin-haltigen Externa ausreichend. Bei einer Onychomykose ist dagegen eine topische Therapie mit Hydroxypyridon- oder Morpholin-haltigen Externa nur bei einem Nagelbefallsgrad < 1/3 und bei fehlendem Matrixbefall sinnvoll. Ansonsten ist eine Systemtherapie unabdingbar. Da insbesondere Typ-2Diabetiker viele Komorbiditäten aufweisen, was zu einem hohen Potenzial an möglichen Medikamenteninteraktionen führt, sind im Folgenden die wichtigsten Punkte bezüglich der üblichen systemischen Therapeutika bei Onychomykose aufgeführt. 1. Terbinafin (z.B. Lamisil® Tabletten p.o., 250 mg/Tag für 3–6 Monate) Terbinafin ist das Mittel der Wahl bei DermatophytenInfektionen und zeigt eine sehr gute Wirksamkeit bei nur geringem Medikamenteninteraktionsrisiko. Vorsicht ist geboten bei zusätzlicher Gabe von Medikamenten, die durch CYP 2D6 metabolisiert werden (z.B. Betablocker, Serotoninwiederaufnahmehemmer) und bei Nieren- und Lebererkrankungen. Die gleichzeitige Gabe von Phenprocoumon (Marcoumar®) macht aufgrund einer möglichen Wirkungsverstärkung der Gerinnungshemmung zu Beginn der Therapie engmaschige Kontrollen erforderlich. 2. Itraconazol (z.B. Sporanox® Tabletten p.o., Pulstherapie 2 × 200 mg/Tag für 1 Woche, gefolgt von 3 Wochen Pause, Fingernägel 2 Zyklen, Zehennägel 3 Zyklen) Auch dieses Medikament zeigt eine sehr gute Wirksamkeit bezüglich Dermatophyten-Infektionen, wobei hier aufgrund der Metabolisierung zahlreiche Medikamenteninteraktionen beschrieben sind. Vor allem kommt es zu einer Erhöhung der durch CYP 3A4 metabolisierten Medikamente. Insbesondere zu erwähnen sind Interaktionen mit Betablockern, oralen Antidiabetika, Benzodiazepinen sowie Statinen – alles Medikamente, welche bei Diabetikern oft eingesetzt werden. Zudem sollte beachtet werden, dass Itraconazol-haltige Medikamente aufgrund ihrer negativinotropen Wirkung bei Patienten mit Herzinsuffizienz kontraindiziert sind. Auch bei Leberinsuffizienz ist Vorsicht geboten. Eine Verlängerung der QT-Zeit unter Itraconazol wurde beschrieben. Zu Rezidiven kommt es häufiger als nach Terbinafintherapie. 3. Fluconazol (z.B. Diflucan® Tabletten p.o., 150 mg 1 ×/Woche, Fingernägel 3 Monate, Zehennägel mindestens 4 Monate) Fluconazol ist das Mittel der Wahl bei Infektionen durch Candida albicans. Bezüglich der Wirksamkeit bei Dermatophyteninfektionen fehlen repräsentative Studien. Das Medikamenteninteraktionsprofil ist ähnlich wie bei Itraconazol, wobei keine Interaktionen mit Statinen beschrieben wurden. Begleitend wird empfohlen, eine optimale Fusshygiene durchzuführen, regelmässige podologische Kontrollen vorzunehmen und eine allfällige Hyperhidrose zu behandeln. [medicos ] Nr. 2•2013 3 Hautinfektionen bei Diabetes mellitus Bakterielle Infektionen Das Erythrasma (Abbildungen 5a und 5b) ist die häufigste bakterielle Hautinfektion bei übergewichtigen Diabetikern. Das typische klinische Erscheinungsbild besteht aus kleinen, rotbraunen Maculae, welche zu scharf begrenzten Herden mit Satelliten in der Umgebung konfluieren, begleitet von gelegentlich feiner Schuppung in den Intertrigines. Zudem kann die durch Corynebacterium minutissimum bedingte Infektion im Woodlicht diagnostiziert werden. Aufgrund der Porphyrinproduktion leuchtet dieses dann korallenrot. Abbildungen 5a und 5b: Erythrasma Therapieempfehlungen: Bei Nichtansprechen der üblichen topischen Behandlungsstrategien (z.B. Azol-, Ciclopirox- oder Erythromycin-haltige Externa) ist eine Systemtherapie mit Erythromycin-Tabletten p.o., 250 mg 4 ×/Tag für 7 bis 14 Tage indiziert. Ergänzend ist eine Reduktion der Begleitfaktoren wie Übergewicht und Schwitzen anzustreben. Die nekrotisierende Fasziitis (Abbildungen 6a und 6b) ist eine gravierende bakterielle Mischinfektion (Streptococcus pyogenes, Staphylococcus aureus, anaerobe Streptokokken, Bacteroides) des subkutanen Gewebes mit fortschreitender Zerstörung des Fettgewebes und der Faszie. In 80 Prozent der Fälle ist diese Infektion Folge einer trivialen Hautläsion. Klinisch findet sich initial ein ausgeprägtes Gewebeödem mit heftigstem lokalem Schmerz bei nur gering sichtbaren Hautveränderungen, begleitet von schweren systemischen Zeichen (Fieber, Schüttelfrost, Leukozytose). Im Verlauf entwickeln sich eine rasch progrediente Rötung, Schwellung und Überwärmung und später eine dunkelrote bis bläulich-livide Verfärbung. Im weiteren Verlauf kann es zu Abbildungen 6a und 6b: Nekrotisierende Fasziitis Blasenbildung sowie flächenhafter, schmerzloser Hautgangrän kommen. Aufgrund der Nekrose im subkutanen Gewebe kommt es zu einer Zerstörung der oberflächlichen Nerven und somit zu einer Anästhesie des befallenen Gebietes, welche vor Auftreten der Hautnekrose diagnoseweisend sein kann. Es ist speziell auf die mögliche Diskrepanz zwischen lokalen und systemischen Symptomen bei Patienten mit Diabetes mellitus hinzuweisen. Insbesondere die Verminderung des Ery- thems und der Schmerzempfindung aufgrund der Angio- und Neuropathie ist zu beachten. Therapieempfehlungen: Wird die Diagnose einer nekrotisierenden Fasziitis anhand der Klinik, in unklaren Fällen eventuell mittels MRI-Untersuchung (Spezifität 46–86 Prozent, Sensitivität 89–100 Prozent), gestellt, ist die unverzügliche Einleitung eines interdisziplinären Managements notwendig. Der rasche Beginn einer Therapie mittels eines Breitspektrum-Antibiotikums sowie ein sofortiges chirurgisches Débridement mit Fasziotomie inklusive Entnahme von Gram-Präparaten und Bakterienkulturen sind unabdingbar. Zusätzlich sollten Blutkulturen abgenommen werden. Eine resistenzgerechte, systemische antibiotische Behandlung ist zwingend, da bei diesem schweren Krankheitsbild die Gesamtmortalität bei 30 bis 70 Prozent liegt. Seltene Infektionen Neben den aufgeführten wichtigen Entitäten gibt es auch eine Reihe seltener Hautinfektionen bei Diabetes mellitus, welche selbst an grossen Kliniken eine Rarität sind, wie zum Beispiel die maligne Otitis externa, die in der Regel durch Pseudomonas aeruginosa hervorgerufen wird. Diese Krankheitsbilder treten überwiegend bei Patienten mit schlecht eingestellter diabetischer Stoffwechsellage und Ketoazidose auf. Schlussfolgerungen Nur Patienten mit suboptimal eingestellter diabetischer Stoffwechsellage weisen ein erhöhtes Hautinfektions- risiko auf. Aufgrund der Gefahr von bakteriellen Super- infektionen müssen insbesondere die Tinea pedis und die Onychomykose wenn immer möglich kurativ be- handelt werden. Begleitend ist auf eine Optimierung der diabetischen Fusspflege sowie auf eine allfällige Gewichtsreduktion zu achten. ● Korrespondenzadressen: Dr. med. Sabine Fiechter Assistenzärztin Dermatologische Klinik, Universitätsspital Basel E-Mail: Sabine.Fiechter@usb.ch Prof. Dr. med. Peter Itin Chefarzt Dermatologische Klinik, Universitätsspital Basel Interessenkonflikte: keine Literaturangaben bei der Autorin. 4 [medicos ] Nr. 2•2013